Gezwirbelter Strom
Aus Nanoröhrchen gesponnene Garne wandeln verblüffend effizient mechanische in elektrische Energie um.
Weltweit verfolgen Wissenschaftler zahlreiche Ansätze für Stromfasern, die mechanische Bewegungen in elektrische Energie umwandeln können. Zusätzlich zu piezo- und triboelektrischen Methoden setzt nun eine koreanisch-
Abb.: Mikroskopaufname der verdrillten Fasern aus Kohlenstoffnanoröhrchen, die über Dehnungen elektrischen Strom erzeugen können. (Bild: U. Texas)
„Prinzipiell sind diese Fasern Superkondensatoren“, sagt Na Li von der University of Texas in Dallas. Durch das Eintauchen eines Nanoröhrchens in einen flüssigen Elektrolyten können sich die Fasern ohne externen Stromanschluss selbst elektrisch aufladen. Diesen Effekt nutzten Li und seine Kollegen von der Hanyang University in Seoul für die Fertigung ihrer Stromfasern. Sie züchteten zuerst mehrwandige Nanoröhrchen aus Kohlenstoff, die auf einer Unterlage wie die Grashalme auf einer Wiese senkrecht nebeneinander standen. Die Nanoröhrchen verdrillten sie über ein spezielles Spinverfahren zu einem eng gezwirbelten Faden, der sich elastisch auseinander ziehen ließ. Getränkt in einem leitfähigen Elektrolyten wie beispielsweise einer Kochsalzlösung, wandelten sich diese verdrillten Fasern zu einem Superkondensator.
Dank der hohen Festigkeit der Nanoröhrchen ließen sich die gezwirbelten Fasern viele tausend Male dehnen, ohne Schaden zu nehmen. Schon eine Dehnung um ein Drittel reichte für eine effiziente Stromerzeugung aus. Dabei wurden die Fasern schmaler und die elektrischen Ladungen des Elektrolyten näherten sich aneinander an. Dadurch erzeugte diese mechanische Bewegung kleine Spannungspulse von etwa 80 Millivolt bei einer Stromstärke von einigen Dutzend Mikroampere. Mit den besten verdrillten Stromfasern erzielten die Wissenschaftler bei dreißig zyklischen Dehnungen pro Sekunde eine rechnerische Leistung von bis zu 250 Watt pro Kilogramm. Da die einzelnen Fasern mit einigen Mikrogramm jedoch sehr leicht waren, war die Stromausbeute pro Faser zwar gering, reichte jedoch zum Betrieb einer Leuchtdiode oder – eingewoben in einen Stoff – zur Versorgung eines Pulssensors aus.
Mit diesen Strom erzeugenden Garnen wollen die Forscher nicht nur eine mobile Stromquelle entwickeln, die sich etwa eingewoben in Sportkleidung zum Betrieb von Sensoren eignet und Akkus überflüssig machen könnte. Auch für eine neue Klasse kleiner Wellenkraftwerke sollen zu dickeren Tauen gebündelte Stromfasern geeignet sein. Eingespannt zwischen einer Schwimmboje und einem Senkblei könnten diese Taue bei jeder Welle gedehnt werden und mit den dabei entstehenden Spannungspulsen einen Kondensator oder gar einen Akku nach und nach aufladen. Mit dem so gewonnenen Strom ließen sich etwa Messbojen autark betreiben.
Erste Pilotversuche im Labor mit dünneren Stromfasern – in Salzwasser getaucht und eingespannt zwischen einem schwimmenden Luftballon und einem Senkblei – belegten bereits, dass bei einer Wellenbewegung die Fasern um etwa ein Viertel gedehnt werden konnten. Vor einer praktischen Anwendung gilt es jedoch, die Fertigungskosten der heute noch relativ teuren Nanoröhrchen aus Kohlenstoff drastisch zu senken.
Die Nanoröhrchen-Faser könnten eine viel versprechende Alternative zu Stromfasern aus Zinkoxid sein, den beispielsweise Zhong Lin Wang und seine Kollegen vom Georgia Institute of Technology in Atlanta vor knapp zehn Jahren schon entwickelt hatten. Wang packte eine nur vier millionstel Meter dicke und ein fünftel Millimeter lange Faser aus Zinkoxid in eine flexible Folie aus dem Kunststoff Polyimid. Wurde dieses Modul gebogen, streckte sich die Zinkoxid-
In Zukunft könnten Strom erzeugende Fasern sogar mit Strom speichernden Fasern kombiniert werden. Verwebbare, flexible Superkondensatoren entwickelten vor drei Jahren Forscher der Drexel University in Philadelphia aus Leinen, Bambus und Viskose. In diese lagerten sie mit Hilfe chemischer Lösungsmittel poröse Mikropartikel aus Aktivkohle ein. Abhängig von den experimentellen Randbedingungen – Dauer, Temperatur, Druck, Konzentration der verwendeten Lösungen – ließen sich die Aktivkohle-
Jan Oliver Löfken
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