29.11.2004

Hilfe von oben

Raumfahrtkritiker gibt es viele. Doch der kostspielige Schritt ins All führt oft zu originellen Lösungen auf der Erde.


Hilfe von oben

Raumfahrtkritiker gibt es viele. Doch der kostspielige Schritt ins All führt oft zu originellen Lösungen auf der Erde.

Paris (dpa) - An der aufwendigen Eroberung des Weltall entzündet sich häufig Kritik. Angesichts der sozialen und ökologischen Not auf unserem Planeten fragt mancher nach dem Sinn einer Milliarden teuren Raumstation oder Expeditionen zu Mond und Mars. Mehr denn je kann allerdings nicht zuletzt Europas Raumfahrt darauf verweisen, wie sehr der Schritt ins All auch auf der Erde von Nutzen ist. Und das nicht nur durch die weiterhin steigende Zahl von Satelliten, die von der Unwetterwarnung bis zur Strahlenanalyse direkt zum Wohl des Menschen im Einsatz sind. Oftmals sind es verblüffende «Spin-Offs», also für die Erde fortentwickelte Raumfahrttechnologien, von denen die Menschen profitieren.

Nach dem schweren Erdbeben im türkischen Izmit vor fünf Jahren kam bei der Europäischen Weltraumorganisation ESA in Paris die Idee auf, mit Raumfahrttechnologie ein «SpaceHouse» (Weltraumhaus) für die Erde zu entwerfen - als superleichte, muschelförmige Plastikkonstruktion, die starken Beben und Windgeschwindigkeiten von bis zu 220 Kilometern in der Stunde standhält. Ein Prototyp soll jetzt gebaut werden, und ein solches «SpaceHouse» könnte auch die Basis der neuen deutschen Polarstation Neumayer III in der Antarktis werden.

«Viele unserer Technologien stellen originelle Lösungen für Probleme auf der Erde dar», vielleicht also auch im Bausektor, sagt Pierre Brisson, Leiter des von der ESA eigens eingerichteten Büros für Technologietransfer.

Weltraumforschung soll auch im Kampf gegen Krebs ein neues Kapitel aufschlagen. Die Technik der Astronomen, mit den Signalen von mehreren Teleskopen bei hellstem Sternenlicht noch winzige Planeten zu entdecken, wird gegenwärtig für die Krebs-Früherkennung angepasst. Niederländische Wissenschaftler nutzen bereits die Technik der Darwin-Mission der ESA, die etwa 1000 Sterne nach Planeten absuchen soll, um feinste Veränderungen in Blutgefäßen und Netzhaut aufzuspüren.

Ein späterer Nutzen in der Krebsfrüherkennung wäre nicht der erste Einsatz von Weltraumtechnik auf diesem Feld. Ein Computerprogramm für die Suche nach den Quellen von Röntgenstrahlen im tiefsten Weltall ist schon so angepasst worden, dass es Hautkrebs früh erkennen hilft.

Was bisher für saubere Luft unter anderem an Bord der russischen Raumstation MIR sorgte, kann in Krankenhäusern Pilze, Bakterien, Sporen und Viren filtern und zerstören. Beispielsweise die Erreger von Sars, Ebola und Tuberkulose sollen sich durch diesen «Plasmer» beseitigen lassen. Das System, das mit starken elektrischen Feldern und so genannten Kaltplasma-Kammern arbeitet, nutzen bereits fünf europäische Krankenhäuser für keimfreie Reinluftzonen über den Patientenbetten.

Radarsatelliten können nach Wasser für Flüchtlinge suchen, Feuer frühzeitig erkennen oder auch altertümliche Ruinen aufspüren - und möglicherweise eines Tages vor Erdbeben warnen. Doch das sind keine «Abfallprodukte» der Raumfahrt, sondern ihr Sinn und Zweck. Wenn allerdings europäische Weltraum-Argusaugen den Forschern ganz nebenbei helfen, die Wanderung gefährdeter Lederschildkröten zu verfolgen, könnten diese vielleicht vor den Netzen der Tiefseefischer bewahrt werden. So findet die Raumfahrt aus dem All in den Alltag.

Hanns-Jochen Kaffsack, dpa

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