09.10.2008

Gravitationslinse erlaubt Blick auf frühe Galaxienevolution

Kosmische Linsen helfen die räumliche Auflösung bei weit entfernten Galaxien zu steigern.

     


Die direkte Beobachtung der frühen Entstehungsphase von Galaxien ähnlich unserer Milchstraße ist schwierig. Bei Entfernungen von über zehn Milliarden Lichtjahren reicht die Auflösung selbst der größten heutigen Teleskope, ausgestattet mit modernster adaptiver Optik, nicht aus, um Informationen über den dynamischen Aufbau der jungen Sternsysteme zu erhalten. Doch manchmal hilft der Zufall den Forschern: Wenn nämlich eine zweite Galaxie im Vordergrund steht und als Gravitationslinse das weiter entfernte System vergrößert. Ein amerikanisches Astronomenteam berichtet  über einen solchen Fall. Die Forscher konnten eine geordnete Rotation in der jungen Galaxie nachweisen - ein Hinweis darauf, dass das System durch die Akkretion von Gas und nicht durch Verschmelzungen mit anderen Galaxien anwächst.  

"Die kosmische Linse liefert uns eine zehnfach höhere Auflösung, als wir sonst bei Galaxien in dieser Entfernung haben", erklärt Teamleiter Daniel Stark vom California Institute of Technology. "Dadurch können wir erstmalig sehen, wie eine typische junge Galaxie rotiert und sich langsam zu einer Spiralgalaxie ähnlich unserer Milchstraße entwickelt."

Stark und seine Kollegen haben mit dem Keck-Teleskop auf Hawaii die Galaxie J2135-0102 beobachtet, die eine Rotverschiebung von 3,075 besitzt. Das entspricht einer Entfernung von 11,5 Milliarden Lichtjahren - die Astronomen sehen die Galaxie also so, wie sie etwa 2,2 Milliarden Jahre nach dem Urknall ausgesehen hat. Nahezu exakt auf der Sichtlinie Erde-Galaxie steht bei einer Rotverschiebung von 0,7 ein zweites Sternsystem. Die Schwerkraft dieses Vordergrundsystems lenkt die Lichtstrahlen der im Hintergrund liegenden Galaxie ab - in diesem Fall liefert diese "Gravitationslinse" dank der nahezu perfekten Ausrichtung sogar ein fast vollständiges ringförmiges Abbild der fernen Galaxie, einen so genannten Einstein-Ring.



Abb.: Einstein-Ring: Die Galaxie J2135-0102 (blau) wird durch die Gravitation der in der Mitte des fast vollständigen Rings liegenden Vordergrundgalaxie (gelb) abgebildet. (Bild: Durham University)


Eine detaillierte Modellierung des Systems zeigt, dass die Gravitationslinsen-Abbildung die Fläche der Galaxie um das 28-fache und die große Hauptachse des Systems um das 8-fache vergrößert. Damit können Stark und seine Kollegen die Galaxie mit einer linearen Auflösung von etwa 300 Lichtjahren untersuchen, was für eine Analyse der dynamischen Eigenschaften des Systems ausreicht.

Um die Beobachtungen zu interpretieren, mussten die Wissenschaftler aus dem Einstein-Ring das ursprüngliche Bild der Galaxie rekonstruieren. Dazu verwendeten sie ein bereits im vergangenen Jahr veröffentlichtes detailliertes Massenmodell der Vordergrundgalaxie.

Die Analyse der Forscher zeigt, dass sich junge Sterne und kühles Gas in gemeinsamer, geordneter Rotation um das Zentrum der Galaxie bewegen. Stark und seine Kollegen schließen daraus, dass die Galaxie eine scheibenförmige Struktur mit einer zentralen Verdickung herausbildet, wie es typisch für große Spiralgalaxien ist. Eine solche Entwicklung sei nur möglich, wenn die Galaxie durch den Einfall von Gas von außen anwächst. "Wäre die Verschmelzung von Galaxien der dominierende Prozess, dann würden wir keine geordnete Rotation beobachten", so die Forscher.

      
Rainer Kayser


Weitere Info:


Weitere Literatur:
  • Weitere Arbeiten: R. Genzel, et al., The rapid formation of a large rotating disk galaxy three billion years after the Big Bang, Nature, 442, 786 (2006)
  • "A faint star-forming system viewed through the lensing cluster Abell 2218: first light at z=5.6?", R. S. Ellis et al., Astrophysical Journal 560, 119 (2001)
  • S. Dye et al., Separation of the visible and dark matter in the Einstein ring LBG J213512.732010143, Monthly Notices of the Royal Astronomical Society, 379, 308 (2007)


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