19.07.2016

Heißer Hyperschallflug

DLR und RWTH Aachen starten in Nordschweden die Forschungsrakete ROTEX-T.

Bei einem Hyper­schallflug nimmt die Oberfläche einer Rakete an der Außenseite eine extrem hohe Temperatur an. Doch wie genau verändert sich die Oberflächen­struktur bei unter­schiedlichen Luft­widerständen und mit Blick auf Wärmefluss und Beschleunigung? Diese und ähnliche Fragen wollen Wissen­schaftler und Ingenieure des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt DLR und Studierenden der RWTH Aachen im Flug­experiment ROTEX-T (ROcket Technology EXperimenT) untersuchen.

Abb.: Am 19. Juli 2016 ist ROTEX-T um 6.05 Uhr vom Raumfahrtzentrum Esrange bei Kiruna in Nordschweden gestartet. Die Rakete hat eine Höhe von rund 182 Kilometern erreicht. (Bild: G.Schmitz / RWTH)

ROTEX-T ist am 19. Juli 2016 um 6.05 Uhr Mittel­europäischer Sommerzeit erfolgreich vom Raketen­startplatz Esrange bei Kiruna in Nords­chweden gestartet. Die Nutzlast hat eine maximale Höhe von rund 182 Kilometer erreicht, ist nach einem Flug von rund sieben Minuten wieder am Boden angekommen und wurde mit einem Heli­kopter geborgen.

„Die 180 Kilogramm schwere wissenschaft­liche Nutzlast besteht aus mehr als 100 Sensoren und misst die aero­thermalen Lasten und das Struktur­verhalten während des gesamten Fluges. Temperatur-, Druck-, Wärmefluss- und Beschleu­nigungs­sensoren erfassen dabei die Flug­parameter. Die Messung der Wärme­belastung in Abhängigkeit von Geschwindig­keit, Dichte und Turbulenz­grad der Strömung ist einer der Forschungss­chwerpunkte dieses Flug­experimentes“, sagt Ali Gülhan vom DLR-Institut für Aerodynamik und Strömungs­technik in Köln.

Für das Hyper­schallflug­experiment haben die Kölner DLR-Wissen­schaftler der Abteilung Über- und Hyperschall­technologien zusammen mit Ingenieuren der Mobilen Raketen Basis (MORABA) des DLR-Raumflug­betriebs in Oberpfaffen­hofen eine zwei­stufige Rakete und die wissen­schaftliche Nutzlast entwickelt und gebaut. „Kern­element der Forschungs­rakete ist das so genannte Service­modul, das die Daten­übertragung und Zeit­steuerung der wissen­schaftlichen Experimente sicher­stellt und alle nötigen Sensoren für Beschleu­nigungs-, Drehraten- und Positions­messung enthält“, sagt Andreas Stamminger von der MORABA

Die Luft- und Raumfahrt­studierenden der RWTH Aachen haben das Projekt bei Auslegung und Instrumen­tierung stark unterstützt und werden bei der Auswertung eine wichtige Rolle spielen. „Wir wollten damit erstmals demonstrieren, dass die Studierenden zusammen mit dem DLR ein solches Projekt entwickeln und umsetzen können“, sagt Andreas Henze vom Aero­dynamischen Institut der RWTH Aachen. Das DLR Raumfahrt­management in Bonn hat die Finanzierung der Beteiligung der Studierenden für ROTEX-T übernommen.

Abb.: In der Raketenhalle auf Esrange wird die Nutzlast vorbereitet. Das Nutzlastmodul (schwarz) ist hinter der metallenen Raketenspitze zu erkennen.(Bild: DLR)

Die Zündung der ersten Raketen­stufe beschleunigte das Gesamt­system in fünf Sekunden auf 2,3-fache Schall­geschwindigkeit. Nach einer kurzen Gleitphase durch die dickeren Schichten der ab­bremsenden Erd­atmosphäre wurde die zweite Stufe gezündet und ROTEX-T erreichte mehr als fünffache Schall­geschwindigkeit. Im Anschluss flog die wissen­schaftliche Nutzlast antriebs­los bis in eine Höhe von rund 182 Kilometern weiter, bevor der Rückflug und Wieder­eintritt in die Erd­atmosphäre begann. Für die Landung war kein Fallschirm vorgesehen, stattdessen wurde die Nutzlast in einer Höhe von 15 Kilometern von der Raketen­stufe getrennt und durch Taumel­bewegungen abgebremst. Schließlich landete die Nutzlast mit den Experimenten mit einer Geschwindig­keit von etwa 95 Metern pro Sekunde in einem unbewohnten Gebiet in Nordschweden.

„Mit einer neu entwickelten Methode konnten wir die Temperatur­verteilung entlang der Motor­gehäuse schnell und genau messen“, sagt Ali Gülhan. Darüber hinaus konnten die Forscher mit Dehnungsmesss­treifen und Temperatur­sensoren Deformation und Temperatur der Finnen simultan messen. „Damit können wir die Qualität künftiger Flugexperimente verbessern“, so Gülhan weiter. Zusätzlich waren mehrere kompakte Video­kameras im Einsatz, um den Flug zu dokumentieren. Auch die Fenster und Gehäuse dieser Kameras mussten sorgfältig konstruiert werden, um die heiße Umgebung dieses Hyperschall­fluges zu überstehen.

Ein modulares Daten­erfassungs­system erfasst die Sensordaten mit unter­schiedlichen Datenraten. So wurde für ROTEX-T ein weltweit einmaliges neues System mit einer Datenrate von 2000 Kilohertz entwickelt, um die Daten der ultra­schnellen Druck­sensoren zu erfassen. Die Speicher­einheit dieses Systems wurde extra für die hohe Aufprall­geschwindigkeit der Nutzlast ausgelegt und hat die harte Landung überlebt. Die Forscher wollen anhand der Flugdaten ihre Analyse­werkzeuge für die Aerodynamik, Thermal­analyse, Flug­mechanik und Struktur­dynamik validieren und verbessern. Der Vergleich zwischen den Flug­daten und experi­mentellen Ergebnissen der Boden­anlagen ist ein weiteres Ziel des ROTEX-T-Experiments.

DLR / JOL

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