28.02.2014

Gutachten mit Gegenwind

Die Expertenkommission Forschung und Innovation veröffentlicht ihr neues Gutachten und stößt damit auf Widerspruch.

Das Erneuerbare Energien-Gesetz (EEG) fördert keine Innovationen, und Deutschland verliert zu viele Spitzenforscher. Das merkt die Expertenkommission Forschung und Innovation (EFI) im Rahmen ihres Gutachtens für 2013 kritisch an. Vertreter der Kommission, welche seit 2007 im Auftrag der Bundesregierung den Standort Deutschland unter die Lupe nimmt, übergaben das Gutachten am 26. Februar an die Bundesregierung. Die Empfehlungen darin betreffen eine Vielzahl an Themen, wie Open Access und die Evaluation von innovationspolitischen Fördermaßnahmen ebenso wie die Leistungsfähigkeit von Informations- und Kommunikationstechnologie oder Forschung und Entwicklung im Bereich der Elektromobilität.

Bundeskanzlerin Merkel nimmt das EFI-Gutachten 2014 in Empfang. (Bild: S. Weigelt, EFI)

Die Expertenkommission empfiehlt, das EEG nicht fortzuführen, denn es habe als zentrales Instrument der deutschen Klima- und Energiepolitik versagt, da es den Strom nur teurer mache und keinen messbaren Innovationsschub bewirkt habe. Die EFI erkennt zwar an, dass der Anteil der erneuerbaren Energien an der Bruttostromerzeugung seit der Einführung des Gesetzes im Jahr 2000 von 7 auf 23 Prozent erhöht werden konnte, kritisiert aber das Anwachsen der EEG-Vergütungszahlungen an die Anlagenbetreiber von 883 Millionen Euro im Jahr 2000 auf 23 Milliarden Euro im Jahr 2013. Der EEG-Umlagebeitrag mache so rund ein Fünftel des durchschnittlichen Strompreises für die Verbraucher aus.

Diese Kostenexplosion ist aus Sicht der Kommission vor allem deshalb kritisch, weil „das Argument Klimaschutz, welches häufig als Rechtfertigung für das EEG angeführt wird, nicht trägt“. Da die CO2-Emissionen für energieintensive Branchen durch das Emissionshandelssystem der EU gedeckelt sind, reduziert der verstärkte Ausbau der erneuerbaren Energien in der deutschen Stromversorgung europaweit keine CO2-Emissionen. Diese verlagern sich lediglich in andere Sektoren und ins europäische Ausland. Das EEG sorgt nicht für mehr Klimaschutz, zudem erhöht es die Kosten, kritisieren die Experten.

Der Expertenkommission widersprach der Forschungsverbund Erneuerbare Energien (FVEE), dem unter anderem Institute der Fraunhofer-Gesellschaft und Helmholtz-Gemeinschaft, das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt sowie das Forschungszentrum Jülich angehören. Der FVEE verweist auf hohe Effizienzsteigerungen, massive Kostenreduzierungen und eine steigende Anzahl von Patenten im Bereich der erneuerbaren Energien, an denen die Impulse durch das EEG wesentlich beteiligt waren. „Die erneuerbaren EnergienTechnologien weisen zwischen 1991 und 2009 eine Verachtfachung der Patentanmeldungen auf und zeigen damit eine erfreulich hohe technologische Entwicklungsdynamik“, betont Ernst Huenges, der Sprecher des FVEE. Auch seien die Kosten für Solarstrom von zwei Euro pro Kilowattstunde Mitte der Neunzigerjahre auf heute rund zehn Cent gesunken. Der FVEE betonte, dass das EEG auf dem Weg zu einer nachhaltigen Energieversorgung eine Regelfunktion zwischen den konservativen und den erneuerbaren Energien hat.

Abwanderung der Spitzenforscher?
Ein großes Manko des deutschen Wissenschaftssystems ist die laut EFI-Bericht im internationalen Vergleich „ernüchternde“ Bilanz von Zu- und Abwanderung bei Wissenschaftlern. So sind zwischen 1996 und 2011 rund 19000 Forscher nach Deutschland gekommen, aber 23000 ins Ausland gegangen. Mit einem Negativsaldo von 4000 Abgewanderten liegt Deutschland im internationalen Vergleich lediglich an 19. Stelle und damit deutlich hinter vielen anderen OECD-Staaten.

Besonders problematisch sind aus Sicht der Experten die Qualitätsunterschiede zwischen zu- und abwandernden Wissenschaftlern, wobei die Qualität eines Forschers daran gemessen ist, wie oft er in Fachzeitschriften zitiert wird. Nach dem EFI-Gutachten fällt diese Bilanz für Deutschland klar negativ aus: Die Abwandernden sind im Schnitt besser als die Zuwandernden. „Die internationale Wissenschaftlermobilität führt tendenziell zu einer Reduktion der Forschungsqualität in Deutschland“, urteilen die Experten.

Aus Sicht von Jürgen Mlynek, Präsident der Helmholtz-Gemeinschaft, zeichnen die EFI-Experten ein unvollständiges und dadurch verzerrendes Bild. Deutschlands Hochschulen und Wissenschaftseinrichtungen hätten im Wettstreit um die klügsten Köpfe in den vergangenen zehn Jahren nicht nur Boden gutgemacht, sondern spielten in vielen Forschungsfeldern längst in der Weltspitze mit. Mlynek empfindet es als irreführend, dass die Experten von einem „negativen Saldo“ sprechen und kritisiert, dass dieser Schluss zumindest teilweise auf nicht mehr aktuellen Zahlen beruht. „Für all jene Rückkehrer, denen die EFI-Experten mindere Qualität nahelegen, kommt das Gutachten einem Schlag ins Gesicht gleich“, bedauert er. Für ihn liegen die Probleme im deutschen Wissenschaftssystem eher in der zu hohen Zahl von Zeitverträgen und dem größtenteils immer noch holprigen Übergang auf Professorenstellen.

Da ab 2015 der Hochschulpakt, die Exzellenzinitiative und der Pakt für Forschung und Innovation auslaufen, empfiehlt die EFI, in den nächsten Monaten ein Maßnahmenbündel zu entwickeln, das die Hochschulen und die außeruniversitären Forschungseinrichtungen weiter unterstützt. Die Grundfinanzierung der Hochschulen sollte gestärkt werden. Eine Lockerung des „Kooperationsverbots“ zwischen Bund und Ländern in Bildungsfragen ist hierbei dringend geboten, damit der Bund die Hochschulen wieder institutionell fördern kann. Um den Bereich der Spitzenforschung und damit die internationale Wettbewerbsfähigkeit des deutschen Forschungssystems zu stärken, empfiehlt die Expertenkommission eine besondere Förderung der leistungsstärksten Hochschulen.

Die Bundesforschungsministerin Johanna Wanka kündigte an, dass die Bundesregierung das EFI-Gutachten sorgfältig prüfen und im Mai 2014 im Bundesbericht Forschung und Innovation dazu Stellung nehmen werde.

EFI / FVEE / HGF / Alexander Pawlak

Sonderhefte

Physics' Best und Best of
Sonderausgaben

Physics' Best und Best of

Die Sonder­ausgaben präsentieren kompakt und übersichtlich neue Produkt­informationen und ihre Anwendungen und bieten für Nutzer wie Unternehmen ein zusätzliches Forum.

EnergyViews

EnergyViews
Dossier

EnergyViews

Die neuesten Meldungen zu Energieforschung und -technologie von pro-physik.de und Physik in unserer Zeit.

Meist gelesen

Themen