Grätzel mit neuer Rekordzelle
Nanoporöses Titandioxid und Perowskitfilme lassen sich elegant zu Farbstoffsolarzellen mit höherem Wirkungsgrad kombinieren.
Farbstoffsolarzellen stehen trotz einfacher Fertigungsverfahren noch immer im Schatten von herkömmlichen Siliziummodulen. Verantwortlich dafür sind die vergleichsweise geringen Wirkungsgrade von knapp über zehn Prozent. Doch mit einem neuen Produktionsprozess konnte ein schweizerisches Forscherteam den Wirkungsgrad auf 15 Prozent steigern und erzielten damit einen neuen Rekordwert. Der Schlüssel zu diesem Erfolg lag in einer ausgeklügelten Kombination aus nanokristallinem Titandioxid mit einem gleichmäßigen Kristallfilm aus dem Kalziumtitanat Perowskit.
Abb.: Mikroskopaufnahme der nanostrukturierten Perowskitpigmentschicht mit Titandioxid, mit der die Absorption von Sonnenlicht deutlich gesteigert werden konnte. (Bild: NPG, EPFL)
„Anstelle eines molekularen Farbstoffs wird hier ein Perowskitpigment zur Absorption des Sonnenlichts eingesetzt“, sagt Michael Grätzel, der an der Technischen Hochschule in Lausanne die erste nach ihm benannte Zelle bereits vor über zwanzig Jahren erfunden hatte. Die nun erfolgte Wirkungsgradsteigerung von etwa 12 auf 15 Prozent gelang durch ein zweistufiges Verfahren. Zuerst verteilten die Wissenschaftler eine Bleiiodidlösung über einen nanoporösen Film aus Titandioxid. So konnte sich das Bleiiodid in die winzigen Poren absetzen. Diesen Kompositfilm tauchten Grätzel und Kollegen darauf in eine weitere iodhaltigen Lösung. Dabei wechselte die Farbe schlagartig von gelb nach dunkelbraun, ein Zeichen für die Bildung der gleichmäßigen, kristallinen Perowskitpigmentfilme.
Das veränderte optische Verhalten nach der Perowskitbildung zeigte sich in einer stark erhöhten Absorption von Licht mit 550 Nanometer Wellenlänge binnen weniger Sekunden nach dem Eintauchen in der Iod haltigen Lösung. „Hierdurch gelang es den Wirkungsgrad von 12 auf den neuen Rekordwert von 15 Prozent zu steigern und die Reproduzierbarkeit der Zellproduktion wesentlich zu verbessern“, sagt Grätzel. Deutlich effizienter als bei vorherigen Farbstoffzellen erzeugten nun einfallende Lichtteilchen in der Perowskitschicht Elektron-Loch-Paare, die sich auftrennten und so zu einem nutzbaren Stromfluss führten. Parallel ersetzten die Forscher den vorher flüssigen Elektrolyten durch einen festen, organischen p-Leiter, was die Stabilität dieser Farbstoffzelle verbesserte.
Abb.: Nanostrukturiertes Eisenoxid in Blumenkohlform ist für die katalytische Spaltung von Wasser besonders gut geeignet. (Bild: NPG, EPFL)
Auch mit 15 Prozent Wirkungsgrad rangieren Farbstoffsolarzellen noch immer hinter Modulen auf Siliziumbasis, die deutlich mehr als zwanzig erreichen. Dafür lassen sich die Farbstoffzellen einfacher über die Benetzung mit Flüssigkeiten fertigen, was günstige Verfahren für die Massenfertigung ermöglicht. Zudem wandeln Grätzel-Zellen prinzipiell auch diffuses Sonnenlicht bei bewölktem Himmel effizient in elektrischen Strom um. Ausrichtung und Position dieser Solarzellen sind daher weniger wichtig als bei bei herkömmlichen Modulen. So stehen Grätzel-Zellen nicht in direkter Konkurrenz zu Siliziummodulen und lassen sich an bisher ungenutzten Positionen wie etwa Hauswänden einsetzen. In biegsamen Versionen ist dieser Solarzellentyp auch für den Einsatz in Kleidung oder Rucksäcken geeignet.
Nicht nur Farbstoffsolarzellen bestimmen das Arbeitsprogramm von Grätzels Arbeitsgruppe. Dank der breiten Erfahrung mit nanoporösen Werkstoffen berichteten die Forscher ebenfalls in dieser Woche über eine fotoelektrochemische Zelle, mit sich Wasser in einem Schritt und unterstützt durch Sonnenlicht in Wasserstoff und Sauerstoff aufspalten konnte. Möglich wurde dies – in Zusammenarbeit mit israelischen Forschern vom Technion in Haifa – mit Elektroden aus nanostrukturiertem Eisenoxid. Dabei zeigten sich Nanostrukturen in der Form eines winzigen Blumenkohls besonders effizient. Verglichen mit Elektrolyse-Anlagen zur Wasserstoffgewinnung hält es Grätzel für möglich, mit seinen fotoelektrochemischen Zellen die Produktionskosten für Wasserstoff um bis auf ein Drittel reduzieren zu können.
Jan Oliver Löfken
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