11.10.2017

Glasübergänge von Elektronen in molekularen Metallen

Glasartige Phänomene sind universeller Natur.

Die Glasproduktion umfasst nicht nur Silikat-Gläser, sondern auch metal­lische Gläser und plastische Gläser aus orga­nischen Mole­külen wie Glycerol und Glukose. Gemein­sam ist diesen struktu­rellen Gläsern, dass sie auf atomarer oder moleku­larer Ebene eine unge­ord­nete, amorphe Struktur auf­weisen. Analog dazu kennt man Spin-Gläser. Hier bezieht sich die Bezeich­nung auf die gemein­same Aus­rich­tung der magne­tischen Momente, die keine Fern­ord­nung, sondern lediglich eine Nah­ord­nung besitzen.

Experimentell ist die Glasbildung oft schwer zugänglich, weil sich die unge­ord­neten Struk­turen über sehr lange Zeit­räume und in großen Tempe­ratur­berei­chen um­lagern. „Das von uns ent­deckte Quanten­system erlaubt es nun, die allen Gläsern eigene lang­same Dynamik und die all­ge­meinen Prin­zipien von Flüssig­keit-zu-Glas-Über­gängen ver­gleichs­weise ein­fach zu unter­suchen“, erklärt Jens Müller von der Uni Frank­furt, der das Material im Rahmen einer Gast-Pro­fessur an der Tohoku Univer­sität in Japan erforschte.

Müller und seinen Kollegen ist es gelungen, die Bewegung von Elektronen in niedrig­dimen­sio­nalen orga­nischen Metallen in einen glas­artigen Zustand ein­zu­frieren. Auf­grund der starken elek­tri­schen Absto­ßung zwischen den Elek­tronen geht das System bei tiefen Tempe­ra­turen von einem metal­lischen in einen iso­lie­renden Zustand über. Die zuvor als Ladungs­flüssig­keit über den gesamten Kristall ver­teilten Elek­tronen ordnen sich dann regel­mäßig auf dem zugrunde liegen­den Kristall­gitter an. Die Forscher sprechen von einem Elek­tronen- oder Ladungs­kristall.

Wenn man Systeme mit einer besonderen Symmetrie der Kristall­struktur hin­gegen schnell ab­kühlt, ent­steht ein Elek­tronen­glas-Zustand, wobei die Ladungen unge­ordnet auf dem Kristall­gitter ein­frieren. Zur Über­raschung der Wissen­schaftler folgen sowohl dieser Glas­über­gang als auch die damit kon­kur­rie­rende Kristal­li­sation der Elek­tronen den gleichen Gesetzen wie die kon­ven­tio­nellen struk­tu­rellen Gläser. Das spricht für die uni­ver­selle Natur glas­artiger Phäno­mene.

Für die Erforschung von Glasübergängen bringt diese Entdeckung große experi­men­telle Vor­teile. In struk­tu­rellen Gläsern wie Glycerol oder Glukose müsste man zum Beispiel die rele­vanten flüs­sigen und festen Volumen­anteile auf­wendig mittels hydro­dyna­mischer Strömung messen, während man bei den neu ent­deckten moleku­laren Metallen ein­fach den elek­trischen Wider­stand messen kann, eine Standard­methode der experi­men­tellen Fest­körper­physik. Zudem sind die Tempe­ratur- und Zeit­skalen in den moleku­laren Metallen ver­gleichs­weise kurz und damit bequem zu messen. „Unsere Erkennt­nisse eröff­nen eine neue Sicht­weise auf viele glas­artige Phäno­mene: die Dynamik, Alte­rungs­pro­zesse, Memory-Effekte, koope­ra­tives Ver­halten und die immer noch unge­klärte Frage, ob einem Glas­über­gang ein wahrer, thermo­dyna­mischer Phasen­über­gang zugrunde liegt oder nicht“, erklärt Müller die Bedeu­tung der Ergeb­nisse.

GUF / RK

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