13.05.2015

Im Schatten des kosmischen Metronoms

Standard-Stern Delta Cephei besitzt noch einen verborgenen Begleiter.

Seit über 100 Jahren werden veränderliche Sterne vom Typ Cepheid von Astronomen dazu verwendet, Distanzen im nahen Universum zu bestimmen. Besondere Aufmerksamkeit wurde dabei dem Prototypen der Cepheiden, Delta Cephei, zu Teil. Dementsprechend galt Delta Cephei bisher als besonders gut charakterisiert und bekannt. Allerdings hat nun ein Team von Wissenschaftlern der Universität Genf, der Johns Hopkins Universität, und der Europäischen Raumfahrtagentur ESA herausgefunden, dass dieser Stern nicht alleine ist, sondern einen versteckten Begleitstern hat.

Delta Cephei, Prototyp und Namensgeber der veränderlichen Sterne, die Cepheiden genannt werden, wurde vor 230 Jahren von dem Englischen Astronomen John Goodricke entdeckt. Im frühen zwanzigsten Jahrhundert entdeckte die Amerikanerin Henrietta Leavitt ein Verhältnis zwischen der Periodendauer der Veränderlichkeit von Cepheiden und deren Leuchtkraft, das seitdem dazu verwendet wird, um kosmische Distanzen zu bestimmen. Heute zeigen Wissenschaftler der Universitätssternwarte Genf, der Johns Hopkins Universität und der Europäischen Raumfahrtagentur ESA, dass Delta Cephei in Wirklichkeit ein (spektroskopischer) Doppelstern ist, bestehend aus einem veränderlichen Stern vom Typ Cepheid und einem kleineren Begleiter, der wahrscheinlich aufgrund seiner geringen Leuchtkraft bisher nicht aufgefallen war. Diese überraschende Entdeckung ist wichtig, da solche Sternenpaare die Kalibration des Perioden-Leuchtkraft-Verhältnisses erschweren und die Messung ihrer eigenen Distanz verfälschen können. Darüber hinaus verändert sie grundlegend die Einschätzung des Prototypen der Cepheiden, der ein besonders intensiv studierter und auch mit bloßem Auge sichtbarer Stern ist.

Das Team von Wissenschaftlern vermaß die Pulsationen von Delta Cephei mit dem Hermes Spektrographen, angebracht am Mercator-Teleskop auf der kanarischen Insel La Palma und entdeckte dabei ein unerwartetes Signal. Mithilfe der hochpräzisen Dopplerspektroskopie, die insbesondere für die Erforschung von Exoplaneten zum Einsatz kommt, entdeckten die Wissenschaftler, dass die Geschwindigkeit, mit der sich Delta Cephei auf die Sonne zubewegt, nicht konstant ist, sondern eine charakteristische Veränderlichkeit zeigt. Diese Geschwindigkeitsveränderung kann einzig durch einen Begleitstern erklärt werden, der Delta Cephei umkreist. Durch die Analyse von weiteren Daten der wissenschaftlichen Literatur konnten die Wissenschaftler sogar die Umlaufdauer und ungefähre Masse – etwa ein Zehntel der Masse von Delta Cephei – des Begleitsterns bestimmen.

„Wir waren sehr erstaunt. Trotz all der Aufmerksamkeit, die Delta Cephei während zwei Jahrhunderten zu Teil wurde, fehlte uns ein essenzielles Puzzleteil für das Verständnis dieses wichtigen Sterns“, erklärt der deutsche Autor des Artikels, Richard Anderson, der zum Zeitpunkt der Entdeckung zwar noch in Genf arbeitete, mittlerweile jedoch an der John Hopkins Universität in den Vereinigten Staaten forscht.

Den Autoren zufolge wird die aktuelle Raummission Gaia der ESA Delta Cepheis Umlaufbahn als Positionsveränderung am Himmel sehr präzise vermessen. Da Gaia insbesondere auch Sterndistanzen anhand ihrer Parallaxe bestimmt, muss diese Umlaufbahn aus der Distanzmessung herausgerechnet werden, um ein genaues Ergebnis zu erzielen. Dieser Schritt wird besonders wichtig für eine neue Kalibration des Perioden-Leuchtkraft-Verhältnisses, welches wiederum benötigt wird, um kosmische Distanzen zu bestimmen.

„Auch wenn unsere Studie nicht die gesamte kosmische Distanzleiter zum Einsturz bringt, so trägt sie doch dazu bei, eine ihrer Sprossen genauer zu kalibrieren und hilft somit der Kosmologie“, erklärt Richard Anderson. „Diese Entdeckung erinnert uns außerdem daran, wachsam zu bleiben. Wenn selbst einer der uns nähesten und wohlbekanntesten Cepheiden solche Geheimnisse birgt, wer weiß was wir noch für die am weitesten entfernten finden werden.“

Aufgrund der exzentrischen Umlaufbahn variiert der Abstand zwischen Delta Cephei und seinem Begleiter dramatisch. Alle sechs Jahre beträgt dieser Abstand nur noch etwa zwei astronomische Einheiten, ein sehr geringer Abstand für einen Superriesenstern wie Delta Cephei, dessen Radius etwa 43 mal so groß ist wie der Radius der Sonne. Dieser Umstand deutet auf eine sehr dynamische Entwicklung des Systems hin, in dem durch Gezeitenkräfte getriebene Wechselwirkungen entstehen können, wenn beide Sterne nah beieinander sind. Solche Wechselwirkungen könnten möglicherweise den Ursprung der bereits zuvor bekannten Materie in der nahen Umgebung von Delta Cephei erklären, die Astronomen bislang noch vor Rätsel stellte.

Diese Studie wird wahrscheinlich andere Forscher dazu inspirieren, die zeitliche Entwicklung Delta Cepheis besser zu verstehen, insbesondere im Hinblick auf die Möglichkeit von Wechselwirkungen. Cepheiden sind nämlich Schlüsselobjekte für das Verständnis von Sternentwicklung und Sternstruktur, und Delta Cephei ist hierbei historisch besonders wichtig. „Wir benötigen weitere Messungen mit dem Hermes-Spektrographen, sowie die Messungen von Gaia, um die wahrscheinlich turbulente Vergangenheit von Delta Cephei und seines geheimnisvollen Begleiters aufzuklären,“ freuen sich die Astronomen. „Das ist ein faszinierendes Abenteuer!“

U. Genf / DE

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