26.07.2017

Hüpfendes Hydrogel als Mikroantrieb

Elastischer Leidenfrost-Effekt als Alter­native für hydro­pneumatische Systeme.

Vor mehr als 250 Jahren beschrieb Johann Gottlob Leiden­frost in Duisburg, wie dynamisch kochende Wasser­tropfen auf einer heißen Herdplatte tanzten. Dieses Alltags­phänomen beruht auf einem hauchdünnen Polster aus Wasser­dampf und Kapillar­wellen, die die Tropfen sogar zu oszil­lierenden Stern­strukturen verformen können. Nun gingen nieder­ländische Physiker einen Schritt weiter und entdeckten einen neuen, elas­tischen Leiden­frost-Effekt bei flexiblen Kügelchen aus einem Hydrogel. Sie konnten nicht nur das Minuten währende von Zwitscher­geräuschen begleitete Hüpfen der Kügelchen erklären, sondern sehen in dem Effekt sogar das Potenzial für einen effi­zienten Mikro­antrieb.

Abb.: Elastischer Leidenfrost-Effekt lässt farbige Hydrogel-Kügelchen auf einer heißen Unterlage hüpfen. (Bild:S. Waitukaitis et al., Universität Leiden)

Scott Waitu­kaitis und seine Kollegen von der Univer­sität Leiden konzi­pierten ein Experiment, mit dem sie das Hüpfen von knapp zwei Gramm schweren Kügelchen mit einer Hoch­geschwindigkeits­kamera verfolgten. Die etwa andert­halb Zentimeter durch­messenden und mit gefärbtem Wasser getränkten Hydrogel-Kügelchen ließen sie auf eine 215 Grad heiße Unterlage auf­prallen. Diese hüpften bis zu zehn Minuten lang einige Zenti­meter hoch und verursachten bei jedem Aufprall ein hoch­frequentes Zwitscher­geräusch.

Analog zu den tanzenden Wasser­tropfen waren auch für diesen elas­tischen Leiden­frost-Effekt kleine Mengen verdampfendes Wasser an der Unterseite der Kügelchen verant­wortlich. Bei jedem Aufprall gingen etwa 150 Mikrogramm Wasser in die Dampfphase über. Der Wasser­dampf verursachte in kürzester Zeit einen kleinen Überdruck, es bildete sich ein einge­dellter Hohlraum an der Unterseite der Kügelchen und weiterer Wasser­dampf entwich danach zu den Seiten. Dabei bildeten sich Kapillar­wellen aus und die Oberfläche der Kügelchen wurde zu hoch­frequenten Schwin­gungen mit Frequenzen von wenigen Kilohertz angeregt, die das Zwitscher­geräusch verur­sachten.

Parallel verformte sich die elas­tische Kugel­oberfläche. Doch dank der Flexi­bilität des Hydrogels wirkten elas­tische Rückstell­kräfte und die Kügelchen nahmen wieder ihre vormals ballrunde Form an. Dadurch wurden sie einige Zentimeter in die Höhe kata­pultiert. Dieser Vorgang wieder­holte sich innerhalb einiger Minuten bis zu eintausend Mal bis das im Hydrogel enthaltene Wasser voll­ständig verdampft war.

Verein­facht wurde bei diesem Effekt die Wärme der Unterlage in mecha­nische Energie umgewandelt. Waitu­kaitis verglich diesen zyklischen Prozess mit den Abläufen in einer Dampf­maschine und konnte die wirkenden Kräfte mit einem theo­retischen Modell abschätzen. Als wichtige Parameter für Sprung­höhe und Dauer des Effekts machte er neben der Temperatur der Unter­lage die Größe der Kügelchen, den Wasser­anteil und die Elas­tizität des Materials aus.

So konnte Waitu­kaitis nicht nur einen neuen Aspekt eines lange bekannten Alltags­phänomens schlüssig beschreiben; er sieht auch Potenzial für tech­nische Anwen­dungen. Seine Idee: Über die zyklische Verformung könnten weiche, mit Wasser getränkte Materialien auch gezielt in kontrol­lierte Bewe­gungen versetzt werden. Der Physiker ist davon überzeugt, dass dies für Roboter mit weichen Kompo­nenten als Antrieb alter­nativ zu bisher genutzten hydro­pneuma­tischen Systemen verwendet werden könnte. „Wir konnten zeigen, dass mit diesem neuen Effekt Hydrogele sehr effizient und schnell bewegt werden können“, sagt Waitu­kaitis. Aber bis zu einem steuer­baren Mikro­antrieb sei noch viel Forschung nötig.

Jan Oliver Löfken

JOL

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