25.03.2020

Glasfaserkabel erkennt Erdbeben

Neues Verfahren nutzt optische Fasern als seismische Sensoren.

Am 12. März 2020 um 10:26 Uhr ereignete sich in Südwestisland, etwa fünf Kilometer nordöstlich von Grindavík, ein Erdbeben mit einer Magnitude von 4.7, während eines längeren Erdbeben­schwarms. Wissenschaftler des Deutschen Geoforschungs­zentrums GFZ haben jetzt dort ein neues Verfahren zur Überwachung des Untergrunds getestet. Ein von GFZ-Forschern aus den Sektionen Oberflächen­nahe Geophysik und Geoenergie durchgeführtes Online-Monitoring, das Glasfaser­kabel des isländischen Telekommu­nikationsnetzes nutzt, registriert die vulkanische und seis­mische Aktivität seit dem Ereignis und übermittelt die Daten in Echtzeit ans GFZ. 

Abb.: Lokales Erdbeben der Magnitude 4.7 registriert entlang islän­discher...
Abb.: Lokales Erdbeben der Magnitude 4.7 registriert entlang islän­discher Telekommuni­kations­infrastruktur. Die Farben zeigen die Stärke der lokalen Dehnungs­änderung auf der Glasfaser. (Bild: M. Lipus, GFZ)

Das eingesetzte Verfahren „DAS“ – Distributed Acoustic Sensing – verwendet optische Fasern als seismische Sensoren, über die Schwingungen erfasst werden. Ein auf dieser Basis arbeitendes Messsystem hatten Wissenschaftler des GFZ zur Echtzeit­überwachung der tiefsten Geothermie­bohrung Islands (IDDP-2) im Oktober 2019 vor Ort installiert. Das Messkabel, das entlang der Verrohrung dieser Bohrung eingebaut wurde, misst feinste Dehnungs­unterschiede entlang einer Glasfaser mit hoher örtlicher und zeitlicher Auflösung. „Im Januar 2020 informierten uns islän­dische Kollegen von ÍSOR über erhöhte seismische Aktivität circa 50 Kilometer südwestlich der Hauptstadt Reykjavik, die zeitgleich mit ungewöhnlich hohen Boden­hebungsraten auf der Halbinsel Reykjanes gemessen wurde“, sagt Martin Lipus, wissen­schaftlicher Mitarbeiter an der Sektion Geoenergie.

Das Messsystem wurde daraufhin von dem Bohrplatz zu einem Verteiler­gebäude des isländischen Tele­kommunikations­betreibers Míla verlegt und an eine Glasfaser des Tele­kommunikations­netzes angeschlossen, die direkt über das seismisch aktive Gebiet verläuft. „Durch die Nutzung der vorhandenen Tele­kommunikations­infrastrukur gewinnen wir Daten, die das bestehende seismische Monitoring­netzwerk verdichten und einen einzig­artigen Einblick in die seismischen und vulkanischen Prozesse auf der Reykjanes Halbinsel geben“, erläutern Philippe Jousset und Thomas Reinsch, beides wissen­schaftliche Mitarbeiter der Sektion Ober­flächennahe Geophysik. „Wir haben von Potsdam aus Zugriff auf den Messrechner und können die seismische Aktivität in Echtzeit am GFZ überwachen.“

Bereits 2018 waren GFZ-Wissen­schaftler gemeinsam mit isländischen und britischen Kolleginnen und Kollegen bei Messungen auf der Halbinsel Reykjanes im Südwesten Islands zu dem Ergebnis gekommen, dass hoch­auflösende, konventionelle Glas­faserkabel Strukturen im Untergrund abbilden, die mit den auf der Insel existierenden seismo­graphischen Netzwerken nicht gesehen wurden. Die aktuelle Daten­aufzeichnung bestätigt, dass die weltweit in Tele­kommunikations­netzen verlegten Glas­faserkabel eine kostengünstige und effektive Ergänzung zu konventionellen seismo­logischen Messverfahren darstellen. Die Tech­nologie eröffnet neue Wege zur Abbildung und Überwachung des geologischen Unter­grundes, besonders im städtischen Raum.

GFZ Potsdam / JOL

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