11.12.2014

Güldene Mikroskopie

Ultrastabile Goldsubstrate bei Kryo-Elektronenmikroskopie verringern Abbildungsfehler erheblich.

Ebenso wie die Röntgen-Kristallo­graphie ist die Elektronen­mikroskopie ein wichtiges Verfahren, um die Struktur von Proteinen und anderen Zell­bausteinen zu erforschen. Dabei steht man jedoch stets vor der Abwägung, einerseits möglichst geringe Elektronen­dosen einzusetzen, um die Probe nicht zu zerstören. Andererseits benötigt man für gute Struktur­analysen ein hohes Signal-Rausch-Verhältnis, das sich nur mit genügend intensiver Elektronen­strahlung erzielen lässt. Eine besondere Methode bei schwierigen Fällen ist deshalb die Kryo-Elektronen­mikroskopie, bei der man eine Probe mit Hilfe eines flüssigen Kühlmittels vor der Untersuchung schock­gefriert. Dies konserviert die Struktur der Moleküle besser als im warmen Zustand, wodurch sich höhere Elektronen­dosen einsetzen lassen. Außerdem kann man so biologische Moleküle in Lösung analysieren, die rasch durchgefroren wurden.

Abb. 1: Seitenansicht (oben) des Goldsubstrats, und zwei Draufsichten in mittlerer (links) und hoher (rechts) Auflösung (Bild: C. J. Russo & L. A. Passmore)

Zum Schockfrosten nutzt man flüssiges Ethan bei rund achtzig Kelvin, sodass die Probe in einer dünnen Schicht von amorphem Eis präpariert ist. Anschließend nimmt man mit dem Kryo-Elektronen­mikroskop eine große Anzahl von Einzel­bildern auf und erhält auf diese Weise Projektionen der Elektronen­dichte der Biomoleküle. Mit passenden Algorithmen lassen sich hieraus Informationen über die räumliche Struktur der Moleküle gewinnen. Allerdings muss die räumliche Auflösung der Aufnahmen hoch genug sein, um die vielen Einzelbilder passend zusammensetzen zu können. Viele Moleküle verweigern sich aber derzeit einer Struktur­bestimmung. Denn noch sind Kryo-Elektronen­mikroskope von den prinzipiell erreichbaren physikalischen Grenzen ein gutes Stück entfernt. Ein großes Problem für eine hinreichend hohe Auflösung stellt insbesondere die Bewegung der Probe während der und durch die Bestrahlung dar. Gängige gewerbliche Substrate, auf denen die Probe fixiert ist, basieren auf Kohlenstoff und führen mitunter zu verschwommenen Bildern, die keine klare Struktur­bestimmung zulassen.

Christopher Russo und Lori Passmore vom Laboratory for Molecular Biology im englischen Cambridge haben deshalb nun versucht, die Bewegung des Proben­halters während der Bestrahlung möglichst stark zu verringern. Hierzu haben sie ein neues Substrat auf Goldbasis entwickelt, das deutlich bessere Eigenschaften zeigte als die üblichen Objektträger. Gold bietet sich aus mehreren Gründen an: Einerseits ist es sehr strahlenhart und deshalb als stabiler Objektträger prädestiniert. Zudem ist Gold chemisch inert und biokompatibel sowie elektrisch leitend. Die Wissenschaftler fertigten ihr Goldsubstrat analog zu Kohlenstoff­substraten: Über ein quadratisches Stütz­gitter spannten sie eine dünne Goldfolie von fünfhundert Ångström Dicke, in der sich 1,2 Mikrometer dünne Löcher befanden, in denen die gefrorenen Proteine eingebettet waren.

Indem sie sowohl Folie als auch Stützgitter aus Gold fertigten, konnten Russo und Passmore eine gleichförmige elektrische Leit­fähigkeit und thermische Kontraktion beim Abkühlen der Probe von Raum­temperatur auf achtzig Kelvin gewährleisten. Letzteres ist für die praktische Anwend­barkeit nicht unwichtig, da es die Geometrie und Spannung im Material erhält.

Um die Eigenschaften ihres goldenen Probenhalters zu testen, ließen Russo und Passmore ihn zunächst ohne Probe zum Vergleich mit einem üblichen Kohlenstoff­substrat antreten. Um möglichst identische Bedingungen zu erhalten, nutzten die Forscher für ihre Messungen nicht nur die selben Geometrien und Geräte, sondern führten die Vergleichs­messungen auch am selben Tag durch, um atmosphärische Einflüsse auszuschließen.

Bei der vertikalen Bewegung ohne Probe stellten sie unter typischen hochauflösenden Kryo-Elektronen­mikroskop-Fluenzen eine deutliche Abnahme fest. Mit einer Auslenkung von nur 3,8 gegenüber 228 Å war das Gold­substrat rund um einen Faktor sechzig überlegen. Da das Eis an der Probe den Halter stabilisiert, testeten die Forscher die vertikale Beweglichkeit noch einmal unter typischen Mess­bedingungen und konnten immer noch eine vierzig­fache Verbesserung von 76 auf 1,9 Å beobachten.

Die Bewegung innerhalb der Objektebene, also parallel zum Probenhalter, verringerte sich ebenfalls – jedoch deutlich weniger stark als die vertikale. Während der ersten Phase der Bestrahlung nahm die Auslenkung um vierzig Prozent ab, während der zweiten Phase sogar um achtzig Prozent. Daraus lässt sich ableiten, dass ein großer Teil dieser Bewegung nicht von der Probe, sondern vom Proben­halter herrührt. Dank der gewonnenen höheren Auflösung ließ sich auch eine um rund ein Drittel höhere Winkel­genauigkeit für die drei­dimensionale Rekonstruktion gewinnen. Dies ist mit einer guten Präparation der Proteine eine der entscheidenden Voraussetzungen für eine gute Strukturbestimmung.

Abb. 2: Gesamtstruktur und Details von Apoferritin, aufgenommen mit der neuen Methode (Bild: C. J. Russo & L. A. Passmore)

Um die neuen Möglichkeiten zu testen, wählten Russo und Passmore als Probe Apoferritin – ein kleines Protein, das einen kugelförmigen Komplex bildet und der Eisen­speicherung dient. Bislang konnte man dessen Struktur mit der Kryo-Elektronen­mikroskopie nicht bestimmen, da seine Helizes sich nicht genügend kontrast­stark auflösen und sich deshalb die Einzelbilder nicht zu einem guten dreidimen­sionalen Modell integrieren ließen. Mit üblichen Substraten erhielten die beiden Forscher bei Apoferritin nur eine Auflösung um die 25 Å. Mit dem goldenen Halter erzielten sie jedoch eine Genauigkeit von 8 Å. Durch geschickte Wahl möglichst geeigneter Teilchen konnten sie diese noch einmal auf 4,7 Å drücken.

Mit solchen Substraten könnte die Kryo-Elektronenmikroskopie deutlich näher an die physikalischen Grenzen rücken. Die Forscher erhoffen sich davon nicht nur Einblicke in Biomoleküle, die sich bislang einer Aufklärung verschließen. Sie gehen auch davon aus, damit besseren Aufschluss über den zunehmenden Schaden während der Messungen zu erhalten. Doch trotz aller Vorzüge bleibt ein Problem noch erhalten: Während der ersten Phase der Messung bleibt eine Bewegung von 1 – 2 Å innerhalb der Probenebene bestehen. Da die ersten Elektronen­strahlen die Informationen mit der höchsten Auflösung liefern können, wäre es besonders wünschens­wert, diese Bewegung stärker unterdrücken zu können.

Dirk Eidemüller

OD

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