Halte Kontakt, nutze das Vakuum!
Wie Spiegel die Chemie und Physik beeinflussen können.
Wissenschaftler des MPI für Struktur und Dynamik der Materie haben mittels Computer-Simulationen aufgezeigt, wie der Transfer von Energie und Ladung zwischen Molekülen mit virtuellen Photonen kontrolliert und drastisch verstärkt werden kann. Ihre Arbeit könnte zu einer fundamentalen Anpassung der Leitlinien chemischer Reaktionen führen und große Fortschritte im Bereich der chemischen Kontrolle durch störungsfreie Methoden bewirken.
Der Einfluss virtueller Teilchen, die im klassischen Sinne nicht einmal existieren, fasziniert Wissenschaftler seit nunmehr einem Jahrhundert. Die Beschaffenheit des Vakuums, inklusive seiner Eigenschaften und seines Einflusses, kann durch seine Umgebung kontrolliert werden. Wenn man zwei gewöhnliche Spiegel dicht aneinander setzt, kann so zum Beispiel der Verlauf einer chemischen Reaktion kontrolliert werden. Das geschieht nicht etwa durch den Kontakt der Moleküle mit der Oberfläche der Spiegel, sondern lediglich dadurch, dass die Spiegel das Vakuum in eine bestimmte Form zwingen.
Experiment und Theorie beweisen, dass diese Effekte existieren und einen potenten Kontroll-Mechanismus darstellen. Das Team um Christian Schäfer, Michael Ruggenthaler, Heiko Appel und Angel Rubio hat nun gezeigt, wie drastisch sich die Paradigmen der Chemie im kontrollierten Vakuum beeinflussen lassen.
Die Photonen agieren als Kleber zwischen den Molekülen und ermöglichen einen extrem effizienten Energie- und Ladungstransfer über große Distanzen hinweg. Die Kontrolle des Vakuums ermöglicht somit die Steuerung chemischer Reaktionen, führt zu der hocheffizienten Kommunikation zwischen den Teilchen über weite Entfernungen und bestimmt ihre Positionen – alles durch die Anpassung einfacher Faktoren, wie der Distanz zwischen zwei Spiegeln. Der Kniff ist, dass das kontrollierte Vakuum zu neuen Zuständen führt, welche mehr als die Summe ihrer Einzelteile, Licht und Materie, darstellen. Selbst weit voneinander getrennte Moleküle sind so über lange Reichweiten durch den effizienten Lichtcharakter verbunden.
„Die Experimente haben bereits gezeigt, wie für unser modernes Leben wichtige chemische Reaktionen auf diese Art kontrolliert und beschleunigt werden können“, sagt Schäfer. „Die damit verbundene Theorie gibt uns einen enorm optimistischen Ausblick auf die Zukunft dieser Kontrollmethoden.“
„Mit Experimenten und Theorie fügen wir unserem modernen Verständnis des Material- und Reaktionsdesigns in diesem Feld neue Facetten hinzu“, erklärt Rubio. „So eröffnen sich hocheffiziente Methoden für die Herausforderungen unserer Zeit, wie zum Beispiel der Energie-Wandel und die Energie-Speicherung. Dieser neuartige Ansatz hat großes Potential, kann auf andere entfernte Komponenten wie zweidimensionale Materialien oder Festkörper ausgeweitet werden und verspricht neue technologische Möglichkeiten für die Zukunft.“
MPSD / RK
Weitere Infos
- Originalveröffentlichung
C. Schäfer et al.: Modification of excitation and charge transfer in cavity quantum-electrodynamical chemistry, Proc. Natl. Acad. Sci. U.S.A., online 7. Februar 2019; DOI: 10.1073/pnas.1814178116 - Abt. Theorie (A. Rubio), Max-Planck-Instituts für Struktur und Dynamik der Materie, Hamburg