Heimlich mit der Gattin im Labor
Im neuen Rätsel von Physik in unserer Zeit geht es um viele Zufälle und nobelpreiswürdige Forschung – ohne Nobelpreisehren. Wir verlosen drei wertvolle Buchpreise.
Er wird im selben Jahr geboren, in dem die Existenz von Atomkernen experimentell nachgewiesen wird – „ein glücklicher Zufall“, stellt er später fest. In Wirklichkeit sind eine ganze Reihe anderer Zufälle viel entscheidender für seinen Weg in die Physik, der in recht unphysikalischer familiärer Umgebung seinen Anfang nimmt.
Unter seinen Vorfahren finden sich ein Rabbi und ein Kurzwarenhändler; der Vater improvisiert sich und seine Familie als selbst ernannter Sprachwissenschaftler, Ägyptologe, Teppichhändler und Abenteurer erfolgreich durch das Leben. Den ersten Weltkrieg verbringt die Familie im Exil in Ägypten, flieht dann unter abenteuerlichen Umständen nach Österreich und landet schließlich in Bayern. Hier besucht der Gesuchte die Schule. In dem Jugendlichen erwacht auch allmählich das Interesse für Elektronen und andere Elementarteilchen – weitgehend Neuland zu dieser Zeit. Er entscheidet sich für ein Studium im Zentrum der damaligen Welt der Physik: in Berlin.
Er genießt die Vorträge von Albert Einstein, Max Planck, Max von Laue, Walter Nernst, Erwin Schrödinger und vielen anderen physikalischen Größen der Zeit. Ganz nebenbei lernt er auch seine spätere Frau kennen. Doch die glückliche Zeit wird durch den Aufstieg Hitlers jäh unterbrochen. Zufall: Bei einer Erstürmung der Hörsäle durch Nazis flieht der jüdische Jungphysiker in die Bibliothek und schnappt sich dort ein populärwissenschaftliches Magazin. Er liest von der Erzeugung schweren Wassers an der Universität Berkeley und setzt die Flucht fort, eine Empfehlung Schrödingers in der Tasche und Ideen zu Forschung mit Deuterium im Kopf – bis an das Cavendish Laboratory in Cambridge.
Als Theoretiker begleitet er dort zunächst Streuexperimente mit Lithium und wechselt dann selbst ins Experimentalfach. Mit seiner Stimme, die ein Biograph mit dem „sanften Timbre einer Tenor-Klarinette“ vergleicht, und in „stets wohlgesetzten Worten“ unterbreitet er James Chadwick den Vorschlag, die Masse des Neutrons mit Hilfe der Photospaltung von Deuteron-Atomen zu messen. Die Sache gelingt. Als der Wissenschaftler danach grob die Halbwertszeit freier Neutronen abschätzt, kommt er auf etwa eine halbe Stunde (was ungefähr stimmt). Er ist schockiert. Ein Jahr später wird er promoviert.
Ein weiterer Zufall bringt ihn an die Universität von Illinois. Jetzt endlich heiratet er die Frau, die er einst in Berlin getroffen hat, und forscht gemeinsam mit ihr – allerdings nur heimlich. Offiziell ist wegen der dortigen Richtlinien eine Anstellung für beide Ehepartner an der Universität verboten. Die Untersuchung von Betastrahlen und vor allem die Erforschung von Isomeren gehören zu den Spezialgebieten des Ehepaars.
Dann greift wieder der Zufall ein und verschafft beiden eine Doppelanstellung am Forschungsreaktor in Brookhaven, dessen Betrieb der Gesuchte schließlich auch leitet, wobei er reichlich nobelpreiswürdige Forschung erlebt. Er selbst wird zwar nominiert, erhält den Preis aber nie – nicht einmal für seine Messung der Helizität des Neutrinos, eines Grundpfeilers für das Modell der schwachen Wechselwirkung.
Andreas Loos, FU Berlin
Wer war der Universalgelehrte? Schreiben Sie die Lösung auf eine Postkarte an: Physik in unserer Zeit, Wiley-VCH, Boschstraße 12, 69469 Weinheim, oder per Email an: thomas@buehrke.com. Absender nicht vergessen! Einsendeschluss ist der 15.12.2013. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen. Wir verlosen drei Exemplare des Buches Denkbar, machbar, wünschenswert von Karl Wilhelm Böddeker.