Gravitationswellen von der Sonne
Laut einer Arbeit des IFIC, des DESY und des Exzellenzclusters Quantum Universe der Universität Hamburg strahlt unser Heimatstern ultraschwache Gravitationswellen über ein enormes Frequenzspektrum aus.
Eine Zusammenarbeit zwischen Forschern des Instituto de Física Corpuscular (IFIC, CSIC – Universitat de València), DESY und Quantum Universe hat zur bislang genauesten Vorhersage von in der Sonne produzierten Gravitationswellen geführt. Gravitationswellen sind winzige Störungen in Raum und Zeit, die entstehen, wenn sich sehr massereiche Objekte bewegen oder zusammenstoßen. Laut der theoretischen Studie senden selbst ganz normale physikalische Vorgänge im Sonneninneren kontinuierlich ein extrem schwaches, hochfrequentes Hintergrundrauschen aus Gravitationswellen aus. „Hochfrequent“ bedeutet in diesem Zusammenhang, dass diese Wellen deutlich schneller schwingen als die bisher messbaren Gravitationswellen von etwa kollidierenden Schwarzen Löchern. Dieses Signal ist mit heutiger Technologie nicht messbar, liefert jedoch eine präzise Referenz für zukünftige Forschungsarbeiten.

Während sich heutige Gravitationswellendetektoren auf niederfrequente Signale konzentrieren – wie sie bei der Kollision von Schwarzen Löchern oder Neutronensternen entstehen – beschäftigt sich eine wachsende Forschungsgemeinschaft inzwischen mit einem neuen Terrain: dem Hochfrequenzspektrum.
Dieses neue Forschungsfeld ist erst in den letzten Jahren entstanden, befeuert durch neue theoretische Ansätze und experimentelle Konzepte, mit dem Ziel, Signale aus der Frühzeit des Universums nachzuweisen. Bislang wurde angenommen, dass in diesen hochfrequenten Bereichen keine störenden astrophysikalischen Hintergrundsignale auftreten – diese Studie widerspricht nun genau diesem Gedanken.
„Das eröffnet einen bislang übersehenen Blick auf hochfrequente Gravitationswellen“, sagt Camilo García-Cely vom IFIC, der die Arbeit gemeinsam mit DESY-Theoretiker Andreas Ringwald durchgeführt hat. „Wir wissen jetzt, dass selbst gewöhnliche Sterne wie die Sonne Gravitationsstrahlung im Hochfrequenzbereich abgeben – auf einem Niveau, das mit dem früher Prozesse im frühen Universum vergleichbar ist.“
„Die Sonne leuchtet noch nicht wirklich in Gravitationswellen“, meint Ringwald. „Aber aus optimistischer Sicht bedeutet das genau: Wir haben einen weiten, nahezu ungestörten Raum zur Entdeckung neuer Physik. Ob sich solche Wellen künftig wirklich messen lassen, ist zwar offen – aber wenn, könnten sie einzigartige Einblicke ins Sonneninnere liefern.“

DESY prüft derzeit verschiedene Wege, sich auch experimentell an diesem neuen Forschungsfeld zu beteiligen. Dazu zählen Projekte wie ALPS II, BabyIAXO, MADMAX, MAGO und NEST, die darauf abzielen, extrem schwache Signale von Axionen oder hochfrequenten Gravitationswellen nachzuweisen. Die Gruppe von García-Cely am IFIC ist Teil eines spanischen Forschungsverbunds, der aktiv an diesen Experimenten beteiligt ist.
Die Studie greift eine Idee aus den 1960er-Jahren wieder auf, die auf den Physiknobelpreisträger Steven Weinberg zurückgeht. Dieser hatte die Gesamtleistung der von der Sonne ausgesendeten Gravitationsstrahlung abgeschätzt, jedoch kein vollständiges Spektrum angegeben. „Wir konnten sein Vermächtnis erweitern, indem wir zusätzliche physikalische Effekte integriert und ein vollständiges, konsistentes Spektrum über eine breite Frequenzspanne hinweg berechnet haben“, so García-Cely.
„Besonders spannend war, wie viele verschiedene Bereiche der Physik in diese Arbeit eingeflossen sind“, resümiert Ringwald. „Solch ein interdisziplinärer Ansatz ist essenziell, wenn wir dem Universum auf die grundlegendsten Fragen näherkommen wollen.“ [DESY / U Hamburg / dre]
Weiterführende Links
- Originalveröffentlichung
C. Garcia-Dely & A. Ringwald, Complete gravitational-wave spectrum of the Sun, Phys. Rev. Lett. 135, 0610015, 6. August, 2025; DOI: 10.1103/gtwg-pr41 - Camilo García Cely, Instituto de Física Corpuscular (IFIC), Paterna, Consejo Superior de Investigaciones Científicas CSIC / Universidad de Valencia
- DESY Theory Group, Deutsches Elektronen-Synchrotron, Hamburg
- Gravitational Waves, Exzellenzcluster Quantum Universe, Universität Hamburg