Hoch über dem Amazonas
Forschungsflugzeug HALO sammelt Klimadaten zu Aerosolen und Wolkenbildung über tropischem Regenwald.
Gewitterwolken über dem Regenwald sind ein wichtiges Element im Klimasystem. Von Anfang September bis Anfang Oktober 2014 war das vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) betriebene Forschungsflugzeug HALO in Manaus im Amazonasgebiet in Brasilien, um die Entstehung, Entwicklung und Eigenschaften von tropischen Wolken zu vermessen. Mit der Mission ACRIDICON (Aerosol, Cloud, Precipitation and Radiation Interactions and Dynamics of Convective Cloud Systems) wollen die Forscher die mikrophysikalischen Vorgänge in den Wolkentürmen genauer verstehen, die für ihre Klimawirkung bestimmend sind. Zudem untersuchen die Forscher, wie Spurenstoffe durch hochreichende Wolken nach oben transportiert werden und wie Brandrodungen die Wolkeneigenschaften und den Niederschlag beeinflussen.
Abb.: Blick aus dem Cockpit von HALO (Bild: DLR)
Die wissenschaftliche Leitung der Messflüge lag beim Max-Planck-Institut für Chemie (MPIC) und der Universität Leipzig. Insgesamt sind an der HALO-Flugkampagne 23 wissenschaftliche Institutionen beteiligt. Das Forschungsflugzeug HALO ist eine Gemeinschaftsinitiative deutscher Umwelt- und Klimaforschungseinrichtungen. „Das DLR war bei der Mission mit umfangreichen Spurengas-, Aerosol- und Eispartikelmessungen beteiligt“, sagt Hans Schlager vom DLR-Institut für Physik der Atmosphäre, der das DLR-Forschungsteam in Brasilien leitete. „Der Schwerpunkt der Forschungsarbeiten des DLR liegt in der Untersuchung des Transports und der Prozessierung von Spurengasen und Aerosolen in den Wolken sowie der Neubildung von Partikeln.“ Beispielsweise können sich neue Aerosole in den am Oberrand von Gewittern ausströmenden Luftmassen bilden.
Der Zeitplan der Kampagne war eng gesteckt: Abzüglich der Zeiten für die Vorbereitung einzelner Messflüge hatten die Forscher vor Ort nur 14 Flugtage zur Verfügung. Von der Brasilianischen Millionenstadt Manaus aus führten sie Messungen in den Wolken über dem Regenwald durch. Die Messflüge dauerten jeweils rund sieben Stunden. Unter anderem haben die Forscher untersucht, wie sich Wolken in sauberer Urwaldluft von denen in verschmutzten und entwaldeten Regionen unterscheiden. Bei den Vegetationsbränden im Amazonasgebiet entstehen große Mengen an Rauchpartikeln, die hoch in die Atmosphäre steigen und dort die Wolkenbildung und Wolkeneigenschaften beeinflussen. Erste Analysen zeigen, dass verschmutzte Wolken eine höhere Konzentration von Wassertröpfchen, dafür aber kleinere Wassertröpfchen als saubere Wolken enthalten.
Forschungsflüge nahe großer Gewitterzellen, die teilweise auch in größere Wolkenformationen hineinführen, sind für die Testpiloten des DLR ein nicht ganz alltägliches Handwerk. „Die ACRIDICON Messflüge waren die bisher komplexesten Flugabläufe für HALO“, sagt DLR-Testpilot Steffen Gemsa. „Fliegerisch besonders anspruchsvoll waren für uns die wiederholten Durchflüge von Quellwolken und von Ausflussgebieten hochreichender tropischer Gewitterwolken.“ Fünf verschiedene wissenschaftliche Flugmuster flogen die Piloten mit HALO von niedrigen Flughöhen über dem brasilianischen Regenwald bis zu Flughöhen von etwa 15 Kilometer Höhe. Bei den Forschungsflügen in Brasilien überstrich HALO regelmäßig einen Bereich der Atmosphärentemperatur von rund 100 Grad Celsius. Während es am Boden oft über 35 Grad Celsius heiß wurde, herrschen in der oberen Troposphäre etwa minus 65 Grad Celsius.
Für die Wissenschaftler war die Forschungskampagne ACRIDICON eine einmalige Gelegenheit, umfassende Flugzeugmessungen über dem brasilianischen Regenwald durchzuführen. „Die Messflugkampagne hat reichlich Daten geliefert, um die Einflüsse von Aerosolen und Wolken auf das Klima besser zu verstehen“, sagt Meinrat O. Andreae vom MPIC, der gemeinsam mit Ulrich Pöschl vom MPIC und Manfred Wendisch vom Institut für Meterologie der Universität Leipzig die Mission leitete. Detaillierte Ergebnisse der Mission werden nun von zahlreichen Wissenschaftlern der beteiligten Institute erarbeitet.
DLR / DE