09.01.2009

Im Griff der Nanolocken

Winzige Kunststoffborsten verdrillen sich selbstständig zu symmetrischen Wirbeln

 

Winzige Kunststoffborsten verdrillen sich selbstständig zu symmetrischen Wirbeln  

Cambridge (USA) – Wenn nasse Haare trocknen, ordnen sie sich häufig zu verdrillten Locken aneinander. Den gleichen Effekt beobachteten nun amerikanische Forscher bei symmetrisch angeordneten, wenige Mikrometer langen Kunststoffborsten. Wie sie in der Zeitschrift "Science" berichten, lässt sich dieser Prozess über den genauen Aufbau der Borsten und den pH-Wert einer umgebenden Flüssigkeit gut kontrollieren. In der Nanotechnologie könnten ganze Areale aus solchen mikroskopisch kleiner Borsten für eine reversible und steuerbare Anordnung von Nanopartikeln geeignet sein.

Abb.: Falschfarben-Aufnahme der über Selbstordnungsprozesse verdrillten Nanostrukturen (Bild:Joanna Aizenberg, Harvard University)

"Ähnliche Cluster-Phänomene können in der Natur an den borstigen Füßen (Tarsi) von Käfern und Spinnen beobachtet werden", schreiben Joanna Aizenberg und ihre Kollegen vom Wyss Institute an der Harvard University in Cambridge. Für den Nachbau solcher verdrillten Borstenstrukturen im Labor deponierten die Wissenschaftler auf einer  hochreinen Unterlage ganze Wälder aus vier bis neun Mikrometer langen und 300 Nanometer dünnen Borsten aus einem Epoxid-Polymer. Umgeben von einer Flüssigkeit – wahlweise Aceton, Toluol oder Alkohol-Wasser-Mischungen – richteten sie sich ohne direkten Kontakt senkrecht auf. Verdunstet die Flüssigkeit jedoch, lagern sie sich zu verdrillten Strukturen zusammen. Mit diesen "Lockenwirbeln" ließen sich sogar winzige Kügelchen aus verschiedenen Materialien festhalten.  

Mit allen Nanoborsten klappt das Verdrillen zu symmetrischen Wirbeln jedoch nicht. "Die Dynamik der Strukturen sind ein Ergebnis aus dem Zusammenspiel der Elastizität der Borsten und den Adhäsionskräften zwischen ihnen", erklären die Forscher. Sind die Borsten zu kurz oder zu steif, reichen die Haftkräfte zwischen ihnen nicht aus, um die verdrillten Strukturen zu bilden. Bei  längeren und flexibleren Mikrofasern jedoch lagern sie sich zuerst paarweise aneinander. Danach bewegen sich während der Verdunstung der umgebenden Flüssigkeit immer mehr benachbarte Borsten zueinander und bilden schließlich die verdrillten Wirbel.  

Aizenberg und Kollegen gingen diesem Selbstordnungsphänomen auch mit theoretischen Modellen genauer auf den Grund. So führt die Wechselwirkung von Oberflächenspannung und Kapillarkräften zu Beginn zu der Bildung erster Borstenpaare. Mit fortschreitender Verdunstung der Flüssigkeiten spielen zunehmend schwache van-der-Waals-Kräfte zwischen mehreren Borsten eine dominierende Rolle. Durch das Verdrillen erreicht das gesamte Borstensystem einen stabilen Zustand, in dem Adhäsions- und Elastizitätenergien ein Minimum annehmen.  

Da das Verdrillen durch die erneute Zugabe einer Flüssigkeit und über die Kontrolle des pH-Wertes rückgängig gemacht werden kann, taugen die Mikroborsten für das kontrollierbare Fixieren von winzigen Partikeln. Die Forscher sind davon überzeugt, dass mit solchen Kunststofffasern beschichtete Flächen für die Entwicklung von komplexen Lab-On-Chip-Systemen geeignet sind.  

Jan Oliver Löfken


Weitere Infos:

 

Weiterführende Literatur:  

  • J. Zhu et al., Nat. Nanotechnol. 3, 477 (2008)
  • A. E. Cohen, L. Mahadevan, Proc. Natl. Acad. Sci. U.S.A. 100, 12141 (2003)
  • J. Bico, B. Roman, L. Moulin, A. Boudaoud, Nature 432, 690 (2004)
  • H. Y. Kim, L. Mahadevan, J. Fluid Mech. 548, 141 (2006)

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