Hochgenaues atomares Gyroskop
Rubidium-basiertes Komagnetometer ermöglicht Suche nach neuer Physik.
Das Standardmodell der Materie beschreibt die elementaren Bausteine der Materie in erstaunlicher Präzision. Doch es gibt eine ganze Reihe von Problemen in der heutigen Teilchenphysik und Kosmologie, deren Lösung außerhalb des Standardmodells liegen muss. Weder die Natur der dunklen Materie und dunklen Energie, noch die geringe Stärke der Gravitation im Vergleich zu den anderen Naturkräften lassen sich mit herkömmlicher Physik erklären. Da Beschleunigerexperimente bislang keine Kandidaten für neue Teilchen liefern konnten und auch die direkte Suche nach exotischen Teilchen noch erfolglos geblieben ist, ruhen die Hoffnungen vieler Forscher auf Präzisionsexperimente, die verschiedene physikalische Parameter durchtesten und noch dazu vergleichsweise kostengünstig zu realisieren sind.
Abb.: Die Präzession der Helium- und Xenonatome lässt sich mit Hilfe der Rubidiumatome in erstaunlicher Präzision auslesen. (Bild: APS / A. Stonebraker)
Eine interessante Option liefern hier Komagnetometer. Diese nutzen die Präzession des Kernspins von Materialien mit zwei unterschiedlichen Kernspins. Ein Forscherteam um Mike Romalis von der Universität Princeton hat nun ein besonders präzises Komagnetometer entwickelt, das sich zudem durch eine hohe Langzeit-Stabilität auszeichnet und damit grundlegende Tests zu neuer Physik ermöglicht. Damit ließe sich etwa nach exotischen Feldern suchen, die in zahlreichen Erweiterungen des Standardmodells auftauchen und die etwa zu einer subtilen, aber ungewöhnlichen Präzession der Kernspins führen sollten. Da diese exotischen Felder im Vergleich zu den bekannten Quellen aber einen äußerst schwachen Effekt haben sollten, benötigt man Magnetometer mit außergewöhnlicher Präzision zum Nachweis.
Der Aufbau der Forscher aus Princeton beruht auf einer gängigen Mischung von Edelgasen. In den etwa murmelgroßen Gasbehälter von rund 0,5 Kubikzentimeter Volumen füllten die Forscher ein Gemisch aus Helium-3 und Xenon-139. Frühere Komagnetometer basierten ebenfalls auf dieser Mischung. Die Auslesetechnik für die Präzession dieser Kernspins in einem angelegten Magnetfeld lag allerdings außerhalb des Gasbehälters. Bei diesem Aufbau füllten die Wissenschaftler aber noch ein drittes Gas, Rubidium-87, mit in den Behälter. Das Rubidium reagiert empfindlich auf die Präzession der Helium- und Xenonkerne. Durch das Auslesen der Rubidium-Spins ließ sich ein störender Einfluss des Messsignals auf die Helium- und Xenonkerne deutlich verringern. Der Gasbehälter war mit fünf zylindrischen Lagen aus µ-Metall abgeschirmt. Die nötigen Magnetfelder erzeugten ein äußerer und innerer Spulensatz. Zur Anregung und zum Auslesen der Kernspins waren lediglich zwei Pump-Probe-Laser erforderlich.
„Rubidiumatome wechselwirken stark mit Helium- und Xenonspins und verstärken dadurch das Signal des Komagnetometers“, erläutert Mike Romalis. Solche Verfahren sind auch bereits mit anderen Gasgemischen erprobt. Den Forschern um Romalis gelang es jedoch, die Präzision der Messung anhand einer speziellen Ansteuerung deutlich zu verringern. Zunächst galt es, störende Kollisionen zwischen den Rubidiumatomen zu verringern, indem deren Spin gleichmäßig ausgerichtet wurde. Dies ließ sich mittels einer synchronisierten Reihe von Laser- und magnetischen Pulsen bewerkstelligen und erhöhte die Empfindlichkeit des Aufbaus.
Außerdem konnten die Forscher unnötige Störungen zwischen den Helium- und Xenonspins aufgrund von Kollisionen mit Rubidiumatomen minimieren. Hierzu entwarfen die Forscher eine komplizierte Folge magnetischer Pulse, die den kombinierten Effekt der Rubidiumatome sowie der Magnetpulse wegmittelte. Dies erhöhte die Präzision. Die beiden Modulationen ließen sich jedoch nicht simultan durchführen, so dass die Forscher die Abfolge geschickt aufeinander abstimmen mussten.
Dank dieser Modulationstechniken gelang es, die positiven Eigenschaften beider Pulssequenzen zu vereinigen und gleichzeitig die negativen Einflüsse zu minimieren. Auf diese Weise konnten die Forscher eine absolute Genauigkeit von etwa einem ppm für Frequenzmessungen und eine Frequenzstabilität besser als sieben Nanohertz erzielen. Dank dieser hohen Präzession ist die Bestimmung von außerordentlich schwachen Feldern möglich, die – in Abwesenheit anderer Felder – zu einer Präzessionsperiode von mehr als vier Jahren führen würden.
Das neue Komagnetometer eignet sich nicht nur zur Suche nach neuer Physik. Es ist auch ein sehr empfindliches – wenngleich derzeit noch nicht allzu mobiles – Gyroskop. Mit ihrem Aufbau konnten die Forscher unter anderem die Rotation der Erde messen, ohne die Orientierung des experimentellen Aufbaus drehen zu müssen. Bei früheren Experimenten war dies noch nötig gewesen, um eine Modulation des Messsignals zu erhalten.
In Zukunft könnte man so auch Drehmomente gravitativen Ursprungs bestimmen, die in der bisherigen Theorie der Schwerkraft nicht enthalten sind und etwa die Lorentz-Invarianz testen. Möglich ist auch die Suche nach langreichweitigen Spin-Wechselwirkungen oder nach permanenten Dipol-Momenten, wie sie etwa zur Erklärung der Materie-Antimaterie-Asymmetrie im Universum vorgeschlagen sind. Für diese Zwecke bringt das Gyroskop bereits eine sehr gute Langzeit-Stabilität mit – die Forscher sehen hier aber durchaus noch Verbesserungsmöglichkeiten.
In Zukunft wollen die Wissenschaftler ihren Aufbau noch weiter miniaturisieren und stärker integrieren, um den Einsatz als Gyroskop zu ermöglichen. Da der Aufbau nur ein kleines Gasvolumen umfasst und nur zwei Laser enthält, die nicht viel Leistung benötigen, ließe sich mit einigen technischen Verbesserungen eventuell ein hochpräzises Gyroskop für vielfältige Anwendungen entwickeln.
Dirk Eidemüller
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