17.06.2024 • PlasmaDünne Schichten

Graphen am laufenden Band

Plasma-Prozess im Rolle-zu-Rolle-Verfahren ermöglicht skalierbares Abscheideverfahren.

Lagen aus Graphen versprechen aufgrund ihrer hervor­ragenden Eigen­schaften u. a. in Trans­parenz, Barriere­wirkung und Leit­fähigkeit große Fortschritte und Effizienz­steigerungen in Solar­anwendungen, Energie­speichern oder smarten Glas­anwendungen. Den Durchbruch des viel­ver­sprechenden Materials verhindert bisher noch der Mangel an skalierbaren Abscheide­verfahren mit gleich­bleibend hoher Schicht­qualität bei kosten­effizienten Durch­sätzen. Am Fraunhofer-Institut für Elektronen­strahl- und Plasma­technik FEP wurde im Rahmen des geförderten EU-Projektes NewSkin ein innovatives PECVD-Verfahren entwickelt, das die Ab­scheidung von Graphen bei hohen Prozess­geschwindig­keiten ermöglicht und höhere Fertigungs­durchsätze sowie eine breitere Substrat­auswahl bei geringeren Prozess­temperaturen bietet. 

Abb.: Versuchsaufbau für Katalysatorbeschichtung und Graphen-Synthese.
Abb.: Versuchsaufbau für Katalysatorbeschichtung und Graphen-Synthese.
Quelle: Fraunhofer FEP

Graphen hat das Potenzial für außer­gewöhnliche Leistungs­fähigkeit beim Einsatz in Solar­zellen, organischen Leucht­dioden (OLED), elektrischen Energie­speichern oder smarten Fenstern bis hin zu Membranen z. B. zur Meer­wasser­entsalzung. Seine her­vor­ragenden Eigen­schaften sind bestechend: das Material ist transparent, leicht sowie zugfester als Stahl. Außer­dem besitzt Graphen eine hohe Leitfähigkeit für Wärme und Strom und ist sehr flexibel.

Forschende arbeiten seit einigen Jahren an der Inte­gration von Graphen als transparente Elektrode in der Photo­voltaik oder in OLEDs z. B. für gebogene Touch­screens oder zur Effizienz­steigerung von Solar­zellen. Durch seine hohe elektrische Leitfähigkeit kann Graphen in Energie­speichern wie Batterien oder Superkondensatoren zu schnelleren Lade- und Ent­lade­zyklen beitragen. Seine große Oberfläche ermöglicht außerdem eine höhere Kapazität und Energiedichte, die mechanische Stabilität des Materials trägt zur Lebens­dauer und Zuver­lässig­keit solcher Speicher­geräte bei.

Bisher beschränkt die Skalier­barkeit der Abscheidung von Graphen mit gleich­bleibend hoher Qualität dessen Einsatz. Zudem stellt die Inte­gration von Graphen in bestehende Fertigungs­prozesse eine technische Heraus­forderung dar.

Mit seinen Kern­kompetenzen in der Elektronen­strahl- und Plasma­technik sowie in der Prozess­entwicklung zur Ab­scheidung homogener, dünner Schichten z. B. im Rolle-zu-Rolle-Verfahren arbeitet das Fraun­hofer FEP an einer neuen Techno­logie zur Synthese von Graphen mittels PECVD (Plasma Enhanced Chemical Vapor Deposition). Erste wichtige Grund­lagen für künftige kosten­effiziente Abscheide­verfahren von Graphen konnten nun innerhalb des geförderten EU-Projektes NewSkin erarbeitet werden.

Aktuelle Synthese­verfahren für Graphen erfordern die Anwendung von hohen Tem­peraturen und den Einsatz von Kata­lysatoren. Die Wissen­schaftler des Fraun­hofer FEP nutzen hingegen plasma­unterstützte Verfahren. Damit lässt sich das Parameter­fenster für die Erzeugung von Graphen deutlich erweitern, so dass eine Abscheidung auch bei geringeren Substrat­temperaturen und gleichzeitig höheren Durch­sätzen möglich wird.

Zur Entwicklung des neuen Ver­fahrens nutzten die Forschenden des Fraunhofer FEP die Viel­seitigkeit der Inline-Beschich­tungs­anlage MAXI. Die multi­funktionale Vakuum­anlage bietet je nach Ent­wicklungs­reife des Verfahrens die Möglichkeit, Prozesse sowohl im Sheet-to-Sheet-Modus als auch im Rolle-zu-Rolle-Verfahren durch­zuführen. Die Verfahrens­vielfalt reicht bis zur Pilot­produktion, wodurch die Anlage eine gute Basis für die Ent­wicklung und die Skalierung von Ver­fahren zur Ab­scheidung von Graphen bietet.

Schema des PECVD-Syntheseverfahrens für Graphen
Schema des PECVD-Syntheseverfahrens für Graphen
Quelle: Fraunhofer FEP

Dr. Stefan Saager, Gruppenleiter für Beschichtung Metall und Energietechnik, erläutert die Technologie: „Mit dem entwickelten PECVD-Verfahren kann Graphen auf metallischen Bändern abgeschieden werden. Dazu kommt der Rolle-zu-Rolle-Modus der Anlage MAXI zum Einsatz. Das Metallband wird im ersten Schritt mit einer dünnen Schicht eines Katalysatormaterials wie beispielsweise Kupfer im Vakuum beschichtet. Dadurch kann die Auswahl des gewünschten Substratmaterials unabhängig von dem geeigneten Katalysatormaterial erfolgen. Unmittel­bar danach wird das beschichtete Metall­band in eine Prozesseinheit mit einer Argon-Plasmaentladung bewegt. Die dort erzeugten Argon-Ionen kollidieren mit dem Substrat und erwärmen es hoch­effizient in sehr kurzer Zeit. Durch Zugabe eines geeigneten Präkursor-Gases wie z. B. Methan oder Acetylen in unmittelbarer Umgebung der Plasmaentladung können die jeweiligen Moleküle in ihre Einzelbestandteile zerlegt und gleichzeitig teilweise ionisiert werden. Die dabei erzeugten Kohlenstoff­atome und -ionen lagern sich im Idealfall in einer einlagigen, geordneten 2D-Struktur auf dem Substrat ab und erzeugen so die gewünschte Schicht aus Graphen.“
 
Durch die Unterstützung der im Plasma vorhandenen Ionen kann der Formationsprozess bei vergleichs­weise geringeren Substrat­temperaturen realisiert werden, als dies mit in anderen Verfahren nach dem Stand der Technik bisher möglich war.
 
Die Forscherinnen und Forscher am Fraunhofer FEP konnten mit dem neu entwickelten PECVD-Verfahren bereits Graphen auf einer Band­breite von 280 mm bei Prozess­geschwindig­keiten von einem Meter pro Minute synthetisieren. Damit ermöglicht das Verfahren hohe Fertigungs­durchsätze und damit verbundene Kosten­einsparungen für zukünftige Produktions­prozesse. Zudem erlaubt die Techno­logie eine Erweiterung der einsetz­baren Substrat­materialien und damit ein breiteres Anwendungs­spektrum.

Im nächsten Schritt arbeiten die Wissen­schaftlerinnen und Wissen­schaftler am Fraunhofer FEP an der Repro­duzier­barkeit der Ergebnisse und an der weiteren Ver­besserung der erzielten Schicht­eigen­schaften z. B. hin­sichtlich der Anzahl der Graphen­lagen.
 
Eine weitere Heraus­forderung der neuen Technologie­entwicklung liegt außerdem in der präzisen Kontrolle der Plasma- und Temperatur­bedingungen für gleich­mäßige Schicht­qualitäten und -morphologien. Zudem wird künftig an der Verbes­serung des Wickel­prozesses des heißen Bandes und an der weiteren Skalierung der bisherigen Verfahrens­parameter geforscht.
 
Mit den erzielten Ergeb­nissen, dem vorhandenen Know-how und der Anlagen­ausstattung bietet das Fraunhofer FEP Her­stellern aus den Bereichen Elektronik und erneuerbarer Energien sowie anderen Technologie­unternehmen und Forschungs­einrichtungen eine Basis für Projekte zur Weiter­entwicklung und Skalierung der Prozesse zur Synthese von Graphen. Das neue Verfahren sowie weitere Kompe­tenzen des Institutes werden diese woche im Rahmen der Manu­facturing World in Tokio vorgestellt.

FEP / LK


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