Hüpfendes Hydrogel als Mikroantrieb
Elastischer Leidenfrost-Effekt als Alternative für hydropneumatische Systeme.
Vor mehr als 250 Jahren beschrieb Johann Gottlob Leidenfrost in Duisburg, wie dynamisch kochende Wassertropfen auf einer heißen Herdplatte tanzten. Dieses Alltagsphänomen beruht auf einem hauchdünnen Polster aus Wasserdampf und Kapillarwellen, die die Tropfen sogar zu oszillierenden Sternstrukturen verformen können. Nun gingen niederländische Physiker einen Schritt weiter und entdeckten einen neuen, elastischen Leidenfrost-Effekt bei flexiblen Kügelchen aus einem Hydrogel. Sie konnten nicht nur das Minuten währende von Zwitschergeräuschen begleitete Hüpfen der Kügelchen erklären, sondern sehen in dem Effekt sogar das Potenzial für einen effizienten Mikroantrieb.
Abb.: Elastischer Leidenfrost-Effekt lässt farbige Hydrogel-Kügelchen auf einer heißen Unterlage hüpfen. (Bild:S. Waitukaitis et al., Universität Leiden)
Scott Waitukaitis und seine Kollegen von der Universität Leiden konzipierten ein Experiment, mit dem sie das Hüpfen von knapp zwei Gramm schweren Kügelchen mit einer Hochgeschwindigkeitskamera verfolgten. Die etwa anderthalb Zentimeter durchmessenden und mit gefärbtem Wasser getränkten Hydrogel-Kügelchen ließen sie auf eine 215 Grad heiße Unterlage aufprallen. Diese hüpften bis zu zehn Minuten lang einige Zentimeter hoch und verursachten bei jedem Aufprall ein hochfrequentes Zwitschergeräusch.
Analog zu den tanzenden Wassertropfen waren auch für diesen elastischen Leidenfrost-Effekt kleine Mengen verdampfendes Wasser an der Unterseite der Kügelchen verantwortlich. Bei jedem Aufprall gingen etwa 150 Mikrogramm Wasser in die Dampfphase über. Der Wasserdampf verursachte in kürzester Zeit einen kleinen Überdruck, es bildete sich ein eingedellter Hohlraum an der Unterseite der Kügelchen und weiterer Wasserdampf entwich danach zu den Seiten. Dabei bildeten sich Kapillarwellen aus und die Oberfläche der Kügelchen wurde zu hochfrequenten Schwingungen mit Frequenzen von wenigen Kilohertz angeregt, die das Zwitschergeräusch verursachten.
Parallel verformte sich die elastische Kugeloberfläche. Doch dank der Flexibilität des Hydrogels wirkten elastische Rückstellkräfte und die Kügelchen nahmen wieder ihre vormals ballrunde Form an. Dadurch wurden sie einige Zentimeter in die Höhe katapultiert. Dieser Vorgang wiederholte sich innerhalb einiger Minuten bis zu eintausend Mal bis das im Hydrogel enthaltene Wasser vollständig verdampft war.
Vereinfacht wurde bei diesem Effekt die Wärme der Unterlage in mechanische Energie umgewandelt. Waitukaitis verglich diesen zyklischen Prozess mit den Abläufen in einer Dampfmaschine und konnte die wirkenden Kräfte mit einem theoretischen Modell abschätzen. Als wichtige Parameter für Sprunghöhe und Dauer des Effekts machte er neben der Temperatur der Unterlage die Größe der Kügelchen, den Wasseranteil und die Elastizität des Materials aus.
So konnte Waitukaitis nicht nur einen neuen Aspekt eines lange bekannten Alltagsphänomens schlüssig beschreiben; er sieht auch Potenzial für technische Anwendungen. Seine Idee: Über die zyklische Verformung könnten weiche, mit Wasser getränkte Materialien auch gezielt in kontrollierte Bewegungen versetzt werden. Der Physiker ist davon überzeugt, dass dies für Roboter mit weichen Komponenten als Antrieb alternativ zu bisher genutzten hydropneumatischen Systemen verwendet werden könnte. „Wir konnten zeigen, dass mit diesem neuen Effekt Hydrogele sehr effizient und schnell bewegt werden können“, sagt Waitukaitis. Aber bis zu einem steuerbaren Mikroantrieb sei noch viel Forschung nötig.
Jan Oliver Löfken
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