Hochstapeln für die Wissenschaft
Materialwissenschaftler der Universität Jena sind mit ihrem Laser-Knowhow am Bau eines Forschungssatelliten beteiligt.
2021 – das klingt nach ferner Zukunft. Doch in der Raumfahrt ist ein Jahrzehnt nicht lang. Denn bereits jetzt sind die Arbeiten für die neue Mission Athena, die in zehn Jahren starten soll, in vollem Gange. Im Rahmen des Projekts will die Europäische Weltraumorganisation Esa ein Röntgenobservatorium ins All schießen. Ursprünglich sollte die Unternehmung mit der Nasa und der japanischen Raumfahrtagentur Jaxa zusammen stattfinden und hieß zunächst International X-Ray Observatory – kurz Ixo. Materialwissenschaftler der Friedrich-Schiller-Universität Jena tragen einen kleinen Teil zu ihrem Gelingen bei. Sie waren an Entwicklung und Bau einer wichtigen Komponente für die Produktion des Spiegelsystems maßgeblich beteiligt, das die Röntgenstrahlung aus dem All streifend auf die Detektoren lenkt.
Abb.: Aus derartigen Wafern, die mit Hilfe der an der Universität Jena entwickelten Montagevorrichtung zu Bauteilen zusammengefügt werden, ist der Röntgenspiegel aufgebaut. (Bild: J.-P. Kasper, FSU)
Der im Durchmesser etwa zwei Meter große Spiegel besteht aus einzelnen Bauelementen, die konzentrisch um den Mittelpunkt angeordnet sind. Sie sind aus dünnen, geriffelten monokristallinen Silizium-Wafern zusammengesetzt und sorgen für eine größtmögliche Oberfläche des Spiegels, denn durch die Riffelung entstehen winzige Kanäle innerhalb des optischen Bauelements. Um bei der Herstellung eines einzelnen Bauteils die Wafer exakt übereinanderzustapeln, werden sie mittels Vakuum von einem Roboter mit einem speziellen Montagewerkzeug angesaugt und genau definiert verbogen, bevor sie in einer speziellen Montageplattform zusammengefügt werden. Daran arbeiteten die Jenaer gemeinsam mit der Intelli Engineering GmbH Barleben und der niederländischen Cosine Measurement Systems.
„Wir in Jena haben uns genauer mit dem Montagewerkzeug beschäftigt, dessen Herstellung größtmögliche Präzision erfordert “, erklärt Volker Herold vom Institut für Materialwissenschaft und Werkstofftechnologie (IMT) der Universität Jena die Aufgabe. Die dafür entwickelte funktionsbestimmende Auflage besteht aus einem Folienstapel, in dem sich ein mittels Lasermaterialbearbeitung eingebrachtes System etwa 100 Mikrometer breiter Kanäle für die Vakuumansaugung befindet. Der Folienstapel dient als elastische Unterlage während der Biegung und Verbindung der Wafer. Das sensible Material würde sonst beschädigt. Um die beste Abstützung zu ermöglichen, besteht der Stapel sogar aus mehreren unterschiedlichen Folien. „Das Hauptproblem der Laserbearbeitung bestand in den unterschiedlichen Materialeigenschaften der Stapelkomponenten sowie in der geforderten hohen Genauigkeit der zu erzeugenden Kanalstrukturen“, erklärt Herolds Kollege Stephan Gräf.
Eine weitere Herausforderung war die anschließende mechanische Präzisionsbearbeitung des elastischen Folienstapels, die in mehreren Schritten ebenso die hohen Formgenauigkeitsanforderungen gewährleisten musste. Genau diese Fachkompetenz besitzen die Arbeitsgruppen Lasertechnik sowie Oberflächenbearbeitung in der Abteilung Oberflächen-und Grenzflächentechnologien des IMT, weshalb sich die Jenaer Wissenschaftler unter anderem gegen amerikanische Konkurrenten behaupten konnten.
Die Astrophysiker des Athena-Projekts wollen vor allem klären, was in der Umgebung von Schwarzen Löchern passiert und wie und warum diese wachsen. Wenn das Observatorium in zehn Jahren an den Start geht, ist irgendwie auch ein Stückchen Jena mit dabei.
FSU / OD