Hybride Laserpulse erzeugen gigantische Ströme
Neuer Weg zur Valleytronik und Spintronik auf ultrakurzen Zeitskalen.
Der Fluss der Materie, von makroskopischen Wasserströmen bis hin zum mikroskopischen Fluss elektrischer Ladung, bildet die Grundlage für einen Großteil der Infrastruktur der modernen Zeit. Um einen nachhaltigen Fortschritt in Bezug auf Energieeffizienz, Datenspeicherkapazität und Verarbeitungsgeschwindigkeit zu erreichen, suchen Wissenschaftler nach Möglichkeiten, den Fluss der Quantenaspekte der Materie zu kontrollieren, etwa des Spins eines Elektrons oder seines Valley-Zustands, letzteres ein neuer Quantenaspekt der Materie, der in vielen zweidimensionalen Materialien eine entscheidende Rolle spielt.
Die ultraschnelle Laserkontrolle über die grundlegenden Quantenfreiheitsgrade der Materie ist eine der größten Herausforderung bei der Entwicklung künftiger Informationstechnologien, jenseits heutiger Halbleiterelektronik. Zwei der vielversprechendsten Quantenfreiheitsgrade in dieser Hinsicht sind der Spin des Elektrons und der Valley Index, letzterer ein neuer Freiheitsgrad in zweidimensionalen Materialien, der mit dem Quasiteilchenimpuls zusammenhängt. Sowohl die Spintronik als auch die Valleytronik bieten viele potenzielle Vorteile gegenüber der klassischen Elektronik in Bezug auf die Geschwindigkeit der Datenverarbeitung und die Energieeffizienz. Während jedoch Spinanregungen durch Spin-Bahn induzierte Spinpräzession ihren Charakter verlieren, stellt die Valley-Wellenfunktion eine stabile Dateneinheit dar. Allein Übergänge in andere Valleys können die Stabilität negativ beeinflussen, eine Eigenschaft, die jedoch durch die Qualität der Probe kontrolliert werden kann. Die Valleytronik stellt somit eine robuste Plattform dar, die der klassischen Elektronik potenziell überlegen ist.
Das Herzstück künftiger Valleytronik- oder Spintronik-Technologien wird neben Quantenanregungen, die Dateneinheiten kodieren, in ihrem Transport liegen, also in der Kontrolle und Erzeugung von Valley- und Spinströmen. Während optimierten Lichtimpulsen für die ultrasschnelle und selektive Anregung von Valley-Quasiteilchen große Aufmerksamkeit gewidmet wurde, blieb die präzise Erzeugung und Kontrolle von Valley- und Spinströmen außerhalb des Bereichs der ultraschnellen Lichtkontrolle. Nun hat ein Forscherteam des Max-Born-Instituts in Berlin gezeigt, wie ein hybrider Laserpuls, ein Hahnenkamm Puls, der zwei Polarisationstypen kombiniert, die vollständige Kontrolle über ultraschnelle laserlichtinduzierte Ströme ermöglicht.
Die Kontrolle des Ladungszustands selber lässt sich durch zirkular polarisiertes Licht erreichen, bekannt als Spin-Valley-Locking der Übergangsmetall-Dichalcogenide. Dies kann als Folge einer Selektionsregel angesehen werden, die die magnetischen Quantenzahlen der d-Orbitale einbezieht. Während zirkular polarisiertes Licht die Valleyladung anregt, erzeugt es jedoch keinen Valley-Strom. Diese Situation entsteht, da für jedes Quasimoment im Valley, das angeregt wird, auch ein entsprechendes angeregt wird: Die Bloch-Geschwindigkeiten heben sich also auf und es gibt keinen Nettostrom im Valley.
Die vollständige Kontrolle über die lichtinduzierten Valleyströme, ihre Größe und Richtung, erfordert daher, über das Paradigma des Spin-Valley-Lockings hinauszugehen. Die Erzeugung eines angeregten Zustands im Valley, der zu einem Netto-Valley- und Spinstrom führt, muss daher die Überwindung der lokalen Entartung beinhalten. Da das Laser-Vektorpotenzial direkt an das Quasi-Moment des Kristalls koppelt, lässt sich ein Strom am effektivsten durch einen linear polarisierten Einzelzykluspuls mit einer Dauer erreichen, die mit der des zirkular polarisierten Pulses vergleichbar ist: ein solcher Puls liegt offensichtlich im Terahertz-Fenster von einem bis fünfzig Terahertz. Nun wurden die Eigenschaften dieser hybriden Doppelpump-Laserpulse, der Hahnenkamm-Pulse, untersucht und festgestellt, dass er die vollständige Kontrolle über die Erzeugung von Spin- und Valleystromzuständen erlaubt. Diese Hahnenpuls-Lichtform erzeugt einen beträchtlichen Reststrom. Dieser resultiert aus einer Nichtaufhebung der Bloch-Geschwindigkeiten des angeregten Quasi-Momentes, da die Verteilung der angeregten Ladung nun um genau den Polarisationsvektor des TeraHertz-Pulses vom hochsymmetrischen K-Punkt verschoben ist.
Der Wirkung dieses Pulses liegt folgendes physikalische Bild zugrunde: Ein Halbzyklus der Terahertz-Komponente des Hahnenkamm-Pulses treibt eine Intraband-Bewegung an, die Zustände zur minimalen Bandlücke treibt. An diesem Punkt regt die zirkular polarisierte Komponente diese Ladung über die Bandlücke hinweg an, wobei schließlich der zweite Halbzyklus der Terahertz-Komponente die Ladung zu ihrem ursprünglichen Impuls zurückführt. Auf diese Weise wurde die Ladung mit einem Quasi-Moment q angeregt, dessen Energieunterschied, zwischen Leitungs- und Valenzband nicht der Energie des zirkular polarisierten Lichts entspricht.
Der Polarisationsvektor der Terahertz-Lichtkomponente ist der Schlüsselparameter eines Hahnenkamm-Pulses, wobei die Polarisationsrichtung und -amplitude jeweils die Richtung und Amplitude des lichtinduzierten Stroms bestimmen. Auf diese Weise stellen solche Hahnenkamm-Pulse einen Weg zur direkten Lichtkontrolle über den gleichzeitigen Ladungs- und Stromzustand von valleyaktiven zweidimensionalen Materialien dar und bieten einen neuen Weg zur Valleytronik und Spintronik auf ultrakurzen Zeiten.
MBI / JOL