Glasfaserkabel erkennt Erdbeben
Neues Verfahren nutzt optische Fasern als seismische Sensoren.
Am 12. März 2020 um 10:26 Uhr ereignete sich in Südwestisland, etwa fünf Kilometer nordöstlich von Grindavík, ein Erdbeben mit einer Magnitude von 4.7, während eines längeren Erdbebenschwarms. Wissenschaftler des Deutschen Geoforschungszentrums GFZ haben jetzt dort ein neues Verfahren zur Überwachung des Untergrunds getestet. Ein von GFZ-Forschern aus den Sektionen Oberflächennahe Geophysik und Geoenergie durchgeführtes Online-Monitoring, das Glasfaserkabel des isländischen Telekommunikationsnetzes nutzt, registriert die vulkanische und seismische Aktivität seit dem Ereignis und übermittelt die Daten in Echtzeit ans GFZ.
Das eingesetzte Verfahren „DAS“ – Distributed Acoustic Sensing – verwendet optische Fasern als seismische Sensoren, über die Schwingungen erfasst werden. Ein auf dieser Basis arbeitendes Messsystem hatten Wissenschaftler des GFZ zur Echtzeitüberwachung der tiefsten Geothermiebohrung Islands (IDDP-2) im Oktober 2019 vor Ort installiert. Das Messkabel, das entlang der Verrohrung dieser Bohrung eingebaut wurde, misst feinste Dehnungsunterschiede entlang einer Glasfaser mit hoher örtlicher und zeitlicher Auflösung. „Im Januar 2020 informierten uns isländische Kollegen von ÍSOR über erhöhte seismische Aktivität circa 50 Kilometer südwestlich der Hauptstadt Reykjavik, die zeitgleich mit ungewöhnlich hohen Bodenhebungsraten auf der Halbinsel Reykjanes gemessen wurde“, sagt Martin Lipus, wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Sektion Geoenergie.
Das Messsystem wurde daraufhin von dem Bohrplatz zu einem Verteilergebäude des isländischen Telekommunikationsbetreibers Míla verlegt und an eine Glasfaser des Telekommunikationsnetzes angeschlossen, die direkt über das seismisch aktive Gebiet verläuft. „Durch die Nutzung der vorhandenen Telekommunikationsinfrastrukur gewinnen wir Daten, die das bestehende seismische Monitoringnetzwerk verdichten und einen einzigartigen Einblick in die seismischen und vulkanischen Prozesse auf der Reykjanes Halbinsel geben“, erläutern Philippe Jousset und Thomas Reinsch, beides wissenschaftliche Mitarbeiter der Sektion Oberflächennahe Geophysik. „Wir haben von Potsdam aus Zugriff auf den Messrechner und können die seismische Aktivität in Echtzeit am GFZ überwachen.“
Bereits 2018 waren GFZ-Wissenschaftler gemeinsam mit isländischen und britischen Kolleginnen und Kollegen bei Messungen auf der Halbinsel Reykjanes im Südwesten Islands zu dem Ergebnis gekommen, dass hochauflösende, konventionelle Glasfaserkabel Strukturen im Untergrund abbilden, die mit den auf der Insel existierenden seismographischen Netzwerken nicht gesehen wurden. Die aktuelle Datenaufzeichnung bestätigt, dass die weltweit in Telekommunikationsnetzen verlegten Glasfaserkabel eine kostengünstige und effektive Ergänzung zu konventionellen seismologischen Messverfahren darstellen. Die Technologie eröffnet neue Wege zur Abbildung und Überwachung des geologischen Untergrundes, besonders im städtischen Raum.
GFZ Potsdam / JOL