03.07.2013

Hochenergetische Verwandtschaft

Röntgenflares zeigen überraschende statistische Gemeinsamkeiten mit Gammastrahlen-Ausbrüchen.

Obwohl Gammastrahlen-Ausbrüche zu den energiereichsten Phänomenen im Kosmos gehören, ist ihr Ursprung noch schlecht verstanden. Astronomen teilen sie üblicherweise in zwei Klassen ein. Es gibt sowohl sehr kurze Ausbrüche mit rund zwei Sekunden Dauer und einem harten Energiespektrum als auch längerlebige mit einem weicheren Spektrum, die etliche Minuten andauern können. Forscher vermuten, dass die Verschmelzung zweier Neutronensterne der Auslöser für kurze Gammastrahlen-Ausbrüche sein könnte, während die langen gleichsam der Todesschrei ausgebrannter Sterne sein könnten, deren Inneres zu einem Pulsar oder Schwarzen Loch kollabiert und dabei einen scharf gebündelten Jet aus relativistischem Material durch die Sternenhülle jagt.

Abb.: Die Energieverteilungen von solaren Röntgenflares (links) und denen von Gammastrahlen-Ausbrüchen (rechts) zeigen beide ein Verhalten, das einem Potenzgesetz folgt. Größter Unterschied ist der energetische Cut-off der letzteren jenseits von 1052 erg. (Bild: F. Y. Wang, Z. G. Dai / NPG)

 

Rund die Hälfte aller Gammastrahlen-Ausbrüche wird von intensiven Röntgenflares begleitet. Wie insbesondere die Daten des Gammastrahlensatellits Swift zeigen, folgt die Röntgenstrahlung der Gammaaktivität mit einem variablen Zeitversatz, der von wenigen Sekunden bis hin zu Tagen reichen kann. Anstieg und Abfall der Röntgenintensität geschehen meist schnell. Die Röntgenstrahlung kann große Mengen an Energie transportieren, die einige Promille bis Prozent der freigesetzten Gesamtenergie ausmacht.

Röntgenflares unserer Sonne sind energetisch gesehen zwar um rund zwanzig Größenordnungen unterhalb solcher Ausbrüche. Sie sind aber sehr viel besser erforscht. Ihre Ursache liegt nach Ansicht der meisten Astronomen in der magnetischen Rekonnexion von Feldlinien im Sonnenplasma. Da Swift über acht Jahre lang Gammastrahlen-Ausbrüche untersucht hat, sind mittlerweile genügend Daten vorhanden, um deren Röntgenflares mit solaren Ereignissen vergleichen zu können. Die Astronomen Wang und Dai von der Universität Nanjing haben deshalb die umgesetzte Energie, die Dauer und die Wartezeit zwischen Massefreisetzung und Einsetzen der Röntgenstrahlung bei beiden Arten von Phänomenen miteinander verglichen und statistisch modelliert. Dabei sind sie zu dem Ergebnis gekommen, dass in beiden Fällen überraschende Gemeinsamkeiten auftreten, dass aber die Dimensionalität des verursachenden Ereignisses bei Gammastrahlen-Ausbrüchen geringer ist als bei Röntgenflares der Sonne.

Die beiden Forscher analysierten für ihre Untersuchung solare Daten des noch aktiven Weltraumteleskops Reuven Ramaty High Energy Solar Spectroscopic Imager (RHESSI) sowie des Hard X-Ray Burst Spectrometer (HXRBS), das sich an Bord des Satelliten Solar Maximum Mission befand und mit dem es 1989 in der Erdatmosphäre verglühte. Die 11.595 RHESSI- und 2787 HXRBS-Ereignisse zeigten ein Verhalten, das einem Potenzgesetz folgt, wobei der Exponent zwischen 1,53 und 1,65 lag. Bei Gammastrahlen-Ausbrüchen lag der Exponent hingegen bei 1,06 mit etwas höheren statistischen Schwankungen, da die Forscher nur Daten von 83 Ereignissen hatten. Von diesen gehörten neun zu den kurzen und 74 zu den langsamen Ausbrüchen.

Die Forscher mussten sich bei der Analyse auf solche Ausbrüche beschränken, deren Rotverschiebung bekannt war. Nur in diesen Fällen konnten sie die nötigen relativistischen Korrekturen anbringen. Im Gegensatz zu den solaren Flares folgten die Gamma-assoziierten Ereignisse nicht allein einem Potenzgesetz, sondern zeigten zusätzlich einen Cut-off bei sehr hohen Energien. Bei der Dauer und der Wartezeit zeigten sich ebenfalls überraschende Ähnlichkeiten. Solare Flares mit mindestens zwei Stunden Zeitversatz und Gamma-assoziierte Flares mit mindesten zwanzig Sekunden Zeitversatz gehorchten ebenfalls einem Potenzgesetz mit ähnlichen Exponenten, auch wenn die absoluten Größen sich deutlich unterschieden – wie es aufgrund der um Größenordnungen verschiedenen Phänomene auch zu erwarten war.

Um die Daten und die ermittelten Exponenten vergleichen zu können, entwickelten die Forscher ein abstraktes statistisches Modell, das auf selbst-organisierter Kritikalität basierte. Solche Modelle eignen sich etwa, um unbekannte Subsysteme zu beschreiben, die miteinander wechselwirken, bis sich ihre Zustandsgrößen durch kleine Störungen lawinenhaft verstärken können. Magnetische Rekonnexion ist ein Beispiel für solche selbstorganisierten Prozesse. Diese Art von Analyse erlaubt Rückschlüsse auf die Dimensionalität der verursachenden Phänomene.

Den Ergebnissen zufolge haben solare Röntgenflares dreidimensionalen Charakter. Dies ist anhand der turbulenten Ströme im Sonnenplasma völlig plausibel. Bei Gammastrahlen-Ausbrüchen deuteten sie jedoch auf eindimensionale Ursachen hin, was starke Randbedingungen an den Erzeugungsmechanismus legt.

Möglicherweise stammt das relativistische Material, das bei solchen Ausbrüchen ausgeworfen wird, von differentiell rotierenden, ultra-magnetischen Millisekunden-Pulsaren. Die differentielle Rotation würde zum Aufbau eines poloidalen Feldes im Innern führen und das resultierende toroidale Magnetfeld wäre stark genug, um den Weg durch die Sternoberfläche zu finden, wo es zur Freisetzung von Röntgenstrahlung führt.

Die Ursache könnte aber auch in stellaren Schwarzen Löchern liegen, die sehr stark Materie akkretieren. Die Magnetfelder in deren Plasmascheiben sind vorzugsweise transversal, da die radiale Komponente stärker mit dem Radius abfällt. Dadurch haben diese Magnetfelder im Gegensatz zu den wesentlich schwächeren solaren Magnetfeldern einen sehr viel stärker eindimensionalen Charakter. Dies könnte das unterschiedliche Verhalten der Exponenten erklären.

Dirk Eidemüller

AH

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