01.08.2023

Heterogener Austausch von Quantenschlüsseln

Teststrecke verlief über zwei Kilometer im urbanen Raum der Stadt Jena.

Forschende aus Jena, Berlin, Erlangen-Nürnberg und Wessling haben erfolgreich Quanten­schlüssel zwischen zwei Punkten mit einer Kombination aus Freistrahl- und Faser­verbindungen unter Alltags­bedingungen ausgetauscht. Auf einer heterogenen Teststrecke in Jena erreichten sie bei Tageslicht Schlüssel­übertragungsraten im Kilobit-Bereich pro Sekunde. Umgesetzt wurde das Experiment im Rahmen der QuNET-Initiative, einem vom Bundes­ministerium für Bildung und Forschung geförderten Pilotprojekt zur Entwicklung hochsicherer Kommunikations­systeme basierend auf Quantentechnologien.

Abb.: Auf dem Dach des QuBUS, der auf dem Gelände des Fraunhofer IOF steht,...
Abb.: Auf dem Dach des QuBUS, der auf dem Gelände des Fraunhofer IOF steht, empfindet sich die Einheit zum Empfang der Quantenschlüssel, die via Freistrahllink von den Stadtwerken Jena geschickt werden. (Bild: Fh.-IOF)

Mit dem Schlüssel­experiment haben die Forschenden gezeigt, wie sich mehrere quantengesicherte Punkt-zu-Punkt-Verbindungen realisieren und kombinieren lassen für zukünftige skalierbare quanten­sichere Netze. Dabei kombinierten sie Übertragungen von Quanten­schlüsseln via Freistrahl- und Faserverbindungen. „Ein Ziel des Schlüssel­experimentes war es, den Austausch von Quanten­schlüsseln in heterogenen ad-hoc Links bei Tageslicht zu demonstrieren“, erklärt Thorsten Goebel, Koordinator im QuNET Office am Fraunhofer-Institut für Angewandte Optik und Feinmechanik IOF. „Heterogen bedeutet in diesem Fall, dass wir Quanten­schlüssel zwischen zwei Punkten mit einer Kombination aus Freistrahl- und Faser­verbindungen austauschen zur Überbrückung von Glasfaser­lücken. Und das Ganze noch dazu mit ad-hoc-Charakter, also einem möglichst schnellen Etablieren der Verbindung.“

Im konkreten Fall haben die Forschenden eine quantengesicherte Verbindung auf einer knapp zwei Kilometer langen Teststrecke in Jena hergestellt. Auf dieser wurde der Quantenschlüssel­austausch in zwei Etappen umgesetzt: Los ging die Reise auf dem Dach der Stadtwerke Jena. Dort steht ein grüner Container, in dessen Bauch sich ein Teleskop zum Senden von Quanten­schlüsseln befindet. Von hier fliegen Photonen, welche die Grundlage zur Generierung eines hochsicheren Quanten­schlüssels bilden, zuerst über 1,7 Kilometer Luftlinie via Freistrahl hinüber zum Beutenberg Campus Jena. Dort werden sie auf dem Außengelände des Fraunhofer Instituts von einer Empfangsstation in einem weiteren Container aufgefangen. Von diesem Zwischen­knotenpunkt aus wird das Signal in eine Faserverbindung eingespeist und über 300 Meter Faser an ein dem Institut benachbartes Gebäude weitergeleitet. Dort wird aus den Messungen an den Licht­teilchen schlussendlich ein Quantenschlüssel erzeugt.

Selbst für den Fall größerer Übertragungs­strecken haben die Forschenden vorgesorgt: Durch geeignete Kombination von Schlüsseln an vertrauens­würdigen Zwischenstationen entlang dieser längeren Strecken wird der Schlüsselaustausch über noch größere Distanzen möglich. „Unser Schlüssel­experiment demonstriert damit, wie es durch die Kombination mehrerer Verbindungen gelingen kann, Glasfaserlücken zu überwinden, also Strecken, die durch das Fehlen von Leitungen eine vollständig faserbasierte Übertragung unmöglich machen“, erklärt Goebel. „Ein oft genanntes Beispiel wäre hier ein Gipfeltreffen in ländlichen Regionen mit lückenhafter Glasfaser­infrastruktur.“ Doch auch natürliche Grenzen, wie die Überbrückung etwa eines Flusses, sind ein denkbares Anwendungs­szenario für eine kurzzeitig herzu­stellende Punkt-zu-Punkt-Verbindung zwischen Sender und Empfänger.

Ein weiterer wichtiger Aspekt des Experimentes ist sein mobiler Charakter. Die beiden von den Forschenden genutzten Quanten-Container, auch QuBUSe genannt, sind grundsätzlich transportabel. Sie ließen sich also zum Beispiel mit einem Fahrzeug an einen beliebigen Ort bringen und könnten dort, je nach Bedarf, eine quanten­gesicherte Verbindung herstellen. Auf diese Weise lässt sich Quanten­kommunikation an den vielfältigsten Orten umsetzen. 

Mit ihrem Experiment erreichten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler Schlüssel­generierungsraten im Kilobit-Bereich pro Sekunde, selbst bei direkter Mittagssonne. Auch damit erzielten die Forschenden ein wichtiges Kriterium für den praktischen Einsatz, denn intensive Sonnen­einstrahlung beeinträchtigt üblicherweise den Austausch von quanten­basierten Schlüsseln. In vielen Experimenten wurden die Quanten­schlüssel daher bei Nacht ausgetauscht und für die Kommunikation bei Tage vorgespeichert. Durch die Entwicklung spezieller Filter ist nun auch eine Schlüssel­generierung bei Tage möglich.

Ein Teilaspekt dieses Experimentes war außerdem die Demonstration des hybriden Quantenschlüssel­austauschs. Dabei werden verschiedene Protokolle zum Schlüsselaustausch gleichzeitig implementiert, was somit die Agilität der entwickelten Infrastruktur, insbesondere der QuBUS-Plattform, hinsichtlich der verwendeten Protokolle aufzeigen konnte. Dies ist wichtig, da die Entwicklung des Quantenschlüssel­austauschs noch viele Erweiterungs-Möglichkeiten bietet und diese nicht durch die verwendete Infrastruktur eingeschränkt werden sollten. Somit ist auch die entwickelte Infrastruktur zukunftssicher und kann ohne größere Anpassungen für beliebige Protokolle des Quantenschlüssel­austauschs verwendet werden. Hierfür wurden auch Protokolle für den Quanten­schlüsselaustausch erprobt, die anstatt einzelner Lichtteilchen die elektrischen Felder vermessen. Die Forschenden konnten zeigen, dass dieser Ansatz, der der Technologie der klassischen Telekommunikation sehr nahekommt, selbst bei fluktuierenden Übertragungskanälen der Freistrahl­verbindung bei Tageslicht für den Quantenschlüssel­austausch ohne zusätzliche Filter geeignet ist.

Das Experiment in Jena ist die zweite öffentliche Demonstration der Technologieentwicklung in der QuNET Initiative: Bereits im August 2021 hatten die QuNET-Forschenden erfolgreich eine quanten­gesicherte Videokonferenz zwischen zwei Bundesbehörden realisiert. Damals wurde eine Verbindung zwischen dem Bundes­ministerium für Bildung und Forschung und dem Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik umgesetzt.

Fh.-IOF / JOL

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