30.08.2018

Gravitationskonstante genauer denn je gemessen

Zwei unterschiedliche Experimente liefern über­ein­stim­mende Ergeb­nisse.

Die Gravitationskonstante ist die am ungenauesten bekannte Funda­men­tal­konstante. Jetzt haben Forscher in China sie auf zwei ver­schie­dene Arten mit Rekord­genauig­keit gemessen. Obwohl die Ergeb­nisse hervor­ragend mit dem aner­kannten Standard­wert über­ein­stimmen, bleiben Fragen offen.

Abb.: Der Versuchsaufbau zur Messung von G nach der AAF-Methode, bei der ein Dreh­tisch die Bewe­gung des Torsions­pendels kompen­siert. (Bild: Q. Li et al. / Springer Nature)

Mit Newtons Gravitationsgesetz ermöglicht die Gravitations­konstante G die Berech­nung der Kraft, mit der sich zwei Massen in Abhängig­keit von ihrem Abstand r anziehen. Obwohl G schon seit Henry Caven­dishs Pionier­versuch im Jahre 1798 in über zwei­hundert Experi­menten gemessen wurde, konnte die rela­tive Unsicher­heit, mit der G bekannt ist, bisher nur um den Faktor 500 ver­ringert werden. Sie liegt inzwischen im Bereich von wenigen 10-5.

Diese große Unsicherheit liegt zum einen daran, dass die Gravitations­kraft ver­glichen mit anderen Kräften extrem schwach ist. Zudem liegen die Ergeb­nisse der meisten Präzi­sions­messungen von G weiter aus­ein­ander als man es von ihren Mess­unsicher­heiten her erwartet. Deshalb hat der G-Standard­wert CODATA-2014 eine große rela­tive Unsicher­heit von knapp 5×10-5.

Mit einem wahren Kraftakt haben Jun Luo von der Huazhong Univer­sity of Science and Techno­logy in Wuhan und seine Kollegen die Gravi­ta­tions­konstante auf zwei ver­schie­dene Weisen mit bisher uner­reichter Genauig­keit gemessen. Bei den Ver­suchen kamen Torsions­waagen zum Ein­satz, ähn­lich der­jenigen, die schon Caven­dish benutzt hatte – jetzt aller­dings in abge­wandelter und perfektio­nierter Form.

Beim ersten Experiment, dessen Vorläufer in die 1980-er Jahre zurück­reichen, war ein ver­goldeter Quarz­block in einer Vakuum­kammer an einer Quarz­glas­faser auf­ge­hängt, sodass er horizon­tale Torsions­schwin­gungen aus­führen konnte. Zwei Stahl­kugeln von jeweils 778 Gramm Masse, die sich in der Nähe des Blocks oder weiter ent­fernt von ihm befanden, beein­flussten durch ihre Schwer­kraft die Torsions­schwin­gungen und somit deren zeit­liche Periode.

Abb.: Ein Vergleich der beiden aktuellen Mess­ergeb­nisse für G („This work“, in blau) mit früheren Resul­taten und mit dem aner­kannten CODATA-2014-Wert. Das bisher beste Resultat war UWASH-00. Die Fehler­balken ent­sprechen jeweils einer Standard­abwei­chung. (Bild: Q. Li et al. / Springer Nature)

Um mögliche Messfehler gering zu halten, verwendeten die Forscher ver­schiedene Glas­fasern. Zudem benutzten sie einen zweiten Versuchs­aufbau in einem 150 Meter ent­fernten Labor­raum. Die Schwingungs­periode der Pendel wurde für jede Positio­nierung der Stahl­kugeln über drei Tage hin­weg mit einer Rubidium-Atomuhr gemessen. Mit dieser Time-of-Swing- oder TOS-Methode erhielten die Forscher das Ergebnis G = 6,674184(78)×10-11 m3/(kg s2) mit einer rela­tiven Unsicher­heit von 1,164×10-5.

Beim zweiten Experiment befanden sich das Torsions­pendel und die Stahl­kugeln auf elektro­nisch gesteuerten Dreh­tischen, die unab­hängig von­ein­ander um die Pendel­achse rotieren konnten. Wurde der Tisch mit den Stahl­kugeln langsam hin und her gedreht, so setzte deren Schwer­kraft das Pendel in Rota­tion. Indem der Dreh­tisch des Pendels nach­ge­führt wurde, konnten die Dreh­bewe­gungen des Pendels so kompen­siert werden, dass es relativ zu seiner Auf­hängung in Ruhe blieb.

Da das Pendel deshalb keine Torsionsschwingungen ausführte, konnte es an einem dünnen Wolfram­draht statt an einer elas­tischen Quarz­glas­faser auf­ge­hängt werden. Mit dieser Angular-Accele­ra­tion-Feed­back- oder AAF-Methode ermit­telten die Forscher G = 6,674484(78)×10-11 m3/(kg s2) mit einer rela­tiven Unsicher­heit von 1,161×10-5. Sowohl das TOS- als auch das AAF-Resultat für G sind genauer als das bisher genau­este Ergebnis, das im Jahr 2000 mit der AAF-Methode gewonnen worden war und dessen rela­tive Unsiche­rheit 1,37×10-5 betrug.

Die beiden neuen Werte für G stimmen mit dem CODATA-2014-Wert gut über­ein und liegen im Bereich von zwei Standard­abwei­chungen dieses Wertes. Ver­gleicht man jedoch die beiden neuen G-Werte direkt mit­ein­ander, so weichen sie etwas von­ein­ander ab, und zwar um fast vier (der viel kleineren neuen) Standard­abwei­chungen. Der Unter­schied zu den Resul­taten früherer TOS-Messungen der Forscher ist noch ekla­tanter. Sie können sich diese Diskre­panzen nicht erklären. Weitere Experi­mente sind also von­nöten.

Rainer Scharf

RK

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