Heterogener Austausch von Quantenschlüsseln
Teststrecke verlief über zwei Kilometer im urbanen Raum der Stadt Jena.
Forschende aus Jena, Berlin, Erlangen-Nürnberg und Wessling haben erfolgreich Quantenschlüssel zwischen zwei Punkten mit einer Kombination aus Freistrahl- und Faserverbindungen unter Alltagsbedingungen ausgetauscht. Auf einer heterogenen Teststrecke in Jena erreichten sie bei Tageslicht Schlüsselübertragungsraten im Kilobit-Bereich pro Sekunde. Umgesetzt wurde das Experiment im Rahmen der QuNET-Initiative, einem vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderten Pilotprojekt zur Entwicklung hochsicherer Kommunikationssysteme basierend auf Quantentechnologien.
Mit dem Schlüsselexperiment haben die Forschenden gezeigt, wie sich mehrere quantengesicherte Punkt-zu-Punkt-Verbindungen realisieren und kombinieren lassen für zukünftige skalierbare quantensichere Netze. Dabei kombinierten sie Übertragungen von Quantenschlüsseln via Freistrahl- und Faserverbindungen. „Ein Ziel des Schlüsselexperimentes war es, den Austausch von Quantenschlüsseln in heterogenen ad-hoc Links bei Tageslicht zu demonstrieren“, erklärt Thorsten Goebel, Koordinator im QuNET Office am Fraunhofer-Institut für Angewandte Optik und Feinmechanik IOF. „Heterogen bedeutet in diesem Fall, dass wir Quantenschlüssel zwischen zwei Punkten mit einer Kombination aus Freistrahl- und Faserverbindungen austauschen zur Überbrückung von Glasfaserlücken. Und das Ganze noch dazu mit ad-hoc-Charakter, also einem möglichst schnellen Etablieren der Verbindung.“
Im konkreten Fall haben die Forschenden eine quantengesicherte Verbindung auf einer knapp zwei Kilometer langen Teststrecke in Jena hergestellt. Auf dieser wurde der Quantenschlüsselaustausch in zwei Etappen umgesetzt: Los ging die Reise auf dem Dach der Stadtwerke Jena. Dort steht ein grüner Container, in dessen Bauch sich ein Teleskop zum Senden von Quantenschlüsseln befindet. Von hier fliegen Photonen, welche die Grundlage zur Generierung eines hochsicheren Quantenschlüssels bilden, zuerst über 1,7 Kilometer Luftlinie via Freistrahl hinüber zum Beutenberg Campus Jena. Dort werden sie auf dem Außengelände des Fraunhofer Instituts von einer Empfangsstation in einem weiteren Container aufgefangen. Von diesem Zwischenknotenpunkt aus wird das Signal in eine Faserverbindung eingespeist und über 300 Meter Faser an ein dem Institut benachbartes Gebäude weitergeleitet. Dort wird aus den Messungen an den Lichtteilchen schlussendlich ein Quantenschlüssel erzeugt.
Selbst für den Fall größerer Übertragungsstrecken haben die Forschenden vorgesorgt: Durch geeignete Kombination von Schlüsseln an vertrauenswürdigen Zwischenstationen entlang dieser längeren Strecken wird der Schlüsselaustausch über noch größere Distanzen möglich. „Unser Schlüsselexperiment demonstriert damit, wie es durch die Kombination mehrerer Verbindungen gelingen kann, Glasfaserlücken zu überwinden, also Strecken, die durch das Fehlen von Leitungen eine vollständig faserbasierte Übertragung unmöglich machen“, erklärt Goebel. „Ein oft genanntes Beispiel wäre hier ein Gipfeltreffen in ländlichen Regionen mit lückenhafter Glasfaserinfrastruktur.“ Doch auch natürliche Grenzen, wie die Überbrückung etwa eines Flusses, sind ein denkbares Anwendungsszenario für eine kurzzeitig herzustellende Punkt-zu-Punkt-Verbindung zwischen Sender und Empfänger.
Ein weiterer wichtiger Aspekt des Experimentes ist sein mobiler Charakter. Die beiden von den Forschenden genutzten Quanten-Container, auch QuBUSe genannt, sind grundsätzlich transportabel. Sie ließen sich also zum Beispiel mit einem Fahrzeug an einen beliebigen Ort bringen und könnten dort, je nach Bedarf, eine quantengesicherte Verbindung herstellen. Auf diese Weise lässt sich Quantenkommunikation an den vielfältigsten Orten umsetzen.
Mit ihrem Experiment erreichten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler Schlüsselgenerierungsraten im Kilobit-Bereich pro Sekunde, selbst bei direkter Mittagssonne. Auch damit erzielten die Forschenden ein wichtiges Kriterium für den praktischen Einsatz, denn intensive Sonneneinstrahlung beeinträchtigt üblicherweise den Austausch von quantenbasierten Schlüsseln. In vielen Experimenten wurden die Quantenschlüssel daher bei Nacht ausgetauscht und für die Kommunikation bei Tage vorgespeichert. Durch die Entwicklung spezieller Filter ist nun auch eine Schlüsselgenerierung bei Tage möglich.
Ein Teilaspekt dieses Experimentes war außerdem die Demonstration des hybriden Quantenschlüsselaustauschs. Dabei werden verschiedene Protokolle zum Schlüsselaustausch gleichzeitig implementiert, was somit die Agilität der entwickelten Infrastruktur, insbesondere der QuBUS-Plattform, hinsichtlich der verwendeten Protokolle aufzeigen konnte. Dies ist wichtig, da die Entwicklung des Quantenschlüsselaustauschs noch viele Erweiterungs-Möglichkeiten bietet und diese nicht durch die verwendete Infrastruktur eingeschränkt werden sollten. Somit ist auch die entwickelte Infrastruktur zukunftssicher und kann ohne größere Anpassungen für beliebige Protokolle des Quantenschlüsselaustauschs verwendet werden. Hierfür wurden auch Protokolle für den Quantenschlüsselaustausch erprobt, die anstatt einzelner Lichtteilchen die elektrischen Felder vermessen. Die Forschenden konnten zeigen, dass dieser Ansatz, der der Technologie der klassischen Telekommunikation sehr nahekommt, selbst bei fluktuierenden Übertragungskanälen der Freistrahlverbindung bei Tageslicht für den Quantenschlüsselaustausch ohne zusätzliche Filter geeignet ist.
Das Experiment in Jena ist die zweite öffentliche Demonstration der Technologieentwicklung in der QuNET Initiative: Bereits im August 2021 hatten die QuNET-Forschenden erfolgreich eine quantengesicherte Videokonferenz zwischen zwei Bundesbehörden realisiert. Damals wurde eine Verbindung zwischen dem Bundesministerium für Bildung und Forschung und dem Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik umgesetzt.
Fh.-IOF / JOL