29.05.2015

Graphen-Scanner entlarvt wahre Geschichte der Kunst

Terahertz-Strahlung ermöglicht Blick unter die Oberfläche von Gemälden.

Museumskuratoren, Restauratoren, Archäologen und die breite Öffentlichkeit können bald mehr über die wahre Geschichte von Gemälden und anderen historischen Objekten erfahren. Im Rahmen des mit 2,9 Millionen Euro geförderten EU-Projekts INSIDDE haben Forscher einen Graphen-Scanner entwickelt, der unter die Oberfläche eines Gemäldes oder durch den Schmutz auf einem antiken Objekt blicken kann, ohne es zu berühren.

Abb.: Unter Goyas Gemälde von Jovellanos verbirgt sich das Bild einer Frau. (Bild: INSIDDE)

„Mit Techniken zur Nachbearbeitung kann der Scanner Skizzen oder frühere Gemälde zeigen, die unter einem bestimmten Kunstwerk verborgen sind. Zudem kann man mit ihm Pinselstriche identifizieren und unterscheiden, so dass der kreative Prozess nachvollziehbar wird", erklärt Projektleiter Javier Gutiérrez vom spanischen Technologie-Unternehmen Treelogic.

Die Herausforderung besteht darin, fortgeschrittene Technologien zu entwickeln, die eine Beschädigung des Kunstwerks während der Untersuchung vermeiden. Lösungsmittel mit ihren möglichen Nebenwirkungen werden schrittweise durch Laser und ähnliche Geräte ersetzt, um den Schmutz und Lack von Gemälden zu entfernen. Bakterien, die Kalkstein produzieren, können Risse in Skulpturen füllen. INSIDDE geht noch einen Schritt weiter und arbeitet im Terahertz-Bereich, einem Frequenzband, das im elektromagnetischen Spektrum zwischen Mikrowellen- und Infrarotstrahlung liegt.

Bislang war die Erzeugung und Nutzung von Strahlung in diesem Frequenzbereich schwierig. Erst die Verwendung von Graphen als Frequenzverstärker ermöglichte die Entwicklung eines Scanners, mit dem die Wissenschaftler bislang verborgene Besonderheiten wie die Struktur des Pinselstrichs, Pigmente und Mängel deutlich machen können, ohne das Werk dabei zu beschädigen.

Auf anderen Gebieten werden Röntgen- und Infrarot strahlen für derartige Studien verwendet. Sie erwärmen jedoch das Objekt und können in der Malerei die Schichten zwischen Gesso und Firnis nicht erreichen oder bei Keramiken den Ton und andere charakteristische Merkmale nicht beschreiben. Die mit Terahertz-Frequenzen arbeitende Vorrichtung funktioniert auch in diesen Zwischenschichten und erwärmt das Objekt nicht.

In Verbindung mit einem handelsüblichen Scanner, der die oberen Schichten des Kunstwerks abbildet, lassen sich so ohne jegliche Berührung vollständige 3D-Daten aus dem Objekt generieren und verarbeiten, um Besonderheiten einzufangen und zu interpretieren, die für das menschliche Auge unsichtbar sind.

Die von INSIDDE entwickelte Technologie soll auch der Allgemeinheit zugutekommen. Die erzeugten digitalen 2D- und 3D-Modelle werden an das Netzwerk Europeana übertragen. Zudem sollen die Ergebnisse über Smartphones oder Tablet-Apps zur Verfügung gestellt werden, damit sie von lokalen und regionalen Museen genutzt werden können. Die App wird derzeit von einem der Partner, dem Museum der Schönen Künste von Asturien im spanischen Oviedo, erprobt. Sie zeigt die verschiedenen Schichten des Gemäldes, das der Besucher gerade betrachtet und gibt zusätzliche Audio-Informationen.

Auch wenn der Scanner sich noch im Versuchs- und Kalibrierungsstadium befindet, haben die Projektteilnehmer bereits einige vielversprechende Ergebnisse bekannt gegeben. Marta Flórez vom Museum der Schönen Künste von Asturien erklärte: „Mit dem Prototyp konnten wir deutlich zwischen verschiedenen Pigmenten unterscheiden, wodurch in einigen Fällen vermieden werden kann, dass das Gemälde punktiert wird, um herauszufinden, welche Materialien der Künstler verwendet hat.“

Die Forscher testen den Prototyp auch an einigen kürzlich ausgegrabenen Keramiken aus dem dritten Jahrhundert des regionalen Geschichtsmuseums von Stara Sagora in Bulgarien. Neben anderen Optionen prüft das Konsortium, diese kostengünstige Lösung nach Projektende im Dezember 2015 in den Dienst kleinerer lokaler und regionaler Museen zu stellen, die über keine Restaurationsabteilung verfügen, damit auch sie, wie die größeren Museen, wichtige Entdeckungen zu ihren Sammlungen machen können.

Cordis / RK

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