28.10.2009

High-Tech im Krebsauge

Fangschreckenkrebse sehen die zirkulare Polarisation des sichtbaren Lichts dank eines konkurrenzlosen Viertelwellenverzögerers.

Fangschreckenkrebse sehen die zirkulare Polarisation des sichtbaren Lichts dank eines konkurrenzlosen Viertelwellenverzögerers.

Die Evolution hat viele „Erfindungen“ hervorgebracht, die den Produkten der Hochtechnologie überlegen sind. Das gilt insbesondere für optische Materialien und Komponenten, da deren Strukturierung im Nanometerbereich noch immer große Schwierigkeiten bereitet – während die Natur dieses Problem längst gelöst hat. So ist das Auge des Fangschreckenkrebses Odontodactylus scyllarus mit einem Viertelwellenverzögerer ausgerüstet, der zirkular in linear polarisiertes Licht umwandelt, für den es kein künstliches Gegenstück gibt.

 

Abb.: Der Fangschreckenkrebs Odontodactylus scyllarus. (Bild: Roy Caldwell, University of California, Berkeley)

Fangschreckenkrebse können die Schwingungsrichtung von linear polarisiertem Licht wahrnehmen. Sie haben in ihren Augen zahllose Bündel aus sieben lichtempfindlichen Zellen, vor denen jeweils ein feiner Schlitz sitzt, der nur Licht einer bestimmten Polarisationsrichtung zu den Zellen durchlässt. Im vergangenen Jahr hatte man herausgefunden, dass Fangschreckenkrebse auch rechts- und linkszirkular polarisiertes Licht voneinander unterscheiden können. Dazu müssen sie zirkular polarisiertes Licht in linear polarisiertes umwandeln. Wie sie das machen, haben jetzt Nicholas Roberts von University of Bristol und seine Kollegen untersucht.

Zirkular polarisiertes Licht kann man in linear polarisiertes Licht umwandeln und umgekehrt, indem man das Licht durch einen Viertelwellenverzögerer wie etwa ein λ/4-Plättchen laufen lässt. Er verzögert die Ausbreitung einer der beiden linear polarisierten Komponenten des Lichts gegenüber der anderen so, dass sich die relative Phase der beiden Komponenten um 90 Grad ändert. Da die Phasenverschiebung, die das Licht in einem Material erfährt, von der Lichtwellenlänge abhängt, arbeiten Viertelwellenverzögerer normalerweise in einem engen Wellenlängenbereich. Das Auge des Fangschreckenkrebses hingegen kann zirkulares in lineares Licht für das ganze sichtbare Spektrum umwandeln. Es enthält somit einen nahezu perfekt achromatischen Viertelwellenverzögerer.

Wie Roberts und seine Kollegen berichten, sitzt jeweils vor den sieben gebündelten Zellen eine achte Zelle, die 150 µm lang ist und das einfallende Licht weiterleitet. Die Zellform und der relative lange Lichtweg in der Zelle sowie die nur schwach von der Wellenlänge abhängende Doppelbrechung im Zellinneren machten die achte Zelle zu einem achromatischen Viertelwellenverzögerer. Die Messungen der Forscher zeigten, dass die Umwandlung zwischen linear und zirkular polarisiertem Licht zwischen 400 nm und 700 nm nahezu perfekt war. Die Phasenverschiebung wich nur um maximal 2,7 Grad von 90 Grad ab, während Viertelwellenverzögerer aus künstlichen Nanostrukturen Abweichungen von bis zu 9,1 Grad zeigten.

Ein optimiertes Computermodell der Augenzellen hat deren hervorragende optische Eigenschaften bestätigt. Jetzt hoffen die Forscher, dass man vielleicht mit Hilfe von Flüssigkristallen einen künstlichen Viertelwellenverzögerer herstellen kann, der den im Auge des Fangschreckenkrebses gefundenen Verzögerer imitiert. Diese von der Natur inspirierte optische Komponente ließe sich z. B. in CD- und DVD-Geräten nutzen.

RAINER SCHARF

Weitere Infos:

AL

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