22.02.2019 • Astrophysik

Gravitationswellen-Ereignis mit gebündeltem Materiestrahl

VLBI-Beobachtungen zeigen Auswirkungen der Verschmelzung von zwei Neutronensternen.

Im August 2017 wurde zum ersten Mal die Verschmelzung zweier Neutronensterne beobachtet, deren vorhergehende Umkreisung auf immer engerer Bahn Gravitationswellen aussandte, die von den LIGO-Detektoren in Amerika und dem VIRGO-Detektor in Europa registriert wurden. Die Verschmelzung der Neutronensterne erfolgte in einer 130 Millionen Lichtjahre entfernten Galaxie. Astronomen verfolgten dieses Ereignis und die weitere Entwicklung des Systems über das gesamte elektro­magnetische Spektrum, von Röntgen- und Gamma- bis zu Radio­wellen­längen. Zweihundert Tage nach der Verschmelzung kombinierte ein internationales Forscherteam unter der Leitung von Giancarlo Ghirlanda vom Nationalen Institut für Astrophysik INAF in Italien die Daten von dreiunddreißig Radio­teleskopen auf fünf Kontinenten, um zu zeigen, dass ein gebündelter Material­strahl – ein Jet – von dem Überrest der Verschmelzung ausgeht.

Abb.: Künstlerische Darstellung des Materiejets, der nach der Verschmelzung...
Abb.: Künstlerische Darstellung des Materiejets, der nach der Verschmelzung zweier Neutronensterne entstanden ist. (Bild: K. Immer, JIVE)

Die beobachtete Verschmelzung von Neutronen­sternen hat es zum ersten Mal möglich gemacht, ein Gravitations­wellen­ereignis mit einem Objekt in Verbindung zu bringen, das elektro­magnetische Strahlung aussendet. Damit konnten wissen­schaftliche Theorien bestätigt werden, die bereits jahrzehnte­lang diskutiert wurden und es zeigte sich eine Verbindung der Verschmelzung von Neutronen­sternen mit einer der energiereichsten Explosionen im Universum, nämlich Gamma­strahlungs­ausbrüchen. Nach der Verschmelzung wird eine riesige Menge von Material in den Weltraum hinaus­geschleudert und bildet eine Materie­scheibe um das Zentrum. Es bleiben allerdings noch Fragen, die nicht durch die vorherigen Beobachtungen beantwortet werden konnten.

„Wir erwarteten, dass ein Teil dieses Materials durch einen stark gebündelten Jet ausgestoßen wird, aber es war nicht klar, ob der Jet die umgebende Hülle durchstoßen könnte”, erklärt Ghirlanda. Es gab zwei konkurrierende Szenarien: In einem Fall bricht der Jet nicht durch die Hülle, sondern führt zu einer sich ausdehnenden Blase, wo er auf das Hüllen­material trifft. Im anderen Fall durchstößt der Jet erfolgreich die Hülle und breitet sich dann weiter in den Raum aus. Nur durch hoch­empfindliche und hoch­aufgelöste Bilder der Quelle im Radiobereich können die beiden Fälle voneinander unterschieden werden. Um dies zu erreichen, benutzten die Astrophysiker die Very Long Baseline Interferometrie VLBI, bei der Radioteleskope auf der ganzen Welt zu einem großen virtuellen Teleskop kombiniert werden.

Die Daten der Teleskope wurden dann zum „Joint Institute for VLBI-ERIC“ (JIVE) in den Niederlanden gesandt und dort zu einem Datensatz verbunden. „Durch den Vergleich der beobachteten Bilder mit den Bildern von theoretischen Modellen haben wir heraus­gefunden, dass nur ein erfolgreicher Jet kompakt genug ist, um die beobachtete Größe der Quelle zu erklären”, sagt Om Sharan Salafia vom INAF. Das Team fand heraus, dass der Jet so viel Energie enthält wie alle Sterne in unserer Galaxie zusammen in einem Jahr produzieren. „Und all diese Energie ist auf ein Gebiet von weniger als einem Lichtjahr begrenzt”, ergänzt Zsolt Paragi vom JIVE.

 

In den kommenden Jahren erwarten die Astrophysiker, dass sie noch viele weitere dieser Neutronenstern-Verschmelzungen entdecken. „Unsere Ergebnisse weisen darauf hin, dass mehr als zehn Prozent dieser Verschmelzungen einen erfolg­reichen Jet nach sich ziehen”, erläutert Benito Marcote vom JIVE. Diese Art der Beobachtungen ermöglicht es, Prozesse aufzudecken, die während und nach einigen der energie­reichsten Ereignisse im Universum stattfinden.

MPIfR / RK

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