10.09.2018

Höhere Taktraten dank Graphen

Elektronische Signale mit Frequenzen im Terahertz-Bereich möglich.

Das Kohlenstoff­material Graphen gilt als vielver­sprechender Kandidat für die Nano­elektronik der Zukunft. Theoretisch sollte es bis zu tausendmal schnellere Taktraten erlauben als die heutige Elektronik auf Silizium-Basis. Dass Graphen tatsächlich elek­tronische Signale mit Frequenzen im Gigahertz-Bereich – was den heutigen Taktraten entspricht – extrem effizient in Signale mit einer vielfach höheren Frequenz umwandeln kann, haben Wissen­schaftler vom Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossen­dorf HZDR und von der Universität Duisburg-Essen in Zusammen­arbeit mit dem Max-Planck-Institut für Polymer­forschung nun erstmals gezeigt.

Abb.: Illustration einer Graphenschicht, die Taktraten im Terahertz-Bereich ermöglichen kann. (Bild: Juniks, HZDR)

Heutige elek­tronische Komponenten auf Silizium-Basis arbeiten mit Taktraten im Gigahertz-Bereich. Derzeit bemüht sich die Elektronik­industrie, in den Terahertz-Bereich vorzudringen, also von etwa hundert- bis tausendmal schnelleren Taktraten. Als vielver­sprechendes Material und potenzieller Nachfolger von Silizium gilt Graphen, das eine hohe elektrische Leit­fähigkeit besitzt und mit allen existierenden Elektronik­technologien kompatibel ist. Insbesondere wurde schon länger theoretisch vorhergesagt, dass Graphen ein sehr effizientes, nicht­lineares elek­tronisches Material sein könnte, das ein angelegtes elektro­magnetisches Wechselfeld besonders effizient in Felder mit viel höherer Frequenz umwandeln kann. Alle experimen­tellen Bemühungen der letzten zehn Jahre, diesen Effekt in Graphen nachzu­weisen, blieben jedoch bislang erfolglos.

„Wir konnten nun erstmals den direkten Nachweis für die Frequenzvervielfachung vom Giga- in den Terahertz-Bereich in einer Graphen-Monolage erbringen und elek­tronische Signale im Terahertz-Bereich erzeugen, und zwar mit bemerkens­werter Effizienz“, erklärt Michael Gensch, dessen Arbeitsgruppe zur Ultrakurz­zeit-Physik forscht und die neue Terahertz-Strahlungs­quelle Telbe am HZDR betreibt. Und nicht nur das: Ihren Kooperations­partnern um Dmitry Turchinovich, Experimental­physiker an der Universität Duisburg-Essen, ist es gelungen, die Messungen mit Hilfe eines einfachen, auf physi­kalischen Grund­prinzipien der Thermo­dynamik beruhenden Modells quantitativ gut zu beschreiben.

Damit ebnen die Forscher den Weg für eine ultra­schnelle Nano­elektronik auf Graphen-Basis: „Wir konnten einen lange vorher­gesagten Effekt in Graphen nicht nur erstmals experi­mentell demons­trieren, sondern gleichzeitig quantitativ gut verstehen“, betont Turchinovich. „Wir haben vor einigen Jahren begonnen, die grund­legenden physi­kalischen Mechanismen der elek­tronischen Nicht­linearität von Graphen mit Arbeiten in meinem Labor zu untersuchen. Für den tatsäch­lichen Nachweis und die Quanti­fizierung der Frequenz­vervielfachung reichten unsere Laborlicht­quellen aber nicht aus. Dafür brauchten wir experi­mentelle Möglich­keiten, wie sie derzeit nur an der Telbe-Anlage zur Verfügung stehen“.

Gelungen ist der langersehnte experi­mentelle Nachweis mit Hilfe eines Tricks: Die Forscher verwendeten Graphen, das durch seine besondere Herstellung – genau eine Lage an Kohlenstoff­atomen ist auf einem speziellen Substrat aufge­bracht – und die Interaktion mit dem Substrat sowie der Umgebungsluft zahlreiche freie Elektronen enthält. Werden diese beweglichen Elektronen durch ein Wechselfeld angeregt, so teilen sie ihre Energie sehr schnell mit den anderen Elektronen im Graphen, die quasi wie eine erhitzte Flüssig­keit reagieren: Aus einer elek­tronischen „Flüssigkeit“ wird, bildlich gesprochen, ein elek­tronischer „Dampf“ im Graphen. Der Wechsel zwischen der „flüssigen“ und „Dampf-“Phase geschieht innerhalb von billionstel Sekunden und verursacht besonders schnelle und starke Änderungen der Leitfähigkeit. Dies ist der grund­legende Baustein für die effiziente Multi­plikation der Frequenz.

Die Wissen­schaftler verwendeten elektro­magnetische Pulse aus der Telbe-Anlage mit Frequenzen zwischen 300 und 680 Gigahertz und wandelten sie im Graphen in Pulse mit der drei-, fünf- und sieben­fachen Frequenz um, also in den Terahertz-Frequenz­bereich. „Die nicht­linearen Koeffizienten, die die Effizienz der Erzeugung dieser dritten, fünften und siebten harmonischen Frequenz beschreiben, waren dabei außergewöhnlich hoch“, erklärt Turchinovich. „Graphen ist damit womöglich das elek­tronische Material mit der höchsten Nicht­linearität, das bisher bekannt ist. Die gute Über­einstimmung der gemessenen Werte mit unserem thermo­dynamischen Modell lässt hoffen, dass wir damit auch die Eigenschaften von nano­elektronischen Bauelementen aus Graphen gut vorhersagen können.“ Mischa Bonn, Direktor am MPI-P, der auch an dieser Arbeit beteiligt war, betont: „Wir haben demonstriert, dass Elektronik auf Kohlen­stoff-Basis mit ultra­schnellen Raten enorm effizient operieren kann. Auch sind ultra­schnelle Hybrid-Bauelemente aus Graphen und traditionellen Halbleitern denkbar.“

Durchgeführt wurde das Experiment an der neuartigen, auf einem supra­leitenden Beschleuniger basierenden Terahertz-Strahlungs­quelle Telbe im Elbe-Zentrum für Hochleistungs-Strahlen­quellen des HZDR. Deren hundertfach höhere Pulsrate – im Vergleich zu laserbasierten Terahertz-Quellen – machte die zur Unter­suchung von Graphen erfor­derliche Messgenauigkeit überhaupt erst möglich. Ein im Rahmen des EU-Projekts EUcall entwickeltes Daten­verarbeitungs­verfahren erlaubt es den Forschern dabei, die Messdaten für jeden einzelnen der 100.000 Lichtpulse pro Sekunde zu verwerten. „Bei uns gibt es keine schlechten Daten“, so Gensch. „Da wir pulsaufgelöst messen können, gewinnen wir Größen­ordnungen an Messge­nauigkeit. Mess­technisch bewegen wir uns damit an der Grenze dessen, was derzeit machbar ist.“

HZDR / JOL

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