28.08.2017

Graphen-Flakes aus dem Ofen

Optimierte Abscheidung aus der Gasphase liefert qualitativ hochwertiges Graphen.

Graphen gilt als ideal, um beispielsweise ultraleichte Elektronik oder hoch­stabile mechanische Bauteile zu fertigen. Doch die hauchdünnen Kohlenstoff-Schichten sind schwer zu produzieren. An der Technischen Universität München (TUM) hat Jürgen Kraus freitragende Graphen-Membranen hergestellt, dafür systematisch das Wachstum der Graphen-Kristalle untersucht und optimiert. Seine Arbeit wurde mit dem Evonik-Forschungs­preis 2017 ausgezeichnet.

Abb.: Mit bloßem Auge erkennbar: Ein hauchdünner Graphen-Flake, der durch Chemical Vapor Deposition gewonnen wurde. Die rote Färbung der Kupferunterlage entsteht, wenn die Probe an Luft erhitzt wird. (Bild: J. Kraus, TUM)

Graphen ist das dünnste und stabilste Material der Welt, ultraleicht, reißfest, elektrisch leitfähig und extrem belastbar. Seit seiner Entdeckung 2004 beflügeln die zwei­dimensionalen Strukturen aus Kohlenstoff-Atomen Phantasie und Erfindergeist: Science-Fiction-Autoren halten das Material für geeignet, um daraus Seile für einen Fahrstuhl ins Weltall zu bauen. Materialforscher experimentieren mit Graphen-Displays, -Transistoren und -Elektroden, welche die Elektronik der Zukunft leichter, stabiler und langlebiger machen sollen. In der Wissenschaft sind Folien aus hochreinem Graphen äußerst gefragt, denn mit ihnen lassen sich Gase sowie Flüssigkeiten ultradicht verpacken.

„Derzeit mangelt es allerdings noch an den Grundlagen. Es gibt verschiedene Herstellungs­verfahren, die sich für die Massen­produktion von Graphen eignen. Allerdings ist dieses Material nicht frei von Defekten. Graphen höchster kristalliner Qualität lässt sich so nicht reproduzierbar herstellen“, erklärt Sebastian Günther, Professor für Physikalische Chemie der TUM. Seinem Team ist es jetzt gelungen, das Wachstum von Graphen-Kristallen durch Chemical Vapor Deposition (CVD), der chemischen Abscheidung aus der Gasphase, zu analysieren, zu kontrollieren und zu optimieren.

Theoretisch ist es ganz einfach, Graphen herzustellen: Benötigt wird nur ein beheizbares Glasgefäß, ein Reaktor, in den kohlenstoff­haltiges Gas, zum Beispiel Methan, geleitet wird – sowie Kupfer als Katalysator. Bei Temperaturen von etwa 1000 Grad zersetzt sich das Methan an der Kupfer­oberfläche in Wasserstoff und Kohlenstoff. Während der Wasserstoff die Kupfer­oberfläche wieder verlässt, sammeln sich die Kohlenstoff­atome bei der Chemical Vapor Deposition an der Oberfläche der verwendeten Kupferfolie. Dort vernetzen sich die Atome und bilden „Graphen-Flakes“, fleckenartige zweidimensionale Gebilde mit der typischen wabenartigen Struktur. Übrig bleibt der Wasserstoff, der abgesaugt werden kann.

Praktisch liegt die Tücke in einer Fülle von Details. „Das größte Problem ist, dass das zweidimensionale Kristallgefüge oft nicht ganz homogen ist, weil das Wachstum an mehreren Stellen gleichzeitig beginnt“, erläutert Jürgen Kraus, der die Untersuchungen durchgeführt hat. „Auf den ersten Blick scheint sich dann auf dem Kupfer zwar ein durchgängiger Film aus Graphen zu bilden, aber die sechs­eckigen Waben sind nicht alle gleich orientiert und dort, wo sie aufeinander­stoßen, ist die Struktur geschwächt.“ Solche Defekte lassen sich vermeiden, wenn die Oberfläche des Kupfers frei ist von Kristallisations­keimen.

Mit seinen Experimenten konnte der Chemiker zeigen, dass sich Verunreinigungen am besten mit Hilfe von Sauerstoffgas – also durch Oxidation – beseitigen lassen. Zur Vermeidung unerwünschter Nebeneffekte muss jedoch darauf geachtet werden, dass der Kupferkatalysator nur geringsten Sauerstoffmengen ausgesetzt ist.

Im zweiten Teil seiner Arbeit hat Kraus analysiert, wie sich unterschiedliche Partialdrücke und Temperaturen auf die Graphen-Bildung bei der Chemical Vapor Deposition auswirken: Ist die verwendete Gaszusammensetzung zu wasserstoff­reich, wächst überhaupt kein Graphen, ist sie zu wasserstoff­arm, werden die Schichten zu dick. Nur wenn alle Parameter so gewählt werden, dass sich ein Wachstum „genügend nahe“ des thermischen Gleichgewichts einstellt, bildet sich hochreines Graphen ohne Defekte im Kristallgitter.

Um die Qualität der Flakes zu überprüfen, reisten die Münchner Forscher mit ihren Proben nach Italien. Am Research Centre Elettra Sincrotrone Trieste, das über einen ringförmigen Teilchen­beschleuniger verfügt, konnten sie die Graphenschichten mit einem speziellenMikroskop, das dank der energiereichen Synchrotron-Strahlung eine hohe Auflösung hat, chemisch und strukturell charakterisieren.

„Das Ergebnis der Machbarkeitsstudie war sehr ermutigend“, berichtet Günther. „Die Bilder haben bewiesen, dass sich durch Auswahl der Parameter bei der Chemical Vapor Deposition reproduzierbare Ergebnisse erzielen lassen.“

Der bisherige Qualitätsrekord der TUM Forscher: Ein Quadrat­millimeter große Graphen-Flakes, die zehn Billionen exakt gleich ausgerichteter Kohlenstoff-Atome enthalten. „Der Vorteil gegenüber anderen Studien liegt hier nicht so sehr auf dem erzielten ‚Größenrekord’, sondern in der Tatsache, dass sich die Flakes bei geeigneter CVD-Parameterwahl mit einer vorhersagbaren Wachstums­geschwindigkeit bilden und somit geschlossene, höchstkristalline Graphen­schichten mit einer Dicke von nur einem Atom innerhalb weniger Stunden herstellen lassen“, resümiert Günther.

Graphen eröffnet vor allem in der Grundlagen­forschung eine Vielzahl neuer Anwendungen: So lassen sich die ultradünnen Graphen­filme beispielsweise vom Kupfer ablösen und als Abdeckfolien verwenden. Diese eignen sich, um Flüssigkeiten in einem Container einzuschließen. Da die Folien für langsame Elektronen transparent sind, können die Proben mit Elektronen­spektroskopie und -mikroskopie untersucht werden, obwohl diese Techniken typischerweise im Ultra­hoch­vakuum beziehungsweise im Hochvakuum durchgeführt werden.

Mit Hilfe der Folien wollen die Forscher künftig auch lebende Zellen, flüssigkeits­bedeckte Elektroden oder Katalysatoren unter hohem Druck mittels Photo­elektronen­spektroskopie untersuchen. Bei diesem Verfahren übertragen Photonen, die die Folie durchdringen können, ihre Energie auf die Elektronen in der Probe, sodass diese frei werden und durch die Folie nach außen dringen. Aus ihrer Energie lassen sich Rückschlüsse ziehen auf die chemische Zusammensetzung der Probe.

TUM / DE

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