23.10.2013

Harmonische Röntgenstrahlen

Durchstimmbarer Zweistufen-Röntgen-Laser operiert bei Wellenlängen bis unter fünf Nanometer.

Die Erzeugung von Röntgenstrahlen an Freie-Elektronen-Lasern ist mittlerweile ein rasch wachsender Forschungszweig geworden. Eine sehr begehrte Technik ist dabei die Herstellung von durchstimmbaren Femtosekundenpulsen im weichen Röntgenbereich, deren Auflösung an die von der Fourier-Transformation vorgegebene Grenze heranreicht. Solche Strahlen eignen sich nicht nur für Strukturanalysen in der Festkörperphysik, sondern auch für Materialforschung, Biologie und Chemie. Denn sie ermöglichen hohe zeitliche und Frequenz-Auflösungen für dichroitische Streuexperimente, Elektron-Emissionsspektroskopie und multidimensionale Spektroskopie.

Abb.: Die zweistufige Anordnung der Undulatoren am FEL-2 von FERMI: Die erste Stufe besteht aus einem Modulator (M1), einer Dispersionssektion (DS1) und den beiden Radiatoren (R1). Hinter einer Verzögerungsstrecke (DL) sitzt die zweite Stufe, die analog zur ersten aufgebaut ist, jedoch mehr Radiatoren besitzt. (Bild: E. Allaria et al.)

Einem Team am Elektronensynchrotron Elettra im italienischen Triest ist es nun gelungen, einen solchen Röntgenlaser zu verwirklichen. Die Forscher nutzten hierfür den Freie-Elektronen-Laser FERMI bei Elettra, der bei einer Strahlenergie von 1,2 Gigaelektronenvolt kurze Pulse zwischen 10 und 100 Femtosekunden Länge liefern kann. Das Experiment basierte auf einer zweistufigen, geseedeten Undulatoranordnung, über die die Forscher Hohe Harmonische zur Wellenlänge des Seed-Lasers erzeugen konnten. Da sich die Strahlung von Freie-Elektronen-Lasern anhand der Undulatorparameter und des relativistischen Lorentz-Faktors der Elektronen frei durchstimmen lässt, steht im Prinzip ein breiter Wellenlängenbereich zur Verfügung.

Die meisten Freie-Elektronen-Laser nutzen heute das Verfahren der selbstverstärkenden spontanen Emission. Dabei sorgt das normale Schrotrauschen im Elektronenstrahl für eine erste Emission, die sich anschließen verstärkt und zu hoher Ausgangsstrahlung mit Leistungsspitzen jenseits von zehn Gigawatt führen kann. Die zufällige Phase und Amplitude des ursprünglichen Schrotrauschens beschränken jedoch die longitudinale Kohärenz. Dies führt zu mäßigen bis starken Fluktuationen zwischen verschiedenen Pulsen, sowohl spektral als auch zeitlich. Der Einsatz von Oszillatoren wiederum ist auf Wellenlängen oberhalb von 100 Nanometern und damit auf den ultravioletten Bereich beschränkt, da darunter keine ausreichend reflektierenden Spiegel verfügbar sind.

Eine höhere zeitliche Kohärenz versprechen sich Wissenschaftler von einem geseedeten Aufbau, bei dem ein Seed-Laser mit vergleichsweise langer Wellenlänge zunächst seine kohärenten Eigenschaften auf deutlich höherfrequente Pulse überträgt. Solche Frequenzvervielfachungen zu Höheren Harmonischen sind in der Lage, im Vergleich zu selbstverstärkenden spontan emittierten Laserpulsen verbesserte Ausgangsleistungen und Wellenlängenstabilität zu gewährleisten. Zugleich zeigen Experimente eine reduzierte spektrale Linienbreite und eine deutlich größere longitudinale Kohärenzlänge, die ähnlich groß werden kann wie die des ursprünglichen Seeds.

Um diese Vorteile bis hinunter zu kleinen Wellenlängen im weichen Röntgenbereich ausnutzen zu können, hatten die Triester Forscher eine zweistufige Anordnung gewählt. Zunächst traten die Elektronen in der ersten Stufe in einen linear polarisierten Modulator ein, wo sie mit dem Seed-Laser wechselwirkten. Dies war ein Titan-Saphir-Laser mit einer Wellenlänge von 260 Nanometern und 100 Megawatt Leistung. Danach sorgte eine Dispersionssektion für die kohärente Phasenfokussierung. Den Abschluss der ersten Stufe bildeten dann zwei zirkular polarisierte Radiatoren, deren verstärkter Ausgangspuls die zweite Stufe befeuerte. Diese glich vom prinzipiellen Aufbau her der ersten. Jedoch besaß sie bis zu sechs Radiatoren. Wie die Forscher feststellten, stieg die Ausgangsleistung der zweiten Stufe praktisch exponentiell mit der Anzahl der Radiatoren, bevor Sättigung eintrat.

Ein besonderer Trick der Anordnung bestand im Einbau einer kurzen Verzögerungsleitung hinter der ersten Stufe, die den Elektronenpuls gegenüber dem Lasersignal zeitlich nach hinten versetzte. Dadurch traf dieser in der zweiten Stufe auf den vorderen, noch ursprünglichen Teil des Laserpulses und konnte so ungestört von der Beeinflussung in der ersten Stufe Energie von ihm aufnehmen. Mit diesem „fresh bunch“ genannten Kniff lässt sich in beiden Stufen bei der Frequenzvervielfachung in die Sättigung eintreten.

Je nach Konfiguration konnten die Forscher verschieden harte Röntgenstrahlen erzeugen. Bei einer Frequenzvervielfachung auf 32 Nanometer in der ersten und 10,8 Nanometer in der zweiten Stufe erreichten sie Pulsenergien bis zu 100 Mikrojoule. Die Spektralbreite befand sich nur einen Faktor zwei von der Grenze entfernt, die nach der Fourier-Transformation möglich ist. Mit einer anderen Anordnung gelangten sie bis hinunter zu 4,3 Nanometern. Dies entspricht immerhin der sechzigsten Harmonischen des Seed-Lasers. Die Pulsenergie bei dieser kurzen Wellenlänge betrug aber nur noch 200 Nanojoule.

Diesen Wellenlängenbereich hoffen die Forscher in Zukunft besser zugänglich zu machen, wenn die Strahlenergie von Elettra auf 1,5 Gigaelektronenvolt steigen wird. Denn bei 4,2 Nanometern liegt die Absorptionskante der K-Schale von Kohlenstoff. Dieser Bereich und darunter ist nicht nur für biochemische Strukturuntersuchungen interessant, hier liegen auch die L-Schalen vieler magnetischer Materialien. Außerdem wollen die Forscher den Titan-Saphir-Laser durch einen frei durchstimmbaren Seed-Laser ersetzen, der auf parametrischer Verstärkung beruht und somit Zugang zu einem ganzen Wellenlängenbereich ermöglicht.

Dirk Eidemüller

PH

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