24.01.2018

Hochgenaues atomares Gyroskop

Rubidium-basiertes Komagnetometer ermöglicht Suche nach neuer Physik.

Das Standard­modell der Materie beschreibt die elemen­taren Bausteine der Materie in erstaun­licher Präzision. Doch es gibt eine ganze Reihe von Problemen in der heutigen Teilchen­physik und Kosmo­logie, deren Lösung außerhalb des Standard­modells liegen muss. Weder die Natur der dunklen Materie und dunklen Energie, noch die geringe Stärke der Gravi­tation im Vergleich zu den anderen Natur­kräften lassen sich mit herkömm­licher Physik erklären. Da Beschleuniger­experimente bislang keine Kandidaten für neue Teilchen liefern konnten und auch die direkte Suche nach exo­tischen Teilchen noch erfolg­los geblieben ist, ruhen die Hoff­nungen vieler Forscher auf Präzisions­experimente, die verschiedene physi­kalische Para­meter durch­testen und noch dazu vergleichs­weise kosten­günstig zu rea­lisieren sind.

Abb.: Die Präzession der Helium- und Xenonatome lässt sich mit Hilfe der Rubidiumatome in erstaunlicher Präzision auslesen. (Bild: APS / A. Stonebraker)

Eine interes­sante Option liefern hier Komagneto­meter. Diese nutzen die Präzession des Kernspins von Materia­lien mit zwei unter­schiedlichen Kernspins. Ein Forscherteam um Mike Romalis von der Univer­sität Princeton hat nun ein beson­ders präzises Komagneto­meter entwickelt, das sich zudem durch eine hohe Langzeit-Stabi­lität auszeichnet und damit grund­legende Tests zu neuer Physik ermöglicht. Damit ließe sich etwa nach exo­tischen Feldern suchen, die in zahl­reichen Erwei­terungen des Standard­modells auftauchen und die etwa zu einer subtilen, aber unge­wöhnlichen Präzes­sion der Kernspins führen sollten. Da diese exo­tischen Felder im Vergleich zu den bekannten Quellen aber einen äußerst schwachen Effekt haben sollten, benötigt man Magneto­meter mit außerge­wöhnlicher Präzision zum Nachweis.

Der Aufbau der Forscher aus Princeton beruht auf einer gängigen Mischung von Edel­gasen. In den etwa murmel­großen Gasbehälter von rund 0,5 Kubikzentimeter Volumen füllten die Forscher ein Gemisch aus Helium-3 und Xenon-139. Frühere Komagneto­meter basierten ebenfalls auf dieser Mischung. Die Auslese­technik für die Präzession dieser Kernspins in einem angelegten Magnet­feld lag aller­dings außerhalb des Gasbe­hälters. Bei diesem Aufbau füllten die Wissen­schaftler aber noch ein drittes Gas, Rubidium-87, mit in den Behälter. Das Rubidium reagiert empfind­lich auf die Präzes­sion der Helium- und Xenon­kerne. Durch das Auslesen der Rubidium-Spins ließ sich ein störender Einfluss des Mess­signals auf die Helium- und Xenon­kerne deutlich verringern. Der Gasbe­hälter war mit fünf zylin­drischen Lagen aus µ-Metall abgeschirmt. Die nötigen Magnet­felder erzeug­ten ein äußerer und innerer Spulen­satz. Zur Anregung und zum Auslesen der Kern­spins waren lediglich zwei Pump-Probe-Laser erfor­derlich.

„Rubidium­atome wechsel­wirken stark mit Helium- und Xenon­spins und verstärken dadurch das Signal des Komagneto­meters“, erläutert Mike Romalis. Solche Verfahren sind auch bereits mit anderen Gasge­mischen erprobt. Den Forschern um Romalis gelang es jedoch, die Präzision der Messung anhand einer speziellen An­steuerung deutlich zu verringern. Zunächst galt es, störende Kolli­sionen zwischen den Rubidium­atomen zu verringern, indem deren Spin gleich­mäßig ausge­richtet wurde. Dies ließ sich mittels einer synchro­nisierten Reihe von Laser- und magne­tischen Pulsen bewerk­stelligen und erhöhte die Empfind­lichkeit des Aufbaus.

Außer­dem konnten die Forscher unnötige Störungen zwischen den Helium- und Xenon­spins aufgrund von Kolli­sionen mit Rubidiu­matomen mini­mieren. Hierzu entwarfen die Forscher eine kompli­zierte Folge magne­tischer Pulse, die den kombi­nierten Effekt der Rubidium­atome sowie der Magnetpulse weg­mittelte. Dies erhöhte die Präzision. Die beiden Modu­lationen ließen sich jedoch nicht simultan durch­führen, so dass die Forscher die Abfolge geschickt auf­einander abstimmen mussten.

Dank dieser Modulations­techniken gelang es, die positiven Eigen­schaften beider Puls­sequenzen zu vereinigen und gleich­zeitig die negativen Einflüsse zu mini­mieren. Auf diese Weise konnten die Forscher eine absolute Genauig­keit von etwa einem ppm für Frequenz­messungen und eine Frequenz­stabilität besser als sieben Nanohertz erzielen. Dank dieser hohen Präzes­sion ist die Bestimmung von außer­ordentlich schwachen Feldern möglich, die – in Abwesenheit anderer Felder – zu einer Präzessions­periode von mehr als vier Jahren führen würden.

Das neue Komagneto­meter eignet sich nicht nur zur Suche nach neuer Physik. Es ist auch ein sehr empfind­liches – wenngleich derzeit noch nicht allzu mobiles – Gyroskop. Mit ihrem Aufbau konnten die Forscher unter anderem die Rotation der Erde messen, ohne die Orien­tierung des experimen­tellen Aufbaus drehen zu müssen. Bei früheren Experi­menten war dies noch nötig gewesen, um eine Modu­lation des Mess­signals zu erhalten.

In Zukunft könnte man so auch Dreh­momente gravi­tativen Ursprungs bestimmen, die in der bisherigen Theorie der Schwerkraft nicht enthalten sind und etwa die Lorentz-Invarianz testen. Möglich ist auch die Suche nach langreich­weitigen Spin-Wechsel­wirkungen oder nach perma­nenten Dipol-Momenten, wie sie etwa zur Erklärung der Materie-Antimaterie-Asymmetrie im Universum vorge­schlagen sind. Für diese Zwecke bringt das Gyroskop bereits eine sehr gute Langzeit-Stabi­lität mit – die Forscher sehen hier aber durchaus noch Ver­besserungs­möglich­keiten.

In Zukunft wollen die Wissen­schaftler ihren Aufbau noch weiter minia­turisieren und stärker inte­grieren, um den Einsatz als Gyroskop zu ermög­lichen. Da der Aufbau nur ein kleines Gas­volumen umfasst und nur zwei Laser enthält, die nicht viel Leistung benötigen, ließe sich mit einigen tech­nischen Verbes­serungen eventuell ein hoch­präzises Gyroskop für viel­fältige Anwend­ungen entwickeln.

Dirk Eidemüller

JOL

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