21.04.2023

Hybride Laserpulse erzeugen gigantische Ströme

Neuer Weg zur Valleytronik und Spintronik auf ultrakurzen Zeitskalen.

Der Fluss der Materie, von makro­skopischen Wasserströmen bis hin zum mikro­skopischen Fluss elektrischer Ladung, bildet die Grundlage für einen Großteil der Infrastruktur der modernen Zeit. Um einen nachhaltigen Fortschritt in Bezug auf Energie­effizienz, Datenspeicher­kapazität und Verarbeitungs­geschwindigkeit zu erreichen, suchen Wissen­schaftler nach Möglich­keiten, den Fluss der Quantenaspekte der Materie zu kontrollieren, etwa des Spins eines Elektrons oder seines Valley-Zustands, letzteres ein neuer Quantenaspekt der Materie, der in vielen zwei­dimensionalen Materialien eine entscheidende Rolle spielt.

Abb.: Schematische Darstellung der Wirkung eines Hahnenkamm-Pulses: Die...
Abb.: Schematische Darstellung der Wirkung eines Hahnenkamm-Pulses: Die Gesamt­wirkung besteht darin, die Ladung mit einem endlichen Valley-Impuls anzuregen, der durch den Polarisations­vektor des THz-Pulses bestimmt wird. (Bild: MBI)

Die ultra­schnelle Laserkontrolle über die grundlegenden Quanten­freiheitsgrade der Materie ist eine der größten Herausforderung bei der Entwicklung künftiger Informations­technologien, jenseits heutiger Halbleiter­elektronik. Zwei der vielver­sprechendsten Quanten­freiheitsgrade in dieser Hinsicht sind der Spin des Elektrons und der Valley Index, letzterer ein neuer Freiheitsgrad in zweidimen­sionalen Materialien, der mit dem Quasiteilchen­impuls zusammenhängt. Sowohl die Spintronik als auch die Valleytronik bieten viele potenzielle Vorteile gegenüber der klassischen Elektronik in Bezug auf die Geschwindigkeit der Datenverarbeitung und die Energieeffizienz. Während jedoch Spinanregungen durch Spin-Bahn induzierte Spin­präzession ihren Charakter verlieren, stellt die Valley-Wellen­funktion eine stabile Dateneinheit dar. Allein Übergänge in andere Valleys können die Stabilität negativ beeinflussen, eine Eigenschaft, die jedoch durch die Qualität der Probe kontrolliert werden kann. Die Valleytronik stellt somit eine robuste Plattform dar, die der klassischen Elektronik potenziell überlegen ist.

Das Herzstück künftiger Valleytronik- oder Spintronik-Technologien wird neben Quanten­anregungen, die Dateneinheiten kodieren, in ihrem Transport liegen, also in der Kontrolle und Erzeugung von Valley- und Spinströmen. Während optimierten Lichtimpulsen für die ultrasschnelle und selektive Anregung von Valley-Quasiteilchen große Aufmerk­samkeit gewidmet wurde, blieb die präzise Erzeugung und Kontrolle von Valley- und Spinströmen außerhalb des Bereichs der ultraschnellen Lichtkontrolle. Nun hat ein Forscherteam des Max-Born-Instituts in Berlin gezeigt, wie ein hybrider Laserpuls, ein Hahnenkamm Puls, der zwei Polarisationstypen kombiniert, die vollständige Kontrolle über ultraschnelle laserlicht­induzierte Ströme ermöglicht.

Die Kontrolle des Ladungs­zustands selber lässt sich durch zirkular polarisiertes Licht erreichen, bekannt als Spin-Valley-Locking der Übergangs­metall-Dichal­cogenide. Dies kann als Folge einer Selektions­regel angesehen werden, die die magnetischen Quantenzahlen der d-Orbitale einbezieht. Während zirkular polarisiertes Licht die Valleyladung anregt, erzeugt es jedoch keinen Valley-Strom. Diese Situation entsteht, da für jedes Quasimoment im Valley, das angeregt wird, auch ein entsprechendes angeregt wird: Die Bloch-Geschwin­digkeiten heben sich also auf und es gibt keinen Nettostrom im Valley.

Die vollständige Kontrolle über die licht­induzierten Valleyströme, ihre Größe und Richtung, erfordert daher, über das Paradigma des Spin-Valley-Lockings hinauszugehen. Die Erzeugung eines angeregten Zustands im Valley, der zu einem Netto-Valley- und Spinstrom führt, muss daher die Überwindung der lokalen Entartung beinhalten. Da das Laser-Vektorpotenzial direkt an das Quasi-Moment des Kristalls koppelt, lässt sich ein Strom am effektivsten durch einen linear polarisierten Einzel­zykluspuls mit einer Dauer erreichen, die mit der des zirkular polarisierten Pulses vergleichbar ist: ein solcher Puls liegt offensichtlich im Terahertz-Fenster von einem bis fünfzig Terahertz. Nun wurden die Eigenschaften dieser hybriden Doppelpump-Laserpulse, der Hahnenkamm-Pulse, untersucht und festgestellt, dass er die vollständige Kontrolle über die Erzeugung von Spin- und Valleystrom­zuständen erlaubt. Diese Hahnenpuls-Lichtform erzeugt einen beträchtlichen Reststrom. Dieser resultiert aus einer Nichtaufhebung der Bloch-Geschwin­digkeiten des angeregten Quasi-Momentes, da die Verteilung der angeregten Ladung nun um genau den Polarisations­vektor des TeraHertz-Pulses vom hochsymmetrischen K-Punkt verschoben ist.

Der Wirkung dieses Pulses liegt folgendes physikalische Bild zugrunde: Ein Halbzyklus der Terahertz-Komponente des Hahnenkamm-Pulses treibt eine Intra­band-Bewegung an, die Zustände zur minimalen Bandlücke treibt. An diesem Punkt regt die zirkular polari­sierte Komponente diese Ladung über die Bandlücke hinweg an, wobei schließlich der zweite Halbzyklus der Terahertz-Komponente die Ladung zu ihrem ursprünglichen Impuls zurückführt. Auf diese Weise wurde die Ladung mit einem Quasi-Moment q angeregt, dessen Energie­unterschied, zwischen Leitungs- und Valenzband nicht der Energie des zirkular polarisierten Lichts entspricht.

Der Polarisations­vektor der Terahertz-Licht­komponente ist der Schlüsselparameter eines Hahnenkamm-Pulses, wobei die Polarisations­richtung und -amplitude jeweils die Richtung und Amplitude des licht­induzierten Stroms bestimmen. Auf diese Weise stellen solche Hahnenkamm-Pulse einen Weg zur direkten Lichtkontrolle über den gleichzeitigen Ladungs- und Stromzustand von valley­aktiven zwei­dimensionalen Materialien dar und bieten einen neuen Weg zur Valleytronik und Spintronik auf ultrakurzen Zeiten.

MBI / JOL

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