Harte Röntgenstrahlung aus dem galaktischen Zentrum
Von weißen Zwergen bis zu Magnetfeldern – alle Erklärungsansätze greifen zu kurz!
Die Zentralregion unserer Milchstraße enthält eine ganze Reihe von diskreten Röntgenquellen, darunter den Supernova-Überrest Sagittarius-A-Ost. Untersuchungen der diffusen weichen Röntgenstrahlung bis zu 10 keV deuten darauf hin, dass hauptsächlich eine Population akkretierender weißer Zwerge in Doppelsystemen für diese Emission verantwortlich ist. Das Gamma- und Röntgen-Observatorium Integral hat zusätzlich eine diffuse harte Röntgenstrahlung aus dem galaktischen Zentrum nachgewiesen. Aufgrund der geringen Auflösung des Instruments von zwölf Bogenminuten – das entspricht im Mittelpunkt der Milchstraße einer Strecke von fast einhundert Lichtjahren – ist bislang unklar, ob diese Strahlung ursächlich diffus, von einer einzigen diskreten oder einer ganzen Population von Quellen stammt.
Abb.: NuSTAR-Aufnahme der Zentralregion unserer Milchstraße. Markiert sind bekannte Quellen wie der Pulsar G359.95–0.0413, der Neutronenstern „Cannonball“ und das Filament G359.97–0.03814. Sgr A* markiert die Position des supermassereichen schwarzen Lochs. (Bild: K. Perez et al. / NPG)
Kerstin Perez vom Haverford College, Pennsylvania, und ihre Kollegen berichten nun über Beobachtungen der galaktischen Zentralregion mit dem im Juni 2012 gestarteten US-amerikanischen Röntgensatelliten NuSTAR. Die Forscher richteten das Instrument in den Monaten Juli, August und Oktober 2012 für insgesamt 78 Stunden auf das Gebiet. Die Messungen zeigen erstmals eine diffuse Emission im Bereich der harten Röntgenstrahlung von 20 bis 40 keV, die ein Maximum im galaktischen Zentrum aufweist und sich in die Ebene der Milchstraße hinein erstreckt.
Das Spektrum und die Position der ausgedehnten Röntgenemission unterscheiden es deutlich von anderen, nicht aufgelösten galaktischen Röntgenquellen. Die harte Strahlung zeigt außerdem keine Korrelation mit der Radiostrahlung oder der weichen Röntgenstrahlung aus der Region – muss demnach also auch eine andere Ursache haben. Aber welche? Obwohl sich aus Spektrum, Intensität und Ausdehnung der harten Röntgenstrahlung Einschränkungen für potenzielle Quellen ergeben, bleiben eine Vielzahl möglicher Erklärungen übrig, so Perez und ihre Kollegen: Akkretierende weiße Zwerge mit starken Magnetfeldern, Millisekunden-Pulsare, vom zentralen schwarzen Loch der Milchstraße ausgehende Teilchenströme, die mit dem umgebenden Strahlungsfeld, der dichten molekularen Materie oder den dort vorhandenen Magnetfelder wechselwirken.
Doch jeder dieser Erklärungsansätze führt zu signifikanten Problemen mit den derzeitigen Vorstellungen der Sternentwicklung, der Entstehung von Doppelsternsystemen oder der Produktion von Teilchenstrahlung im galaktischen Zentrum, wie das Team erläutert. So stünde ein diffuser Ursprung durch Teilchenströme im Widerspruch zur Verteilung der Radiostrahlung aus der Zentralregion der Milchstraße. Und akkretierende weiße Zwerge als Erklärung erfordern eine tausendfach höhere Anzahl massereicher Vorgängersterne als sich aus der Verteilung der Sterne in der Umgebung der Sonne ableiten lässt. Was immer also der Ursprung der Strahlung ist, so die Forscher, diese Beobachtungen zeigen einen bislang unbekannten Prozess in der inneren Region der Galaxis.“
Rainer Kayser
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