20.02.2019 • Astrophysik

Hunderttausende von neuen Galaxien

Astronomen veröffentlichen neue Himmelskarte mit zahlreichen zuvor unbekannten Galaxien.

Ein internationales Team von mehr als zweihundert Astronominnen und Astronomen aus 18 Ländern hat erste Karten einer Himmels­durch­musterung von bisher unerreichter Empfindlichkeit mit dem Low Frequency Array LOFAR veröffentlicht. Die Karte enthüllt Hundert­tausende unbekannter Galaxien und wirft ein neues Licht auf Forschungs­gebiete wie schwarze Löcher, inter­stellare Magnet­felder und Galaxien­haufen.  Eine Sonderausgabe der Fach­zeitschrift „Astronomy & Astrophysics“ widmet sich den ersten 26 Forschungs­arbeiten, in denen die Ergebnisse beschrieben werden.

Abb.: LOFAR sieht im Galaxienhaufen Abell 1314 Radiostrahlung (rot und rosa)...
Abb.: LOFAR sieht im Galaxienhaufen Abell 1314 Radiostrahlung (rot und rosa) von schnellen kosmischen Elektronen, die aus einem Zusammenstoß mit einem anderen Galaxienhaufen stammen. Dem unterliegenden optischen Bild ist neben der Radioemission auch heiße Gas (grau) überlagert, das mit dem Chandra-Röntgensatelliten beobachtet wurde. (Bild: A. Wilber, LOFAR Surveys Team)

LOFAR ist ein riesiges europäisches Netz von Radioteleskopen, die über ein Hoch­geschwindigkeits-Glasfaser­netz miteinander verbunden sind und deren empfangene Signale zu einem einzigen Signal kombiniert werden. Leistungs­starke Super­computer verwandeln hundert­tausend Einzel­antennen in eine virtuelle Empfangs­schüssel mit einem Durchmesser von 1900 Kilometern. LOFAR arbeitet in den bisher weitgehend unerforschten Frequenz­bereichen zwischen etwa 10 bis 80 MHz und 110 bis 240 MHz.

Mit Hilfe von LOFAR konnten die Wissenschaftler jetzt eine neue Himmelskarte erstellen. Viele der dort abgebildeten Galaxien waren bisher unbekannt, da sie extrem weit entfernt sind und ihre Radiosignale Milliarden von Lichtjahren zurücklegen müssen, um die Erde zu erreichen. Zudem ermöglichen Radiowellen kosmische Phänomene zu erforschen, die im für Menschen sichtbaren Wellen­längen­bereich nicht beobachtet werden können. 

Die Beobachtungen zeigen vor allem Strahlung aus der Umgebung von super­masse­reichen schwarzen Löchern. „Mit LOFAR wollen wir heraus­finden, welchen Einfluss die schwarzen Löcher auf die Galaxien haben, in denen sie sitzen“, sagt Marcus Brüggen von der Universität Hamburg. Außerdem wollen die Forscher  herausfinden, woher diese schwarzen Löcher kommen. Wenn Gas auf schwarze Löcher fällt, stoßen sie Jets aus, die im Radiobereich sichtbar sind. Aufgrund der bemerkens­werten Empfindlich­keit von LOFAR konnten die wissenschaft­lichen Teams jetzt zeigen, dass diese Jets in jeder riesigen Galaxie vorhanden sind und dass schwarze Löcher ständig wachsen.

Mit der von LOFAR empfangenen Radiostrahlung können die Astronomen zudem kosmische Magnetfelder messen. So haben Forscher aus Deutschland die Magnetfelder in den Halos von Galaxien vermessen. Sie konnten zeigen, dass sich auch zwischen Galaxien enorme magnetische Strukturen befinden. Damit konnten theoretische Vermutungen bestätigt werden. „LOFAR liefert Hinweise, dass der gesamte Raum zwischen den Galaxien magnetisch sein könnte“, so Rainer Beck vom MPI für Radio­astronomie.

Abb.: Die LOFAR-Station Effelsberg, aufgenommen aus fünfzig Metern Höhe....
Abb.: Die LOFAR-Station Effelsberg, aufgenommen aus fünfzig Metern Höhe. Vorne: LOFAR-Lowband-Antennen (LBA) für 10-80 MHz, hinten: LOFAR-Highband-Antennen (HBA) für 110-240 MHz. (Bild: W. Reich/MPIfR)

Durch die Verschmelzung zweier Galaxienhaufen werden Radiohalos mit einer Größe von Millionen von Lichtjahren erzeugt, wie Amanda Wilber von der Uni Hamburg erläutert: „Radiohalos werden von extrem schnellen Elementar­teilchen hervor­gerufen. Mit LOFAR können wir erforschen, welche kosmischen Beschleuniger diese Teilchen erzeugen und was diese antreibt.“ Und Matthias Hoeft von der Thüringer Landes­sternwarte Tautenburg fügt hinzu: „Wenn Galaxien­haufen verschmelzen, entstehen riesige Stoßwellen. Mit LOFAR können wir deren Radioemission aufspüren und lernen dadurch viel über das Gas am Rand der gigantischen Galaxienhaufen.“

Die Erstellung von Radio­himmels­karten mit niedriger Frequenz bedarf sowohl beträchtliche Teleskop- als auch Rechenzeit und erfordert die Analyse der Daten durch große Teams. „LOFAR produziert gigantische Datenmengen ‒ wir müssen das Äquivalent von zehn Millionen DVDs verarbeiten. Dies stellt höchste Ansprüche an Soft- und Hardware und ist nur durch ein internationales und inter­disziplinäres Team möglich“, sagt Dominik Schwarz von der Uni Bielefeld und Repräsentant Deutschlands beim Steuerungs­gremium von LOFAR.

„Wir haben in Deutschland mit dem Forschungs­zentrum Jülich zusammen­gearbeitet, um die riesigen Datenmengen effizient in qualitativ hoch­wertige Bilder umzuwandeln. Diese Bilder sind nun öffentlich und werden Astronominnen und Astronomen die Möglichkeit geben, die Entwicklung von Galaxien in bisher unerreichter Detail­genauigkeit zu untersuchen“, so Ralf-Jürgen Dettmar von der Uni Bochum.

Das Forschungszentrum Jülich beherbergt etwa  15 Petabyte an LOFAR-Daten. „Das ist fast die Hälfte aller LOFAR-Daten, eine der größten astronomischen Datensammlung der Welt. Die Verarbeitung dieser gigantischen Datensätze stellt eine große Heraus­forderung dar. Was normalerweise auf herkömmlichen Computern Jahrhunderte gebraucht hätte, konnte durch die Verwendung von innovativen Algorithmen und extrem leistungs­fähiger Computer auf ein Jahr reduziert werden.“, sagt Thomas Lippert, Instituts­leiter vom Jülich Supercomputing Centre. Jülich ist eins der drei Datenzentren des LOFAR-Projekts. Außerdem managt das Jülich Supercomputing Centre den Daten-Netzwerk­verkehr zwischen den deutschen LOFAR-Stationen und zum zentralen LOFAR-Rechner in Groningen.

Die 26 jetzt in einer Sonderausgabe von „Astronomy & Astrophysics“ veröffentlichten Arbeiten basieren auf nur etwa zwei Prozent der mit LOFAR geplanten Beobachtungen. Die Wissenschaftler wollen die gesamte nördliche Himmelskugel kartieren. Sie erwarten, dabei etwa 15 Millionen Radioquellen zu finden.

MPIfR / RK

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