23.07.2004

Gezielte Ionisation

Mit der Spitze eines Rastertunnelmikroskops lassen sich einzelne Goldatome reversibel mit einer zusätzlichen Elektronenladung versehen.




Mit der Spitze eines Rastertunnelmikroskops lassen sich einzelne Goldatome reversibel mit einer zusätzlichen Elektronenladung versehen.

Rüschlikon/Göteborg – Die gezielte Kontrolle von einzelnen Atomen ist der Schlüssel zu zahlreichen Anwendungen der Nanotechnologie. Auf diesem Weg gelang es nun schwedischen und schweizerischen Physikern, einzelne Goldatome mit einer zusätzlichen Elektronenladung zu ionisieren. Der elegante Prozess mit der Spitze eines Rastertunnelmikroskops ist dabei auch umkehrbar. Die Forscher, die ihr Weg weisendes Experiment in der Fachzeitschrift "Science" beschreiben, sehen potenzielle Anwendungen für neue Prozesse in der Datenverarbeitung und für die Kontrolle chemischer Reaktionen.

"In der Nanowelt wird die Schaffung komplexer, funktionalisierter Strukturen die Fähigkeit erfordern, nicht nur die Position und die geometrischen und mechanischen Eigenschaften eines Atoms zu steuern, sondern auch die elektronischen und chemischen Parameter auf atomarem Niveau", sagt Gerhard Meyer vom IBM Forschungslabor in Rüschlikon bei Zürich. Zusammen mit Kollegen der Chalmers Universität in Göteborg setzte er zuerst einzelne Goldatome auf eine isolierende, rund zwei Atomlagen dicke Schicht aus Kochsalz (NaCl). Darauf führten sie die atomfeine Wolframspitze eines Rastertunnelmikroskops (STM) bis auf ein Fünftel Nanometer an ein Goldatom heran. Mit einem Spannungspuls von 0,6 Volt konnten sie eine negative Ladung auf das Goldatom übertragen. Umgekehrt ließ sich diese Ladung mit einem entgegengesetzt gepolten Spannungspuls (1 V; 0,2 nA) wieder abgreifen, sodass das Atom in den neutralen Ursprungzustand zurückfiel.

In dieser rastertunnelmikroskopischen 3D-Abbildung sind zwei Goldatome auf einer isolierenden NaCl-Oberfläche in falschfarben dargestellt. Das Atom links wurde mit Hilfe einer Rasterkraftmikroskopie-Spitze ionisiert. (Quelle: IBM/Chalmers)

Sowohl Position als auch Ladungszustand blieben nach diesen Ladeprozessen stabil. Die Ursache dafür sehen Meyer und seine Kollegen in einer Umorientierung der Atome in der Kochsalz-Schicht. Je nach Ladungszustand des Goldatoms verschieben sich Chlorid- und Natriumionen, um sowohl Goldion als auch Goldatom zu stabilisieren. Zur Überprüfung, ob das Goldatom tatsächlich aufgeladen wurde, näherten die Wissenschaftler die STM-Spitze mit einer negativen Ladung an das potenzielle Goldion an. Aufgrund der gleichen Ladungsart wurde es abgestoßen und bewegte sich leicht über die Oberfläche. Mit entgegen gesetzter Ladung konnte das Ion dagegen von der STM-Spitze aufgenommen werden. Parallel zu diesem Versuch berechneten sie auch die zu erwartenden STM-Bilder sowohl für das neutrale Atom als auch für das Ion. Diese stimmten ebenfalls abhängig vom Ladungszustand mit den Beobachtungen überein.

"Zusammen mit der Kontrolle des Ladungszustands ergibt sich beim Goldatom auch eine Kontrolle des magnetischen Moments", erklärt Meyer. Denn wegen der mit einem zusätzlichen Elektron abgeschlossenen Schale ist das Goldion unmagnetisch, das neutrale Goldatom dagegen nicht. In Hinblick auf Ladung und Magnetspin liegen Anwendungen für die Speicherung und Verarbeitung von binären Daten nahe. "Speichereinheiten in einer atomaren Größenordnung könnten bei gleichen Ausmaßen wie heute mindestens die zehntausendfache Datenmenge tragen", sagt Rolf Allenspach vom IBM-Labor. Doch auch chemische Reaktionen, beispielsweise in der Katalyse, beeinflussen Ionen eines Elements anders als die neutralen Atome. Je nach Reaktion könnten so Atome auf einer Oberfläche gezielt geladen oder elektrisch neutralisiert werden.

Jan Oliver Löfken

Weitere Infos:

Weitere Literatur

  • J. Repp, G. Meyer, K.-H. Rieder, Phys. Rev. Lett. 92, 036803 (2004).  
  • J. Repp, S. Fölsch, G. Meyer, K.-H. Rieder, Phys. Rev. Lett. 86, 252 (2001).  
  • G. Kresse, J. Furthmüller, Phys. Rev. B 54, 11169 (1996).  
  • F. E. Olsson, M. Persson, Surf. Sci. 540, 172

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