Gitterdynamik im Nanokristall gefilmt
Dreidimensionale Bilder von der Entstehung und Entwicklung akustischer Phononen.
Wie sich die Atome in einem Nanokristall bewegen, in dem bestimmte akustische Phononen angeregt wurden, haben jetzt Forscher am London Centre for Nanotechnology zeitaufgelöst und auf einige Pikometer genau gemessen. Die Wissenschaftler um Jesse Clark und Ian Robinson haben 300 bis 400 nm große Goldkristalle bei einem Pump-Probe-Experiment mit ultrakurzen IR-Laserpulsen in Schwingungen versetzt. Anschließend bestrahlten sie die Nanokristalle mit 80 fs langen Röntgenpulsen, die eine Photonenenergie von 9,2 keV hatten und von der Linac Coherent Light Source (LCLS), dem Freie-Elektronen-Röntgenlaser am SLAC in Stanford, stammten.
Abb.: Ein Nanokristall wird von IR-Pulsen (rot) angeregt und kurz darauf von kohärenten Röntgenpulsen (blau) getroffen. (Bild: J. N. Clark et al., Science)
Indem die Forscher den zeitlichen Abstand zwischen dem Anregungs- und dem Abfragepuls von 0 bis 500 ps änderten, konnten sie die Schwingungen verfolgen, zu denen die einzelnen Nanokristalle angeregt worden waren. Dazu fingen sie die von einem Kristall gebeugten Röntgenpulse mit einem Flachbilddetektor auf und werteten sie aus.
Mit Hilfe eines von ihnen entwickelten Verfahrens konnten die Wissenschaftler aus dem Röntgen-Beugungsmuster eines einzelnen Nanokristalls dessen zeitabhängige dreidimensionale Struktur rekonstruieren. Abgesehen von radialen Breathing-Moden, bei denen das Gitter des Kristalls sich homogen ausdehnte und wieder zusammenzog, traten auch kompliziertere Schwingungsmoden auf.
Abb.: Zeitliche Entwicklung von akustischen Phononen in einem Nanokristall, die lokale Auslenkung der Atome (s. Farbskala) wird jeweils längs eines bestimmten Q-Vektors (roter Pfeil) angegeben. (Bild: J. N. Clark et al., Science)
Die Fourier-Analyse der Kristallschwingungen zeigte, dass im Wesentlichen nur zwei dieser komplizierteren Moden vorkamen, deren Schwingungsperioden etwa 100 ps bzw. 250 ps betrugen und von der Kristallgröße abhingen. Die akustischen Schwingungen wurden über Elektron-Phonon-Kopplung durch Elektronen angeregt, die wiederum durch die IR-Pulse Energie aufgenommen hatten. Es zeigte sich, dass die Kristallschwingungen wesentlich langlebiger waren, als man es aus Experimenten mit Ensembles von Nanokristallen geschlossen hatte, bei denen sich die Schwingungssignale der unterschiedlichen Kristalle rasch wegmittelten.
Während die räumliche Auflösung der oszillierenden Bereiche des schwingenden Nanokristalls je nach der Richtung im Raum zwischen 20 nm und 50 nm lag, konnten die Schwingungsauslenkungen auf einige pm genau bestimmte werden. Die experimentellen Ergebnisse stimmten gut mit den Resultaten molekulardynamischer Simulationen überein.
Die Forscher sind zuversichtlich, mit ihrem Verfahren auch die Schwingungen von noch kleineren Nanopartikeln untersuchen zu können, die weniger als 100 nm groß sind. Zudem sollte es auch möglich sein, Schwingungen in Halbleitern und Nanostrukturen zu untersuchen.
Rainer Scharf
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