11.07.2014

Hotspot im Großen Wagen

Telescope Array identi­fiziert Her­kunfts­region der höchst­energe­tischen kosmi­schen Strah­lung.

Im Kosmos kommt jenseits von „ultra“ kommt nur noch „extrem“: Ab Teilchenenergien von 1018 Elektronenvolt spricht man von ultra-hochenergetischer, jenseits der 5 × 1019 Elektronenvolt von extrem energiereicher kosmischer Strahlung. Woher derart energiereiche Teilchen stammen, die um Größenordnungen jenseits des mit Teilchenbeschleunigern Erreichbaren liegen, ist bislang aber völlig unbekannt; ebenso, welche Prozesse sie auf solche Energien beschleunigen. Dies liegt auch in ihrer Seltenheit: Nur einige Dutzend solcher Ereignisse im allerhöchsten bekannten Energiebereich haben Detektoren bisher aufzeichnen können. Pro Jahrhundert und Quadratkilometer trifft im Schnitt nur ein einziges extrem energiereiches Teilchen, das die Wucht eines scharf geworfenen Baseballs in sich konzentriert, auf die Erdatmosphäre. Wahrscheinlich handelt es sich bei diesen Teilchen um Protonen; manche Forscher halten aber auch Helium oder Stickstoff für mögliche Kandidaten.

Abb.: Insgesamt 523 solcher solarbetriebener Szintillationsdetektoren bilden das Telescope Array in Utah. (Bild: J. Matthews, U. Utah)

Die wenigen bekannten Ereignisse im höchsten Energiebereich ließen bislang keine Bestimmung ihres Ursprungsortes zu und zeigten eine ähnlich isotrope Verteilung wie die übliche kosmische Strahlung. Diese ist räumlich absolut gleichverteilt, weil die galaktischen und intergalaktischen Magnetfelder sie in alle Richtungen ablenken und damit jede Richtungsinformation auslöschen. Lediglich kosmische Gammastrahlung, die im Vergleich zu geladenen Teilchen aber nur einen kleinen Bruchteil ausmacht und nicht solche Energien erreicht, weist auf den Ort ihres Ursprungs hin.

Extrem energiereiche Teilchen besitzen nun den Vorzug, dass galaktische Magnetfelder sie nur sehr schwach ablenken können, weshalb sie zumindest ungefähr in die Richtung ihres Ursprung weisen. Außerdem müssen sie vergleichsweise jung sein: Da extrem energiereiche Protonen stark mit der kosmischen Hintergrundstrahlung wechselwirken, verlieren sie über Distanzen von wenigen hundert Millionen Lichtjahren einen großen Teil ihrer Energie. Dieses Greisen-Zatsepin-Kuzmin-Limit beschränkt die Herkunft dieser Teilchen auf das lokale Universum. Sie können nicht von Prozessen kurz nach dem Urknall stammen. Der Nachweis extrem energiereicher Teilchen lässt also auch Rückschlüsse auf höchstenergetische Prozesse im gegenwärtigen Universum zu.

Eine Kollaboration mit Forschern aus den USA, Japan, Südkorea, Russland und Belgien, die mit dem Telescope Array in der Steppe von Utah das größte Teilchenobservatorium auf der nördlichen Hemispäre betreibt, konnte nach fünfjähriger Suche nun einen Hotspot für die Teilchen der höchsten Kategorie präsentieren. Über diesen Zeitraum werteten die Forscher insgesamt 100.000 Ereignisse aus. Unter diesen konnten sie schließlich 72 extrem energiereiche Ereignisse oberhalb von 5,7 × 1019 Elektronenvolt ausfindig machen. Dabei stammten 19 dieser Teilchen aus einem Bereich knapp unterhalb der Deichsel des Großen Wagens. Damit kamen 26 Prozent der Teilchen aus einem Gebiet, das nur ein Sechstel des Himmels abdeckt. Statistisch überschreitet die Konzentration damit die Fünf-Sigma-Grenze; die Wahrscheinlich für eine rein zufällige Häufung von Ereignissen in diesem Gebiet geben die Forscher mit weniger als eins zu tausend an.

Zur Bestimmung der kosmischen Strahlung diente – wie mittlerweile üblich – auch beim Telescope Array ein Doppelsystem, das aus einer riesigen Matrix an Szintillationsdetektoren sowie einigen wenigen stereoskopischen Fluoreszenzdetektoren besteht. Insgesamt 523 Szintillationsdetektoren, von denen 507 für die Studie zur Verfügung standen, überdecken dabei eine Fläche von über 700 Quadratkilometern und registrieren die Sekundärteilchen der riesigen Luftschauer, die die extrem energiereichen Teilchen auslösen. Zugleich vermessen drei Fluoreszenzdetektoren die Luftschauer, indem sie die UV-Strahlung der zum Fluoreszieren angeregten Stickstoff-Moleküle in der Luft aufnehmen.

Abb.: Diese Himmelskarte zeigt den Ursprung extrem energiereicher kosmischer Strahlung, mit einem Schwerpunkt oben rechts in der Nähe des Großen Wagens. (Bild: K. Kawata, U. Tokyo)

Als Quelle für die kosmischen Basebälle kommen in der Region des Hotspots mehrere Möglichkeiten in Frage. Nicht nur befindet sich dort ein aktiver Blasar, Markarjan-421, dessen Jet in Richtung Milchstraße zeigt. Da viele Forscher vermuten, dass die gigantischen Jets aktiver galaktischer Kerne für die höchstenergetischen Teilchen verantwortlich zeichnen, wäre dies ein interessanter Kandidat. Die Region liegt auch nahe an der „supergalaktischen Ebene“. Dort hat der Virgo-Superhaufen seine größte Dichte. In der gleichen Richtung, aber etwas weiter entfernt, befindet sich auch der Coma-Galaxienhaufen, der ebenfalls als Quelle in Frage käme.

Jedenfalls stimmt die Vorzugsrichtung der beobachteten Teilchen mit der Verteilung sichtbarer Materie im Universum überein. Das spricht nicht für exotische physikalische Prozesse jenseits der Standardmodells. Um die Suche verfeinern zu können, benötigen die Forscher am Telescope Array aber eine bessere Statistik. Deshalb planen sie, ihre Detektoren weiter auseinander zu stellen und ihre Anzahl zu verdoppeln. Damit ließe sich die Fläche und auch die Ereignisrate vervierfachen. Aber auch das Pierre-Auger-Observatorium, das den Himmel der Südhalbkugel überwacht, hat Hinweise auf einen Hotspot gefunden. Falls sich dies erhärtet, gäbe es bereits zwei Quellen für die rätselhaften kosmischen Basebälle.

Dirk Eidemüller

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