26.03.2009

Großer Nachholbedarf vorhanden

Die deutschen Universitäten brauchen eine neue Personalstrategie. Von Helmut Schwarz



Physik Journal – Die deutschen Universitäten brauchen eine neue Personalstrategie. Von Helmut Schwarz

Die Physik in Deutschland genießt international einen guten Ruf. Die Förderzahlen der Alexander von Humboldt-Stiftung untermauern diese Einschätzung. In den vergangenen zehn Jahren stellten die Physiker mit insgesamt an die 1100 Forschungsaufenthalten von Stipendiaten und rund 600 Aufenthalten von Preisträgern die zweitstärkste Gruppe unter den ausländischen Naturwissenschaftlern, die mithilfe der Stiftung nach Deutschland kamen.

Die Wahl eines Forschungsstandortes ist eine Abstimmung mit den Füßen. Hinter jedem Aufenthalt steht die Entscheidung für einen Gastgeber und Kooperationspartner in Deutschland und eine Aussage darüber, in welchen Fachbereichen die deutsche Forschung so gut ist, dass sie den internationalen Wettbewerb um die Besten gewinnt.

Auf das erfolgreiche Abschneiden bei den Humboldtianern aus aller Welt kann sich die Physik in Deutschland also durchaus etwas einbilden. Doch auf dem guten Ruf ausruhen sollte sie sich nicht. Denn Humboldtianer kommen meist, um nach durchschnittlich einem Jahr in Deutschland wieder in ihr Heimatland zurückzukehren. Wenn es aber darum geht, ausländischen und vor allem den eigenen Talenten langfristige Karrierechancen zu bieten, haben deutsche Universitäten im internationalen Vergleich trotz Fortschritten in der jüngeren Zeit immer noch großen Nachholbedarf. Das betrifft nicht nur die Physik, sondern alle Fächer. Neue Personalstrategien sind nötig, um den Nachwuchs zu fördern und international konkurrenzfähiger zu werden.

Wer weltweit die Besten gewinnen will und wer in Berufungsverfahren glaubwürdig bleiben möchte, muss sicherstellen, dass Berufungsverfahren transparent sind und nicht dazu dienen, bereits vorhandenes Personal zu versorgen. Berufungskommissionen müssen zu Suchkommissionen werden. So wie beispielsweise an der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich, wo mehr als die Hälfte der in den letzten 20 Jahren berufenen Professoren von der Berufungskommission selbst identifiziert und aktiv angesprochen wurden. Ein komplettes Berufungsverfahren wird hier im Schnitt in circa sieben Monaten abgeschlossen. Dazu trägt auch die Möglichkeit bei, Berufungen ohne Ausschreibung oder auswärtige Gutachten durchführen zu können. Solche Direktberufungen müssen auch bei uns flächendeckend Schule machen. Berufungen dürfen eben keine lästige Pflichtübung sein, wie sie es immer noch zu oft in Deutschland sind.

Wenn es Länder gibt, in denen, gemessen an der Kaufkraft, Hochschullehrer mittlerweile das Doppelte und Dreifache verdienen, so kann dies nicht folgenlos bleiben. Deutschlands Platz auf der Einkommens-Rankingliste liegt inzwischen irgendwo im unteren Mittelfeld. Für wissenschaftliche und technische Mitarbeiter sieht die Statistik keineswegs rosiger aus, sodass es schwer fällt, einen hochqualifizierten Techniker, eine erstklassige Sekretärin oder einen kreativen Fachhochschulingenieur für eine Universitätsposition zu gewinnen. Selbst Idealisten tun sich nicht leicht, Einkommensverluste von bis zu 70 Prozent zu akzeptieren, wie sie Spitzenleuten drohen, wenn die Tarifregeln des öffentlichen Dienstes blind angewendet werden müssen. Daher benötigen wir eine leistungsgerechte Besoldung.

Schließlich leistet es sich keine wirklich erstklassige Universität, eine junge Frau oder einen jungen Mann zunächst anzuheuern, dann beträchtliche Geldsummen für eine adäquate Erstausstattung zu investieren und die Person schließlich einfach gewähren zu lassen nach dem Motto, dass Pflanzenkeimlinge im Dschungel doch auch von alleine zu mächtigen Bäumen wachsen - oder eben verkümmern! Nein, in Berkeley, Chicago, am Weizmann-Institut, in Straßburg, London, Oxford, Zürich, Jerusalem, Tokio, Peking - überall berichten die Jungen dem Dekan oder einer Vertrauensperson in der Fakultät regelmäßig über das, was sie beschäftigt. Sie erlernen durch Vorbilder und von Vorbildern das Handwerk eines guten, verantwortungsgeprägten Unterrichtens. Von ihren Mentoren werden sie informiert über das Prozedere, die Fallstricke und die Fußangeln einer Drittmittelbeschaffungsbürokratie. Ganz natürlich und zwanglos wird der Nachwuchs dadurch eingebunden in den universitären Alltag.

Headhunting, konkurrenzfähige Besoldung und die gezielte Förderung von jungen Talenten könnten auch helfen, den Anteil ausländischer Hochschullehrer in Deutschland von derzeit fünf Prozent zu erhöhen. So käme mehr internationaler frischer Wind an deutsche Universitäten - was auch die Attraktivität für ausländische Talente und Topforscher, wie sie die Humboldt-Stiftung fördert, sicher weiter erhöhen würde.





Meinung von Prof. Dr. Helmut Schwarz, Präsident der Alexander von Humboldt-Stiftung und Professor für Organische Chemie an der TU Berlin. (Bild: Humboldt-Stiftung, E. Lichtenscheidt)


Quelle: Physik Journal, April 2009, S. 3


AL

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