Hohe Datenraten auf hoher See
Neue Technologien zur Breitbandkommunikation auf hoher See bei schwierigen Bedingungen vermessen.
Wenn Schiffe miteinander kommunizieren, geschieht dies heute über Sprechfunk, mit Licht oder Flaggen – für die Übertragung hoher Datenmengen sind diese Wege nicht geeignet. Lediglich die kostenaufwändige Kommunikation über Satelliten würde einen hochratigeren Datenverkehr ermöglichen. „Derzeit existiert im maritimen Bereich noch keine günstige, robuste Alternative, um umfangreichere Informationen auszutauschen", sagt Projektleiter Simon Plass vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR). „Deshalb arbeiten wir an neuen digitalen Kommunikationstechnologien für den Einsatz auf See."
Abb.: Die Wissenschaftler maßen unter anderem den Einfluss von Wellen und Schiffskörpern auf die Übertragung hoher Datenraten. Beteiligt waren die „Neuwerk“ des Wasser- und Schifffahrtsamts Cuxhaven sowie die „Hermann Marwede“ der Deutschen Gesellschaft zu Rettung Schiffsbrüchiger. (Bild: DLR)
Die Übertragung von hohen Datenmengen könnte in Zukunft im Breitbandbereich erfolgen. Mit einer Messkampagne vor Helgoland hat ein Team des DLR-Instituts für Kommunikation und Navigation deshalb jetzt erstmals untersucht, wie sich die realen Bedingungen auf See auf die Übertragung von Signalen bei fünf Gigahertz auswirken. Voraussetzung dafür: eine unruhige See mit drei bis vier Meter hohen Wellen, der Seenotrettungskreuzer „Hermann Marwede" der Deutschen Gesellschaft zur Rettung Schiffsbrüchiger, das Mehrzweckschiff „Neuwerk" des Wasser- und Schifffahrtsamts Cuxhaven – und ein möglichst seefestes DLR-Team, das während der Fahrt die eingebauten Sende- und Empfangsgeräte bediente.
Die Wissenschaftler des DLR gaben den Kapitänen der beiden Schiffe verschiedene Szenarien vor, die auf der Nordsee abgefahren wurden. Dafür fuhren „Neuwerk" und „Hermann Marwede" unter anderem in nur fünfzig Metern Abstand parallel zueinander, kreuzten ihre Wege oder umfuhren auf unterschiedlichen Routen die vorgelagerte Insel „Düne". „So konnten wir nicht nur die Streuung und Reflektion der Funkwellen durch die unruhige See, sondern auch die Abschattung durch die Insel vermessen", erläutert Messkampagnen-Leiter Ronald Raulefs vom DLR-Institut für Kommunikation und Navigation. „Bisher weiß man nämlich nur sehr wenig über die Ausbreitung von Funkwellen bei hohen Frequenzen auf See." Auch Messungen vom Leuchtturm auf Helgoland zur „Hermann Marwede" auf hoher See gehörten zum Programm der Messkampagne. Dabei fuhr der Seenotrettungskreuzer auch bis zum 25 Kilometer entfernten Windpark – so konnten die Wissenschaftler auch die Streuung der Signale durch die Rotorblätter bei ihren Messungen erfassen.
Das Projekt im DLR-Forschungsverbund Maritime Sicherheit soll mit den Messungen Daten liefern, die es ermöglichen, ein Modell für die Streuung der Funkwellen im Breitbandbereich zu berechnen. „Dies ist allerdings nur der erste Schritt", betont Kampagnenleiter Ronald Raulefs. „In einem zweiten Schritt können mit diesem Modell Möglichkeiten entwickelt werden, die störenden Einflüsse zum Beispiel von Wellen bei Sende- und Empfangsgeräten zu reduzieren." Der Bedarf für eine Kommunikation von Schiff zu Schiff mit hohen Datenmengen ist da: Bei Notfällen könnten Seenotrettungskreuzer bereits auf dem Weg zum Einsatzort erste medizinische Anweisungen über Video geben. Bei Einsätzen der Bundespolizei zur See würde die Breitbandkommunikation es ermöglichen, dass deren Zugang zu umfangreicheren Datensätzen gewährleistet ist. Auch das Versenden von Informationen zur Verkehrslage wäre dann ohne Umweg über einen Satelliten möglich.
Um die gewonnenen Daten in den nächsten Monaten präzise auswerten zu können, greifen die Wissenschaftler des DLR-Instituts für Kommunikation und Navigation auch auf Radarbilder des deutschen Satelliten TerraSAR-X zu, die die Maritime Forschungsstelle Bremen des DLR geliefert hat. „Diese Aufnahmen geben einen guten Eindruck über die Wellenbewegung um Helgoland", sagt Simon Plass. Weitere Informationen zu den Wellenhöhen während der Messung erhielten die Wissenschaftler von Bojen des Bundesamts für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH). GPS-Antennen auf den Booten selbst zeichneten die genauen Positionen der Mess-Antennen auf. „Wir haben mit der Messkampagne große Datenmengen gewonnen, die uns sicherlich noch Jahre beschäftigen werden."
DLR / DE