18.06.2019

Glasartig und kristallin als Binärcode

Phasenwechselmaterialien sorgen für effizientere Smartphones.

Mit Phasenwechselmaterialien erreicht die neueste Generation von Smartphones höhere Speicherdichten und Energieeffizienz. Bisher war jedoch nicht bekannt, was dabei auf atomarer Ebene geschieht. Nun zeigen Wissenschaftler unter der Leitung der Universität Duisburg-Essen und des European XFEL in Hamburg, dass ein Wechsel des chemischen Bindungsmechanismus in der flüssigen Phase dieser Materialien die Datenspeicherung ermöglicht.
 

Abb.: Peter Zalden (links) und Kollegen am FXE-Instrument des European XFEL...
Abb.: Peter Zalden (links) und Kollegen am FXE-Instrument des European XFEL zeigen, dass ein Wechsel des chemischen Bindungs­mechanismus die Daten­speicherung in Phasen­wechsel­materialien ermöglicht. (Bild: European XFEL / J. Hosan)

Phasenwechselmaterialien aus den Elementen Antimon, Tellur und Germanium werden beispielsweise als Ersatz für Flash-Laufwerke in Smartphones der neuesten Generation eingesetzt. Erwärmt ein elektrischer oder optischer Impuls diese Materialien lokal, wechseln sie von einem glasartigen in einen kristallinen Zustand – und umgekehrt. Diese beiden verschiedenen Zustände entsprechen einem Binärcode.

Um Informationen mit Phasenwechselmaterialien zu speichern, müssen diese sehr schnell abgekühlt werden, so dass sie in einen glasartigen Zustand gelangen, ohne zu kristallisieren. Dieser Zustand muss außerdem bei Normalbedingungen stabil sein, damit die Daten erhalten bleiben. Bei hohen Temperaturen hingegen muss das gleiche Material sehr schnell kristallisieren, um Informationen zu löschen.

Die Wissenschaftler nutzten die extrem kurzen und intensiven Röntgenpulse der Linac Coherent Light Source in Kalifornien, um mittels Femtosekunden-Röntgenbeugung die atomaren Veränderungen sichtbar zu machen. So untersuchten die Forscher den schnellen Abkühlprozess, bei dem ein Glas entsteht. Sie fanden heraus, dass sich die Flüssigkeit strukturell verändert und eine andere Tieftemperaturflüssigkeit bildet, wenn sie ausreichend weit unter die Schmelztemperatur abgekühlt wird. Die Tieftemperaturflüssigkeit kann nur sehr kurzzeitig beobachtet werden, bevor die Kristallisation einsetzt.

Die beiden Flüssigkeiten waren nicht nur auf atomarer Ebene sehr verschieden, sondern verhielten sich auch sehr unterschiedlich: Bei hoher Temperatur sind die Atome sehr mobil, so dass das Material schnell kristallisieren kann. Kühlt die Flüssigkeit jedoch unter eine bestimmte Temperatur unterhalb des Schmelzpunktes ab, werden einige chemische Bindungen härter und starrer, was die Beweglichkeit der Atome dramatisch verringert. Unterstützt wurden diese Beobachtungen durch Computersimulationen an der RWTH Aachen. Die Simulationen zeigten zudem, dass die Tieftemperaturflüssigkeit weniger metallisch und daher starrer gebunden ist als die Hochtemperaturflüssigkeit. Dies unterdrückt die Kristallisation und stabilisiert die ungeordnete atomare Struktur des Glases. Erst dieser Mechanismus ermöglicht die langfristige Speicherung der Daten.

Peter Zalden, Wissenschaftler am European XFEL und Erstautor der Studie, erklärt: „Die Speichertechnologie hat eine Skalierungsgrenze erreicht. Wir brauchen neue Konzepte, um die Datenmengen zu speichern, die wir in Zukunft produzieren werden. Unsere Studie zeigt, wie der Umschaltvorgang mit einer vielversprechenden neuen, auf Glasbildung basierenden Technologie schnell und zuverlässig zugleich sein kann."

Projektinitiator Klaus Sokolowski-Tinten, UDE, ergänzt: „Auch andere Materialen bilden ein Glas, wenn man sie aus der flüssigen Phase sehr schnell auf Temperaturen deutlich unterhalb des Schmelzpunktes abkühlt. Im nächsten Schritt wollen wir die jetzigen Ergebnisse und unseren zeit-aufgelösten Ansatz nutzen, um zu verstehen, wie sich generell solche stark unterkühlten Flüssigkeiten verhalten.“

UDE / DE
 

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