18.06.2010

Im Nachhinein ist man immer schlauer

50 Jahre Laser: Interview mit Herbert Welling.


50 Jahre Laser: Interview mit Herbert Welling.

Am 16. Mai 1960 schaltete Theodore Maiman an den Hughes Research Laboratories im kalifornischen Culver City den ersten funktionierenden Laser ein [1]. Mit seinem Rubinlaser hatte er alle anderen Gruppen überholt, die fieberhaft an der Verwirklichung der neuen Lichtquelle arbeiteten. Damals forschte Herbert Welling in den USA. Er erlebte die Geschichte des Lasers von den Anfängen bis heute – und gestaltete sie als Physiker mit. Physik in unserer Zeit sprach mit ihm über sein reiches Forscherleben.

Abb. 1: Blitzlampe des ersten Lasers der Welt, den Theodore Maiman 1960 gebaut hat. Maiman schenkte Herbert Welling die gezeigten Teile. Der eingeschobene Rubin stammt ebenfalls von einem der frühen Laser Maimans, im ersten Laser steckte jedoch ein kürzerer Stab. Der hellrote Rubin ist künstlich hergestellt und an beiden Enden mit Silber als Resonatorspiegel beschichtet. (Bild: R. Wengenmayr)

Das Interview mit Herbert Welling erschien in der Ausgabe 03/2010 von Physik in unserer Zeit im April 2010.

Physik in unserer Zeit: Herr Professor Welling, wie kamen Sie zum Laser?

Herbert Welling: Ich kam 1960 nach Fort Monmouth, einem damals sehr guten Kommunikations- und Elektronik-Forschungslabor der US Army südlich von New York. Dort forschte ich zusammen mit meinem Schwager Harro Andresen an Masern, also den Mikrowellen-Vorläufern des Lasers. Wir wollten zu höheren Frequenzen hin, um damit Atomuhren mit höherer Kurzzeitstabilität zu entwickeln. Haben Sie schon mal so einen Maser gesehen?

Nur auf Fotos…

Das waren große Systeme! Und dann kam dieser Maiman mit so einem kleinen Ding, das an „Jugend Forscht“ erinnerte. Donnerwetter, dachten wir alle, das ist ja so einfach! 1963 wurde ich dann in Monmouth dazu beordert, eine Lasergruppe zu übernehmen. Damals waren die Leute vom Laser dermaßen beeindruckt, dass sehr viele zu ihm umschwenkten. Vom Maser bei höheren Frequenzen habe ich danach praktisch nichts mehr gehört.

Wann haben Sie ihren ersten Laserstrahl gesehen?

1961, da kamen Leute vom Bell Telephones Laboratory zu uns rüber, Murray Hill war nicht weit weg. Sie haben ihren Gaslaser aufgestellt und an den Justageschrauben gedreht. Und dann haben sie mit dem Finger auf den Labortisch geklopft, damit der Resonatorspiegel zufällig in Position rutschte. Wenn es aufflackerte, war man in der Nähe der richtigen Einstellung. Damals verwendete man noch planparallele Spiegel. Erst später hat man einen davon konkav gemacht, um die Justage zu vereinfachen.

War Ihnen damals klar, dass der Laser für Sie so wichtig werden würde?

Nein, überhaupt nicht. Ich hatte damals nicht die Fantasie zu erkennen, dass der Laser so bedeutungsvoll werden würde. Einige andere haben da sicher ein bisschen weiter gedacht. Selbst die Presse sprach nur von der Laserwaffe. Das war mir damals, ehrlich gesagt, als Deutscher so wahnsinnig unsympathisch. Es hieß auch immer „Todesstrahlen“.

Sie kannten Theodore Maiman so gut, dass er Ihnen die Blitzröhre seines allerersten Lasers schenkte, dazu einen der ersten Laserrubine. Wie haben Sie ihn kennengelernt?

In Amerika gab es damals eine starke Forschungsförderung durch die Army, die Navy und die Air Force. Und das Fort Monmouth gehörte zum Signal Corps, dem Nachrichtenkorps. Die waren natürlich an Kommunikation interessiert, an Sendern. Und sie bekamen Geld, um interessante Forschung zu fördern. Wir waren also in der Lage, auf wichtige Projekte Gelder zu verteilen.

Sie als Deutscher haben maßgeblich bei der Verteilung solcher Mittel mitreden dürfen?

Ja, in dem Labor und an einigen anderen Stellen sind wir Deutschen damals sehr gut behandelt worden. Und in Monmouth waren wir auch die sehr kräftigen Wissenschaftler, darf ich wohl sagen. Einer der Kontrakte ging an Theodore Maiman. Seine wesentliche Aufgabe war es, neue Lasermaterialien zu finden. Auf diesem Gebiet herrschte damals eine ungeheure Aktivität, und jeder wusste, das optimale Material war der Rubinlaser nicht.

Arthur Schawlow, der damals bei den Bell Labs war, hatte Maiman noch 1959 auf einer Konferenz gesagt, dass Pink Ruby, ein hellroter synthetischer Rubin, nicht als Lasermaterial funktionieren würde. Doch Maiman baute damit kurze Zeit später den ersten funktionierenden Laser!

Man muss aber auch sagen, dass Arthur Schawlow gute Argumente hatte. Ich würde beinahe sagen, er war zu schlau! Und manchmal hilft es ja, wenn man nicht so schlau ist. Und wenn Schawlow sagte, dass das Dreiniveauschema der aktiven Ionen bei Pink Ruby ungeeignet war, lag er richtig!

War Schawlow entsetzt, dass Maiman ihn überholt hatte?

Bei Bell Telephones waren damals einige so argwöhnisch, dass sie daran zweifelten, ob es stimmt. Das lag aber auch daran, dass die Angaben von Maiman nicht mit denen der Presse konsistent waren.

War die Presseabteilung von Hughes Research Laboratories vielleicht nicht fit genug?

Die hat sich vielleicht zu wenig eingeschaltet. Zu Maiman wurde gesagt, so, nun zeigen sie mal den Rubinstab und die Blitzlampe. Und als die Reporter diese sahen, waren sie über die mickrige Blitzlampe enttäuscht und fragten, ob er nicht eine größere habe. Daraufhin hat Maiman eine größere Blitzlampe für die Fotos genommen, und das stimmte mit der Realität nicht überein.

Maiman konnte anfangs den Strahl seines Lasers gar nicht sehen, sondern nur indirekt feststellen, dass der Laser tatsächlich lief, richtig?

Ja, er hat das durch Spektroskopie gesehen. Wie schnell er den ersten Strahl sah, weiß ich nicht. Ich kann aber sagen, was seine Schwierigkeit war. Es hört sich so einfach an, wenn man sagt, ich habe da einen Rubinstab und werde auf dessen beiden Enden Silber als Spiegel aufdampfen. Das ist eine empfindliche Prozedur! Maiman musste eine gute Reflektivität erreichen, damit die Güte des Resonators hinreichend hoch für Laserverstärkung war. Aber um einen Strahl zu sehen, mussten sie natürlich auch etwas hinreichend auskoppeln! Sie haben sicher zunächst nicht diesen hellen Laserstrahl gesehen. Maiman hat dann relativ bald dielektrische Spiegel genommen. Diese haben 98 Prozent Reflektivität, wohin Sie mit Silber kaum kommen, und zugleich eine sehr gute Transmission des Lichts. Damit konnten sie dann genug Licht auskoppeln, um den Strahl zu sehen.

Und als Geldgeber in Fort Monmouth haben Sie dann auch Maiman sozusagen zu einem wissenschaftlichen Partner gemacht?

Maimans Untersuchungen hatten vorgegeben, mit welchen Systemen man Besetzungsinversion bekommen kann. Das sind alles Übergangselemente wie Eisen oder Chrom mit nicht erlaubten 3D-3D-Übergängen, die aber im elektromagnetischen Feld aufspalten. Das finde ich an der Geschichte so interessant, denn solche metastabilen, nicht erlaubten Zustände ergeben nur eine kleine Verstärkung des Lichtfeldes, während Sie im Laser eine hohe Verstärkung wollen...

Die metastabilen Zustände haben eine zu lange Lebensdauer für hohe Verstärkung, können Sie das ein bisschen erläutern?

 

Ja, die Lebensdauer des Laserübergangs von Chrom ist 3,5 ms, während Sie für einen erlaubten Übergang in dem Gebiet eine Übergangszeit von 10–8 s haben! Das heißt, die Übergangszeit ist um fünf bis sechs Größenordnungen größer und die Verstärkung um den entsprechenden Faktor kleiner!

Die Photonen müssen also im Lasermaterial mit großer Lebensdauer im oberen Laserniveau viel länger sozusagen an den Elektronen rütteln, um den Übergang zu erzwingen?

 

Ja, damit der Oszillator läuft, muss nun aber die Verstärkung so groß sein wie die Verluste. Und in dem Augenblick, wo die Verstärkung klein ist, haben Sie doch keine Chance! Also würde man sagen, es ist doch Unsinn einen solchen Übergang zu nehmen. Aber: Als zweite Bedingung, um überhaupt Verstärkung zu kriegen, brauchen Sie eine Besetzungsinversion! Und die bekam man tatsächlich nur mit diesen Systemen mit langlebigen metastabilen Zuständen. Damals gab es noch keine Pumpquellen wie etwa Laser für kurzlebige, schnell zerfallende Zustände, die eine hohe Verstärkung ermöglichen.

Und nach solchen für Lasermedien geeigneten Materialien suchte man dann damals?

 

Damals war relativ schnell klar, dass die Elemente der zweiten Übergangsgruppe, die seltenen Erden, fast alle Kandidaten für Lasermaterialien waren. Aber so schnell ging das nicht, denn Sie mussten auch das passende Wirtsgitter für diese Elemente finden. Und da kam Elias Snitzer von der American Optical Company auf eine relativ einfache Lösung. Er packte die Materialien, die in Frage kommen, einfach in Glas, zum Beispiel Neodym. Und so ein Glas konnte er innerhalb weniger Tage herstellen.

Und Maiman hatte von Ihnen als Geldgeber auch den Auftrag, nach neuen Materialien zu suchen?

 

Maiman hatte eine eigene Firma namens Korad, und dort haben sie intensiv seltene Erden in verschiedenen Wirtskristallen untersucht. Diese ungeheure Forschung führte aber nicht zu bemerkenswerten Ergebnissen!

Es gab damals also viele Fehlschlüsse und Irrwege?

Ja, häufig! Aber im Nachhinein ist man immer schlauer. Es ist einfach nicht fair, wenn man diese Leute mit dem Wissen von Heute beurteilt, es waren viele großartige Physiker!

Einige von ihnen haben später den Nobelpreis bekommen, zum Beispiel Schawlow. Maiman allerdings, der den ersten Laser realisiert hatte, bekam ihn nie. Ist er ein tragischer Held der Lasergeschichte?

Er wurde zweimal für den Nobelpreis vorgeschlagen, erhielt ihn aber nie. Ich glaube, es ist von allen damals Beteiligten anerkannt worden, dass er ein hervorragender Experimentalphysiker war. Aber die wichtigen theoretischen Konzepte kamen von Leuten, die bei Bell Telephone forschten. Das war damals ein ungeheures Team. Ich habe allerdings viele Physiker getroffen, die der Meinung waren, Maiman hätte den Nobelpreis verdient gehabt.

Und Sie?

Ich hätte ihm den Preis jedenfalls gegönnt.

Abb. 2: Theodore Maiman (1927-2007) mit seinem ersten Laser. (Bild: T. Maiman)

Nachdem Sie 1963 in die Laserforschung beordert wurden, haben Sie jedoch schnell Feuer gefangen. Was hat Sie in den Jahren danach besonders interessiert?

Ich habe mir gesagt, ich möchte dort forschen, wo ich eine Chance habe. Wenn man sich die beiden wesentlichen Eigenschaften des Lasers anschaut, hohe Intensität und hohe Kohärenz, dann habe ich mir sofort gesagt: Ich gehe auf das Gebiet der Kohärenz. Einige sagen, dass das die feine Eigenschaft des Lasers ist. Man muss auch noch zwischen räumlicher und zeitlicher Kohärenz des Laserlichts unterscheiden. Ich fing mit der räumlichen Kohärenz an, denn es zeigte sich, dass der Laser diese wunderbare Richtwirkung, die man von ihm erwartete, gar nicht hatte. Der Pumpprozess rief im Laserstab optische Störungen hervor, die die Strahlqualität deutlich störten. Das schaute ich mir genauer an.

Danach haben Sie die zeitliche Kohärenz untersucht?

Richtig. Aber hier zeigte sich erneut an den damaligen Rubinlasern, dass Sie damit nichts Vernünftiges über das theoretisch hervorragende Frequenzverhalten des Lasers sagen konnten! Letztlich musste ich zu einem kontinuierlich strahlenden Laser wechseln, um die zeitliche Kohärenz zu untersuchen, den Helium-Neon-Laser.

Die zeitliche Kohärenz war mit der sehr wichtigen Frage verknüpft, welche spektrale Breite eine Laserlinie tatsächlich hat. Diese Herausforderung nahmen Sie mit nach Deutschland, als sie 1966 an die Universität Hannover berufen wurden?

Ja, ich hatte von den außerordentlichen Anstrengungen von Tony Siegman und Ali Javan, dem Mitentdecker des Helium-Neon-Lasers bei Bell Labs, gehört. Sie hatten die Idee, die Linienbreite aus der Differenzfrequenz zweier Laser zu bestimmen. Sie scheiterten aber damals an den niedrigen Leistungen der Laser im interessanten Bereich mit nur einer Lasermode. Dadurch war die Mischungseffizienz zu klein, das ging im Rauschen unter. Viele haben damals versucht, die Linienbreite des Lasers zu messen. Als es nicht klappte, haben sie das dann liegen gelassen.

Und das brachte Sie auf die Idee, es anders zu versuchen?

Ich wollte es mit Fourier-Spektroskopie machen. Ich konnte aber schnell überschlagen, dass ich dafür in einem Michelson-Interferometer sehr hohe Weglängendifferenzen in der Größenordnung von tausend Metern brauchte. Zunächst dachte ich, na gut, dann lasse ich das Signal eben viele Male zwischen den Spiegeln hin und her laufen. Aber es verschwand einfach, weil die Reflexionsverluste zu hoch waren! Wir mussten zunächst Aufdampftechniken für dielektrische Spiegel kultivieren. Und man muss Ausdauer haben, etwas Neues zu machen.

 

Und das Neue war?

Wir haben unsere Helium-Neon-Laser selbst gebaut. Der Grund war die Tatsache, dass die Linienbreite des Helium-Neon-Lasers um so größer ist, je schmaler man seine Kapillare macht. Und je breiter die Linie ist, desto besser kann man sie messen. Wir haben dann Laser mit sehr kleinen Kapillaren entwickelt.

Warum war Ihnen die Linienbreite so wichtig?

Ich sah darin eine wesentliche Antwort zur Lasertheorie. Man konnte die Lasertheorie auf zwei verschiedenen Wegen entwickeln. Hermann Haken und Hannes Risken verwendeten die Focker-Planck-Gleichung. Siegfried Großmann und Peter Richter behandelten den Laser als Phasenübergang zweiter Ordnung, denn beim Laser gehen die chaotischen spontanen Emissionen allmählich in die kohärent geordneten induzierten Emissionen über, nicht plötzlich wie bei einem Übergang erster Ordnung. Unterhalb der Laserschwelle haben Sie Intensitäts- und Phasenfluktuationen, oberhalb nur noch die Phasenfluktuationen, also einen Faktor von 2 unterhalb zu 1 oberhalb. In Hannover gelang uns dann erfolgreich erstmals die Bestimmung der Linienbreite. So konnten wir ein bisschen Schiedsrichter spielen – aber bitte nicht arrogant. Richter und Großmann hatten lediglich einen Rechenfehler gemacht, wie Großmann mir später sagte.

In den 1970er-Jahren waren Sie in Hannover Einzelkämpfer, aber ab den 1980er-Jahren gelang es Ihnen dann, die Laserphysik erheblich auszubauen…

Wichtig ist, dass man eine Strategie hat. Ich wollte nicht dauernd nur in der Kreisliga spielen. Auf der anderen Seite waren die Möglichkeiten, innerhalb der Universität zu wachsen, sehr beschränkt. Warum sollte die Physik auch mehr Mittel und Stellen zur Verfügung bekommen als zum Beispiel die Sozialwissenschaftler? Also musste die Laserphysik sozusagen von außen in Ringen wachsen. Nur so bekommen Sie eine kritische Masse, um international vorne mitzumischen. Deshalb gründeten Hans Kurt Tönshoff, Heinz Haferkamp und ich 1986 das Laserzentrum Hannover. Wir Drei waren uns einig darüber, dass die Mittel dafür auch nicht vom Forschungsministerium kommen sollten - also dem gleichen Topf, der die Universität finanziert. Deshalb überzeugten wir das Wirtschaftsministerium davon, das Laserzentrum zu finanzieren.

Sie hatten auch Pioniererfolge auf wichtigen Anwendungsgebieten wie der Materialbearbeitung und der Medizin vorzuweisen.

Ja, wir haben ja schon Anfang der 1970er-Jahre das erste bluttrockene Laserskalpell entwickelt. Das machten wir zusammen mit dem jungen Chirurgen Rudolf Pichlmayr, einem hervorragenden Mann, dem dann die erste Lebertransplantation gelang. Wir haben hier auch zusammen mit Axel Haverich laserbearbeitete Stents entwickelt, mit denen sich verstopfte Adern behandeln lassen. Mit Haverich haben wir hier in Hannover einen außergewöhnlichen Mediziner, dank ihm sind wir heute im Exzellenzcluster Rebirth [2]. Sehr wichtig ist für uns ja auch die Entwicklung von Lasermethoden in der Augenheilkunde, der Ophthalmologie, geworden.

Eines der wichtigsten Projekte war ja für Sie das Gravitationswellenexperiment, aus dem GEO600 wurde?

Wie das Gravitationswellenexperiment nach Hannover kam, ist eine irrsinnige Geschichte. Ich hatte Anfang der 1980er-Jahre bereits für die Medizin einen Hochleistungslaser hergestellt, dessen Wirkungsgrad bei einem Prozent lag. Damals war Gerd Leuchs am Max-Planck-Institut für Quantenoptik in Garching für das Projekt zuständig. In einer Gutachtersitzung standen sie vor der Frage, ob das Experiment weitergeführt werden sollte oder nicht.

 

Warum?

Es war klar, dass man dafür einen Laser mit mindestens 100 Watt Lichtleistung brauchte. Allerdings hatte der damals von den Garchingern verwendete Argon-Ionenlaser nur einen Wirkungsgrad von 10–4! Damit hätte man Tag und Nacht eine elektrische Leistung von einem Megawatt gebraucht, das hätte jeden Haushalt kaputt gesprengt. Leuchs wusste von meinem Laser und rief mich hinzu. Ich konnte zeigen, dass ich bereits einen Laser mit der erforderlichen Leistung und einem so hohen Wirkungsgrad gebaut hatte, dass das Projekt bezahlbar wurde. Also bekam ich zunächst den Auftrag, so einen Laser zu bauen.

Ursprünglich sollte das Gravitationswellenexperiment nach Bayern?

 

Ja, aber es stellte sich heraus, dass an allen untersuchten Standorten dort die seismische Störung durch das Wachstum der Alpen zu groß war. Da wurde ich hellhörig und dachte: Donnerwetter, in Norddeutschland haben wir keine Alpen!

Und so kam das Experiment nach Hannover?

Ja, aber das ging nicht so schnell. Über den Vorstand der DPG hatte ich engen Kontakt zu einem hohen Beamten im Bundesforschungsministerium. Der sagte mir, wir könnten das Geld für das Projekt eventuell kriegen. Ich ging dann hier zum Amt für Bodenforschung, um eine seismische Untersuchung an potenziellen Plätzen machen zu lassen. Die sagten mir: Wir haben hier zwar keine Alpen, aber dafür eine Nordsee, deren Wellen auf die Küste platschen. Daraufhin schwor ich sie darauf ein, dass sie davon keinen Ton sagen.

Und die Lösung?

Wir wollten zunächst tief unter die Erde, später prüfte ich den Bau eines Granittunnels im Harz. Wir brauchten nach dem damaligen Plan zwei, drei Kilometer lange Interferometerarme. Die Finanzierung von 150 Millionen Mark hatten wir für das Projekt schon zusammen, da kam die Wiedervereinigung. Darauf hin sagte der Bund, der 80 Millionen beisteuern sollte: Schluss, wir müssen jetzt erst wissenschaftliche Institute in den neuen Bundesländern aufbauen. Wir wollten aber nicht aufgeben. Und dann half uns eine Idee unserer Partner in Glasgow.

Welche?

Wir verwendeten Power-Recycling! Damit kann man mit deutlich kleineren Systemen dennoch hinreichende Empfindlichkeit erreichen. Die Idee ist ganz einfach: Wenn Sie das Michelson-Interferometer im Gravitationswellendetektor auf Dunkelfeld stellen, wo geht dann die Energie hin? Sie kommt vorne wieder heraus. Wir können sie aber wieder einkoppeln. Und wenn wir das tausend Mal wiederholen, gewinnen wir einen Faktor Tausend an effektiver Leistung in unserem Interferometer. Mit unserem 200-Watt-Laser, den wir heute einsetzen, kommen wir also auf 200 000 Watt im Interferometer! Deshalb müssen auch die Spiegel so gut sein, sonst verbiegen sie sich thermisch. So lösten wir einen Teil unseres Problems.

 

Und der andere?

Hocheffiziente Schockabsorber, mit denen wir das wegen des Powerrecyclings auf 600 Meter pro Arm geschrumpfte Gravitationswellenexperiment schließlich einfach auf einem ganz normalen Hochschulgelände der Universität Hannover aufbauen konnten. So entstand GEO600.

Der Rückblick auf die Geschichte des Lasers beweist die Gültigkeit von Mark Twains Bonmot, dass Vorhersagen schwierig seien, insbesondere wenn sie die Zukunft beträfen. Wenn Sie trotzdem einen Blick in die Zukunft wagen, welche neuen Entwicklungen erwarten Sie?

Wenn wir beim Gravitationswellenexperiment bleiben, dann wird natürlich seine Empfindlichkeit immer weiter verbessert, wie früher. Roman Schnabel [3] will sie mit gequetschten Zuständen, also Zuständen mit reduzierter Heisenberg-Unschärfe, um den Faktor Sechs steigern. Das bedeutet, dass GEO600 damit Gravitationswellen aus einem 36-mal größeren Volumen im Kosmos empfangen kann. Entsprechend größer wird die Wahrscheinlichkeit, dass wir damit eine Supernova sehen.

Und andere Gebiete?

Natürlich alles, was mit kurzen Pulsen zu tun hat. Besonders interessant finde ich aber die optischen Uhren, an denen unsere Leute mit der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt zusammen entwickeln [4]. Das bedeutet zum Beispiel für Theodor Hänsch [5], dass er in Garching eine präzisere Spektroskopie am Wasserstoff-Atom betreiben kann. Damit lässt sich die Quantenmechanik genauer überprüfen.

Und bei den Anwendungen?

Bei den Anwendungen wird der Laser sicher in den Lebenswissenschaften eine zunehmende Rolle spielen. Ein Beispiel ist das schonende „Öffnen“ von lebenden Zellen, um dort gezielt genetisches Material einzuschleusen. Damit lassen sich körpereigene Zellen umprogrammieren. Man kann zum Beispiel für einen Infarktpatienten auf diese Weise neue Herzzellen züchten und implantieren. Dazu haben wir schon ein bedeutendes Forschungsprojekt am Laserzentrum Hannover.

Wie schätzen Sie heute die Quantenoptik in Deutschland ein?

Wir haben in der Bundesrepublik viele Forschungsgruppen, die sehr gut sind. Es gibt fünf von der DFG genehmigte Exzellenzcluster in der Physik, zwei davon sind in der Quantenoptik. Das eine ist in München mit dem Max-Planck-Institut für Quantenoptik. Das andere ist hier in Hannover mit dem Institut für Quantenoptik, dem Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik, dem Laser Zentrum Hannover, hinzu kommt die Zusammenarbeit mit der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt [6]. Während in der Anfangsphase der Quantenoptik die wesentlichen Impulse aus der amerikanischen Wissenschaft kamen, bin ich sicher, dass wir heute auf dem Niveau der Amerikaner spielen.

Das Interview führte Roland Wengenmayr für Physik in unserer Zeit


 

Zur Person:

Herbert Welling wurde 1929 in Hannover geboren, studierte dort Physik mit Promotion 1960. Anschließend ging er in die USA in das Kommunikations- und Elektronik-Forschungslabor der US Army in Fort Monmouth (südlich von New York). Zunächst arbeitete er am Maser, ab 1963 am Laser.

1967 kehrte er an die Universität Hannover zurück, wo er eine Professur übernahm. Dort baute er als einer der deutschen Pioniere die Laserphysik auf. Heute ist daraus ein führendes Institut für Quantenoptik geworden. 1986 gründete er zusammen mit Hans Kurt Tönshoff und Heinz Haferkamp das Laserzentrum Hannover (rund 270 Mitarbeiter). Er holte das Gravitationswellenexperiment GEO 600 nach Hannover.

(Bild: R. Wengenmayr)

 

Meilensteine der frühen Lasergeschichte 

  • 1917 Albert Einstein entdeckt die stimulierte Emission
  • 1950 Willis E. Lamb and R. C. Retherford beobachten stimulierte Emission in Wasserstoff-Spektren
  • 1950 Alfred Kastler (Nobelpreis für Physik 1966) schlägt optisches Pumpen vor
  • 1954 erster Maser von Charles Townes (Nobelpreis für Physik 1964) und seinem Studenten James Gordon
  • 1958-60 Arthur Schawlow (Nobelpreis für Physik 1981), Charles Townes, Nicolai Basow und Alexander Michailowitsch Prochorow (beide Nobelpreis für Physik 1964) entwickeln wichtige Ideen zum Laserkonzept
  • 1959 publiziert Gordon Gould erstmals das Akronym Laser (Light amplification by stimulated emission of radiation)
  • 1960 erster funktionierender Laser von Theodore Maiman (gepulster Rubinlaser)
  • 1960 erster Helium-Neon-Gaslaser von Ali Javan, William Bennett, Donald Herriot
  • 1962 Robert Hall demonstriert die erste Laserdiode (Gallium-Arsenid) mit Infrarotlicht, kurz darauf Nick Holonyak Jr. die erste Laserdiode mit sichtbarem Licht
  • 1963 Zhores Alferow und Herbert Kroemer (beide Nobelpreis für Physik 2000) entdecken das Prinzip der Halbleiter-Heterostruktur für Laserdioden
  • 1966 Fritz Schäfer baut in Marburg den ersten durchstimmbaren Farbstofflaser
  • 1970 Zhores Alferov in der UDSSR sowie Izuo Hayashi and Morton Panish (Bell Telephone Laboratories) bauen erste Laserdioden mit Heterostruktur, die bei Raumtemperatur arbeiten.

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