Hannes-Alfvén-Preis 2018 für Tony Bell
Bahnbrechende Arbeiten zu astrophysikalischen und Laborplasmen gewürdigt.
Die Europäische Physikalische Gesellschaft (EPS) verleiht ihren Hannes-Alfvén-Preis für herausragende Beiträge zur Plasmaphysik in 2018 an Professor Tony Bell FRS von der Universität Oxford. Der theoretische Plasmaphysiker Bell hat im Laufe seiner Karriere immer wieder neue Forschungsfelder sowohl auf dem Gebiet der astrophysikalischen Plasmen als auch auf dem der Laborplasmen erschlossen. Seine bahnbrechenden Beiträge umfassen die Beschleunigung der kosmischen Strahlung durch Schocks, die Verstärkung des Magnetfeldes durch kosmische Strahlung, den flussbegrenzten Elektronentransport, die Erzeugung des Magnetfeldes durch laserproduzierte energetische Elektronen, die Kollimation von Elektronenstrahlen für die Trägheitsfusion sowie die Elektron-Positron-Paar-Produktion. Die führende Rolle, die er bei der Entwicklung des heutigen Standardmodells der astrophysikalischen Teilchenbeschleunigung und der Entstehung der kosmischen Strahlung (CR) gespielt hat, zählt zu Bells größten Errungenschaften.
Abb.: Der Harvard-Professor und Fellow of the Royal Society (FRS) Tony Bell erhält die bedeutende Auszeichnung der EPS. (Bild: EPS)
Tony Bell war der alleinige Autor von zwei besonders zukunftsträchtigen Arbeiten: Im Jahr 1978 schlug er die Theorie der diffusiven Stoßbeschleunigung vor und 2004 zeigte er, wie strömende kosmische Strahlung eine neue Plasmainstabilität anregen und Magnetfelder verstärken kann. Letzteres ist beispielsweise für die Beschleunigung kosmischer Strahlung auf PeV-Energien in Supernova-Überresten (SNR) erforderlich, und um die starken Magnetfelder zu erklären, die bei Schocks beobachtet werden.
Der Prozess der diffusiven Stoßbeschleunigung wurde unabhängig voneinander von Bell und drei weiteren Forschungsgruppen vorgeschlagen. Die Theorie der Magnetfeldverstärkung erarbeitete Bell hingegen alleine. Schockbeschleunigte relativistische Elektronen sind verantwortlich für die Synchrotron- und inverse Compton-Strahlung von Radio- zu Gammastrahlenwellenlängen, die einen wesentlichen Teil zu unserem Wissen über das Universum beisteuern.
Auf dem Gebiet der Laborplasmaphysik war Tony Bell über drei Jahrzehnte hinweg einer der Hauptakteure bei der Entwicklung des Verständnisses des Elektronentransports in laserproduzierten Plasmen. Langfristiges Ziel ist die Entwicklung der lasergetriebenen thermonuklearen Fusion als kommerziell nutzbare Stromquelle. Mittelfristig werden Laserplasma-Wechselwirkungen bei hoher Laserintensität zunehmend als Kurzimpulsquelle für energetische Photonen, Protonen, Elektronen und Positronen mit einer Vielzahl von Anwendungen gesehen. Tony Bells wichtigste Errungenschaften in der Laborplasmaphysik sind:
•die Erläuterung der „flussbeschränkten“ Hemmung der Wärmeleitung in Inertial Confinement Fusion (ICF) Kapseln. Damit wurde die Entwicklung der nicht-lokalen Theorie des Elektronentransports eingeleitet, die sich als einer der Bausteine des Verständnisses von laserproduzierten Plasmen erwiesen hat.
•die Formulierung einer Theorie des energetischen Elektronentransports, die zeigt, wie ein selbst erzeugtes Magnetfeld die Strahlen energetischer Elektronen in den dichten thermonuklearen Brennstoff fokussieren kann, wie es für eine Trägheitsfusion mit hoher Verstärkung durch „Schnellzündung“ erforderlich ist.
•die theoretische Demonstration, dass die Quantenelektrodynamik (QED) eine wichtige Rolle bei Experimenten mit Hochleistungslasern der nächsten Generation spielen wird, die zu einer produktiven Erzeugung von Gammastrahlen und Elektronen-Positronen-Paaren führen.
Das gemeinsame Thema, das diese scheinbar unterschiedlichen Forschungen vereint, ist die Erzeugung und der Transport energetischer Teilchen, seien es kosmische Strahlen in der Astrophysik oder energetische Elektronen und Elektronen-Positronen-Paare in laserproduzierten Plasmen.
EPS / LK