Hoffnung auf Teilchen zerstrahlt
In Kiel und Marburg wird es keine Krebstherapie mit Ionenstrahlen geben.
Während Röntgen- oder Gammastrahlen auf dem Weg zum Tumor im Gewebe schnell an Energie verlieren, gibt ein Ionenstrahl erst am Ende seiner Reichweite (Bragg-Peak) den Großteil seiner Energie ab. Dadurch lassen sich mit Ionen Tumore gezielt bestrahlen, während das umliegende Gewebe weitgehend verschont bleibt. Zudem dringen Ionen je nach Geschwindigkeit bis zu 30 Zentimeter in den Körper eines Patienten ein und erreichen somit auch tief liegende Tumore, beispielsweise im Gehirn. Erste Versuche mit Ionen hatten in den 70er-Jahren an der GSI in Darmstadt begonnen. Dort startete 1997 ein Pilotprojekt mit dem innerhalb von zehn Jahren rund 440 Patienten behandelt wurden. Die guten Heilungsraten von bis zu 90 Prozent eröffneten die Hoffnung auf einen klinischen Einsatz der Methode bei der Therapie von sehr schwierig zu behandelnden Tumoren.
Nach längeren Verzögerungen nahm Anfang November 2009 das Ionenstrahl-Therapiezentrum HIT am Heidelberger Universitätsklinikum seinen Betrieb auf, wo jährlich rund 1300 Patienten behandelt werden sollen. Die 120 Millionen Euro teure Anlage beeindruckt schon mit dem so genannten Gantry, einer aufwändigen, drei Stockwerke hohe Konstruktion die 600 Tonnen wiegt und mit riesigen Magneten den Ionenstrahl millimetergenau positioniert. Nach der Pilotanlage in Heidelberg sollte der Bau weiterer Zentren für Partikeltherapie in Marburg und Kiel folgen.
Doch in diesen beiden Städten haben sich die Hoffnungen auf eine Partikeltherapie für Krebspatienten zerschlagen. Grund dafür: Die beiden über 100 Millionen Euro teuren Anlagen rechnen sich nicht für die Betreiber, da viel weniger Patienten behandelt werden können, als für die Kostendeckung nötig wären. Im Juli hatte sich die Siemens AG gegen Zahlung von 86 Millionen Euro an die Rhön-Kliniken AG aus dem Marburger Projekt zurückgezogen und will dieses nun als reine Forschungsanlage betreiben.
Jetzt hat Siemens auch sein Engagement bei der Kieler Partikeltherapieanlage beendet. Das Uniklinikum Schleswig-Holstein (UKSH) und Siemens haben nun erklärt, den bisherigen Vertrag aufzulösen und die Arbeiten zur Errichtung einer Partikeltherapieanlage von Siemens auf Basis von Protonen und Kohlenstoffionen nicht fortzusetzen. Dafür soll das UKSH eines der modernsten und leistungsfähigsten Zentren in Deutschland zur Behandlung von Krebspatienten mit konventioneller Strahlentherapie zu Vorzugskonditionen erhalten. Die entsprechende Abteilung soll bereits ab Ende September im neu errichteten Gebäude in Kiel ihren Betrieb aufnehmen.
Die Aufbruchsstimmung bei der Partikeltherapie dürfte nun aufgrund der betriebswirtschaftlichen Schwierigkeiten einer gewissen Ernüchterung gewichen sein. Die Arbeiten an den tendenziell forschungsorientierten Anlagen im Heidelberger Ionenstrahl-Therapiezentrum werden jedoch fortgesetzt.
Alexander Pawlak