Gleichstromnetz für die Industrie
Neues Systemkonzept ermöglicht die Einführung von Gleichstromnetzen in Fabriken.
In einer Fabrik besitzen viele Maschinen einen Gleichstrom-Zwischenkreis. Doch das Netz liefert Wechselstrom, sodass viele Antriebe einen Gleichrichter brauchen. Warum nicht von vornherein den gesamten Gerätepark mithilfe eines zentralen Gleichrichters mit Gleichstrom betreiben? Das spart Energie und Ressourcen. Aus dieser Idee sind die Forschungsprojekte DC-Industrie und DC-Industrie2 entstanden, an denen sich 39 Unternehmen und Institute beteiligten. Im Rahmen der Projekte wurde ein DC-Systemkonzept erarbeitet, das den Weg für eine Standardisierung bereitet. Eine gemeinsame Sprache zwischen Komponentenherstellern, industriellen Netzbetreibern und Dienstleistern soll die Implementierung von Gleichstromnetzen in Fabriken erleichtern. Erste erfolgreiche Industrieprojekte unterstreichen die Reife dieser Technologie und ihre konkreten Vorteile für die Industrie.
Die Gleichstromfabrik hat viele Vorteile. Vor allem hilft sie, Energie zu sparen: Bei der Infrastruktur wie Lüftung oder Beleuchtung können acht bis zwölf Prozent eingespart werden, bei Fertigungsrobotern bis zu fünfzehn Prozent und bei Logistiksystemen sogar bis zu zwanzig Prozent. Dazu entfallen Verluste durch Blindleistung und die meist überdimensionierten Gleichrichter der einzelnen Werkzeugmaschinen. Bremsenergie von Maschinen, die bisher verpufft, lässt sich ins DC-Netz speisen. Bei den Leitungen entfällt eine Phase, was Kupfer spart. Und nicht zuletzt lassen sich Photovoltaikanlagen, die zu einer modernen Fabrik gehören, effizient integrieren. Denn die grüne Energie, die aus den Solarzellen fließt, ist ebenfalls Gleichstrom.
Mit dem zunehmenden Einsatz erneuerbarer Energien kann es im öffentlichen AC-Netz vermehrt zu Spannungseinbrüchen und kurzzeitigen Stromausfällen kommen. Das Gleichstromnetz bietet eine Lösung, indem es diese kurzzeitigen Störungen überbrückt und die Produktion durch einen gemeinsamen Netzanschlusspunkt stabiler macht. Allerdings erfordert die Nutzung von Gleichstrom eine präzise Regelung von Spannung und Strom durch den Betreiber. Das Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung IPA hat hierfür das Konzept und die Auslegung des Netzmanagements entwickelt. Es ermöglicht eine dezentrale und flexible Regelung von Lasten und Speichersystemen, um Lastspitzen zu reduzieren. Diese Maßnahmen tragen nicht nur zur Senkung der Energiekosten bei, sondern minimieren auch den Installationsaufwand.
Isabella Bianchini und ihr Team haben ein Simulationsmodell entwickelt, das die gesamte Fabrik mit ihren Stromquellen und Verbrauchern abbildet. Mit ihm lassen sich alle möglichen Szenarien durchspielen. Das Simulationsmodell zeigt vor allem auch, dass Extremfälle vom Netzmanagement gemeistert werden. Dazu gehören kritische impulsartige Veränderungen, etwa durch einen Kurzschluss oder die Schnellabschaltung einer Maschine. Kritisch sind impulsartige Veränderungen, etwa durch einen Kurzschluss oder die Schnellabschaltung einer Maschine. Das Simulationsmodell lässt sich ohne großen Aufwand für beliebige Fabriken anpassen und ermöglicht dem Betreiber, Energieverbrauch und -produktion besser aufeinander abzustimmen.
Wenn in bestehenden Produktionshallen Energiespeichersysteme integriert und Bewegungsenergie rückgewonnen werden können, lohnt es sich, eine Potenzialanalyse für die Umrüstung von Wechsel- auf Gleichstrom durchzuführen. Im Rahmen dieses Projekts hat das Institut eine Methode entwickelt und umfassend getestet, die die Umrüstung bestehender Maschinen auf Gleichstrombetrieb ermöglicht. Das Systemkonzept zur Einführung von Gleichstromnetzen in Industrieanlagen ist erst der Anfang. Es wird unter Leitung der Open DC Alliance (ODCA) weiterentwickelt und global vorangetrieben. Die Pläne umfassen die Ausdehnung auf andere Länder und Sektoren, darunter Privathaushalte und den Einzelhandel. Außerdem wird weiter an Normen und Standards gearbeitet, um die flächendeckende Implementierung dieser Technologie zu unterstützen.
Fh.-IPA / JOL