Haften von kalt bis heiß
Supramolekularer Klebstoff mit einer Temperaturbandbreite von vierhundert Kelvin.
Ein Forscherteam aus China hat einen supramolekularen Hochleistungsklebstoff entwickelt, der recycelt werden kann und höchste Haftleistungen im Temperaturbereich von minus 196 Grad Celsius bis zu 200 Grad Celsius erreicht. Wie das Team berichtet, trägt eine außergewöhnlich enge Verzahnung der molekularen Komponenten während des Aushärtens zu dem breiten Klebespektrum bei.
Anders als normale Klebstoffe haften supramolekulare Klebstoffe nicht durch Quervernetzung der molekularen Komponenten. Vielmehr lagern sich die Moleküle beim Aushärten des Klebers passgenau zusammen. Solche supramolekulare Systeme sind interessant, weil die Ausgangsstoffe sich prinzipiell wiedergewinnen und ihr chemisches Verhalten gut maßschneidern lassen. Andererseits sind die Klebeleistungen solcher Kleber bislang eher nur durchwachsen und können je nach Umweltbedingungen stark schwanken.
Der von dem Forschungsteam um Kai Liu von der Tsinghua-Universität in Beijing entwickelte Klebstoff enthält zwei Komponenten. Eine davon ist ein kleines Protein, das in Bakterien biotechnologisch hergestellt werden kann. Die andere Komponente ist ein Kronenether – ein ringförmiges Molekül, das ein Gastmolekül „einpacken“ kann. Kronenether umfassen ein passendes Molekül ähnlich wie eine Krone einen Kopf, daher der Name.
Eine solche enge Interaktion beobachteten die Forscher mit ihrem System: Gaben sie Kronenether und Protein zusammen und erwärmten die Lösung, verankerte sich der Kronenether auf der Proteinoberfläche. Wie das Team beobachtete, zogen sich Protein und Kronenether durch die entgegengesetzte Ladung und molekulare Wechselwirkungen so stark an, dass eine neue, verzahnte Struktur entstand. Der Kronenether schweißte die Proteine aneinander.
Ergebnis war eine außerordentlich starke Haftwirkung. Miteinander verklebte Stahlplatten hielten hohe Scherkräfte bei Raumtemperatur, in flüssigem Stickstoff und bei zweihundert Grad Celsius aus. Der Klebstoff funktionierte mit verschiedenen Materialien und auch unter Wasser. Eine solche Bandbreite an Bedingungen erreichen selbst Spezialklebstoffe kaum – für supramolekulare Klebstoffe sind sie ein Rekord. Die Komponenten konnten auch wieder aufbereitet werden. Der recycelte und neu ausgehärtete Kleber büßte kaum an Leistungsfähigkeit ein.
Als Grund für die außerordentliche Haftwirkung insbesondere bei niedrigen Temperaturen machten die Forscher die spezifischen supramolekularen Wechselwirkungen aus. Die enge Verzahnung treibe nämlich das gebundene Wasser aus dem Protein heraus, vermuteten sie. Dadurch könnten sich – wie bei einem Frostschutzmittel – beim Einfrieren keine Eiskristalle bilden, die in vielen konventionellen Klebern zur vorzeitigen Rissbildung führen.
Als Anwendungsgebiet schlagen die Forscher Spezialfertigungen vor, bei denen große Unterschiede in den Bedingungen wie zum Beispiel die Temperaturunterschiede in der Raumfahrt überwunden werden müssen.
Wiley-VCH / RK
Weitere Infos
- Originalveröffentlichung
K. Zhao et al.: Molecular Engineered Crown-Ether-Protein with Strong Adhesion over a Wide Temperature Range from −196 to 200 °C, Ang. Ch., online 21. Juni 2022; DOI: 10.1002/ange.202207425 - Tsinghua University, Beijing, China