Heikle Phase
Europas erste Expedition zum Planeten Venus steht vor dem "heikelsten Moment" der Reise.
Darmstadt (dpa) - Nach einer 400 Millionen Kilometer langen Reise durch das Weltall steht der ersten europäische Expedition zur Erforschung der Venus der heikelste Moment noch bevor: Am Dienstag (11. April) wird die Raumsonde «Venus Express» der Europäischen Weltraumagentur ESA in die Umlaufbahn des wolkenverhangenen, höllisch heißen Planeten einschwenken.
Im Europäischen Raumflugkontrollzentrum (ESOC) in Darmstadt laufen die Vorbereitungen auf diesen kritischen Moment auf Hochtouren. Denn mit einer Reihe von ferngesteuerten Aktionen, Triebwerkzündungen und Manövern muss die Sonde im richtigen Augenblick abgebremst werden. Sonst kann die Schwerkraft der Venus sie nicht einfangen, der «Venus Express» würde mit 29 000 Stundenkilometern auf den Planeten zurasen und zerschellen, sagt ESOC-Sprecherin Jocelyne Landeau.
Gelingt das Bremsmanöver nur teilweise, könnte die 1,2 Tonnen schwere Sonde über den zweiten Planten des Sonnensystems hinausschießen. Damit wäre die Expedition zwar nicht gescheitert, aber den Europäern ginge viel Zeit verloren: Die Kontrolle über den «Venus Express» würde unterbrochen und die Sonde würde über die natürliche physikalische Bewegung erst 2010 zurück zur Venus kommen. «Das ist eine Rückfalloption. Allerdings ist dabei zu befürchten, dass die Instrumente durch die Nähe zur Sonne ausfallen könnten», sagt Landeau.
An solche Horrorszenarien glaubt im Kontrollzentrum freilich niemand. Optimismus ist Pflicht, denn die wissenschaftliche Arbeit des 220 Millionen Euro teuren Prestigeprojektes beginnt erst, wenn der Satellit voraussichtlich Anfang Mai seine Einsatz-Flugbahn erreicht und die «Schwester der Erde» in einer Höhe von mindestens 250 und maximal 66 000 Kilometern über den Polen umkreist. Eine Landung auf dem rund 400 Grad Celsius heißen Planeten ist nicht geplant. Zuletzt hatte eine US-amerikanische Expedition vor 16 Jahren die Venus besucht.
ESA-Generaldirektor Jean-Jacques Dordain hatte bereits vor dem Start der Sonde die «großen Erwartungen» an die Mission betont. Um die Entwicklung des Klimas auf der Erde zu verstehen, gelte es, die allgemeinen Mechanismen von Planetenatmosphären zu entschlüsseln. Die Venus sei in diesem Zusammenhang von großem Interesse, weil sie und die Erde einmal große Ähnlichkeit aufgewiesen hätten. Im Laufe der vergangenen 4,6 Milliarden Jahre verwandelte sich die Venus allerdings in eine lebensfeindliche Hölle mit hohen Temperaturen, einem hohen Atmosphärendruck, einem erstickenden Treibhauseffekt und orkanartigen Stürmen, die unablässig über den Planten toben.
Ein Venustag dauert 243 Erdtage. Zwei Venustage soll der europäische Satellit um den heißen Planeten kreisen, der der Erde in Größe, Masse und Beschaffenheit sehr ähnlich ist. Dabei werden Daten unter anderem über Temperatur, Dichte und Zusammensetzung der Atmosphäre gesammelt. Außer dem Treibhauseffekt und den Stürmen wollen die Wissenschaftler auch das unerklärlich schwache Magnetfeld auf dem bis heute in weiten Teilen unbekannten Planeten erforschen.
Harald Schmidt, dpa
Stichwort: Die Venus - Heiß und lebensfeindlich
Der Nachbarplanet Venus ist mit einem Durchmesser von 12 100 Kilometern fast so groß wie die Erde. Anders als diese ist der sonnennähere Planet jedoch sehr lebensfeindlich. Die Oberflächentemperatur beträgt im Durchschnitt 470 Grad Celsius. Weil sie unter einer undurchsichtigen Wolkendecke liegt, bleibt die Venusoberfläche den Beobachtern auf der Erde verborgen.
Luft zum Atmen bietet die Venusatmosphäre ebenfalls nicht: Sie besteht zu 96 Prozent aus Kohlendioxid, zu 3,5 Prozent aus Stickstoff und unter anderem aus Wasser und Schwefeldioxid. Der Atmosphärendruck ist 90 Mal so hoch wie auf der Erde. Einen Mond hat die Venus auch nicht. Sie ist jedoch hübsch anzuschauen: Nach Sonne und Mond ist der Planet als so genannter Morgen- oder Abendstern oft der hellste Himmelskörper am irdischen Firmament.
Nach dem sonnennächsten Planeten Merkur ist die Venus der zweite Planet im Sonnensystem und 108 Millionen Kilometer von der Sonne entfernt. Je nachdem, wo sich Erde und Venus auf ihren Umlaufbahnen um die Sonne gerade befinden, trennen sie 41 Millionen bis 257 Millionen Kilometer voneinander. Ein Venustag dauert 243 Erdtage. Ein Venusjahr - eine Umrundung der Sonne - währt 225 Erdentage.
Weitere Infos:
«Venus Express»-Homepage:
http://www.esa.int/venusexpress