Hunderttausende von neuen Galaxien
Astronomen veröffentlichen neue Himmelskarte mit zahlreichen zuvor unbekannten Galaxien.
Ein internationales Team von mehr als zweihundert Astronominnen und Astronomen aus 18 Ländern hat erste Karten einer Himmelsdurchmusterung von bisher unerreichter Empfindlichkeit mit dem Low Frequency Array LOFAR veröffentlicht. Die Karte enthüllt Hunderttausende unbekannter Galaxien und wirft ein neues Licht auf Forschungsgebiete wie schwarze Löcher, interstellare Magnetfelder und Galaxienhaufen. Eine Sonderausgabe der Fachzeitschrift „Astronomy & Astrophysics“ widmet sich den ersten 26 Forschungsarbeiten, in denen die Ergebnisse beschrieben werden.
LOFAR ist ein riesiges europäisches Netz von Radioteleskopen, die über ein Hochgeschwindigkeits-Glasfasernetz miteinander verbunden sind und deren empfangene Signale zu einem einzigen Signal kombiniert werden. Leistungsstarke Supercomputer verwandeln hunderttausend Einzelantennen in eine virtuelle Empfangsschüssel mit einem Durchmesser von 1900 Kilometern. LOFAR arbeitet in den bisher weitgehend unerforschten Frequenzbereichen zwischen etwa 10 bis 80 MHz und 110 bis 240 MHz.
Mit Hilfe von LOFAR konnten die Wissenschaftler jetzt eine neue Himmelskarte erstellen. Viele der dort abgebildeten Galaxien waren bisher unbekannt, da sie extrem weit entfernt sind und ihre Radiosignale Milliarden von Lichtjahren zurücklegen müssen, um die Erde zu erreichen. Zudem ermöglichen Radiowellen kosmische Phänomene zu erforschen, die im für Menschen sichtbaren Wellenlängenbereich nicht beobachtet werden können.
Die Beobachtungen zeigen vor allem Strahlung aus der Umgebung von supermassereichen schwarzen Löchern. „Mit LOFAR wollen wir herausfinden, welchen Einfluss die schwarzen Löcher auf die Galaxien haben, in denen sie sitzen“, sagt Marcus Brüggen von der Universität Hamburg. Außerdem wollen die Forscher herausfinden, woher diese schwarzen Löcher kommen. Wenn Gas auf schwarze Löcher fällt, stoßen sie Jets aus, die im Radiobereich sichtbar sind. Aufgrund der bemerkenswerten Empfindlichkeit von LOFAR konnten die wissenschaftlichen Teams jetzt zeigen, dass diese Jets in jeder riesigen Galaxie vorhanden sind und dass schwarze Löcher ständig wachsen.
Mit der von LOFAR empfangenen Radiostrahlung können die Astronomen zudem kosmische Magnetfelder messen. So haben Forscher aus Deutschland die Magnetfelder in den Halos von Galaxien vermessen. Sie konnten zeigen, dass sich auch zwischen Galaxien enorme magnetische Strukturen befinden. Damit konnten theoretische Vermutungen bestätigt werden. „LOFAR liefert Hinweise, dass der gesamte Raum zwischen den Galaxien magnetisch sein könnte“, so Rainer Beck vom MPI für Radioastronomie.
Durch die Verschmelzung zweier Galaxienhaufen werden Radiohalos mit einer Größe von Millionen von Lichtjahren erzeugt, wie Amanda Wilber von der Uni Hamburg erläutert: „Radiohalos werden von extrem schnellen Elementarteilchen hervorgerufen. Mit LOFAR können wir erforschen, welche kosmischen Beschleuniger diese Teilchen erzeugen und was diese antreibt.“ Und Matthias Hoeft von der Thüringer Landessternwarte Tautenburg fügt hinzu: „Wenn Galaxienhaufen verschmelzen, entstehen riesige Stoßwellen. Mit LOFAR können wir deren Radioemission aufspüren und lernen dadurch viel über das Gas am Rand der gigantischen Galaxienhaufen.“
Die Erstellung von Radiohimmelskarten mit niedriger Frequenz bedarf sowohl beträchtliche Teleskop- als auch Rechenzeit und erfordert die Analyse der Daten durch große Teams. „LOFAR produziert gigantische Datenmengen ‒ wir müssen das Äquivalent von zehn Millionen DVDs verarbeiten. Dies stellt höchste Ansprüche an Soft- und Hardware und ist nur durch ein internationales und interdisziplinäres Team möglich“, sagt Dominik Schwarz von der Uni Bielefeld und Repräsentant Deutschlands beim Steuerungsgremium von LOFAR.
„Wir haben in Deutschland mit dem Forschungszentrum Jülich zusammengearbeitet, um die riesigen Datenmengen effizient in qualitativ hochwertige Bilder umzuwandeln. Diese Bilder sind nun öffentlich und werden Astronominnen und Astronomen die Möglichkeit geben, die Entwicklung von Galaxien in bisher unerreichter Detailgenauigkeit zu untersuchen“, so Ralf-Jürgen Dettmar von der Uni Bochum.
Das Forschungszentrum Jülich beherbergt etwa 15 Petabyte an LOFAR-Daten. „Das ist fast die Hälfte aller LOFAR-Daten, eine der größten astronomischen Datensammlung der Welt. Die Verarbeitung dieser gigantischen Datensätze stellt eine große Herausforderung dar. Was normalerweise auf herkömmlichen Computern Jahrhunderte gebraucht hätte, konnte durch die Verwendung von innovativen Algorithmen und extrem leistungsfähiger Computer auf ein Jahr reduziert werden.“, sagt Thomas Lippert, Institutsleiter vom Jülich Supercomputing Centre. Jülich ist eins der drei Datenzentren des LOFAR-Projekts. Außerdem managt das Jülich Supercomputing Centre den Daten-Netzwerkverkehr zwischen den deutschen LOFAR-Stationen und zum zentralen LOFAR-Rechner in Groningen.
Die 26 jetzt in einer Sonderausgabe von „Astronomy & Astrophysics“ veröffentlichten Arbeiten basieren auf nur etwa zwei Prozent der mit LOFAR geplanten Beobachtungen. Die Wissenschaftler wollen die gesamte nördliche Himmelskugel kartieren. Sie erwarten, dabei etwa 15 Millionen Radioquellen zu finden.
MPIfR / RK
Weitere Infos
- LOFAR Surveys: a new window on the Universe, Sonderausgabe Astron. Astroph. (2019)
- LOFAR – Low Frequency Array, Dwingeloo, Niederlande