24.09.2018

In eisiger Höhe

Ballonmission untersucht leuchtende Nachtwolken in hohen Breitengraden.

Am oberen Rand unserer Atmosphäre existiert eine dünne Schicht silbrig-weißer Eis­wolken. Die als leuchtende Nacht­wolken (nocti­lucent clouds, NLC) oder auch polare Meso­sphären­wolken bekannten Wolken bilden sich im Sommer in 83 Kilometern Höhe über den Polen unserer Erde. Eine Lang­zeit-Ballonmission der NASA mit einem Instrument des Deutschen Zentrums für Luft- und Raum­fahrt (DLR) an Bord konnte diese Wolken über einen Zeit­raum von fast sechs Tagen hoch­präzise an ihrem Ursprungs­ort in der Meso­sphäre beobachten. Mit Hilfe der Ergebnisse werden Wissen­schaftler Turbulenz in der Atmo­sphäre, aber auch in Ozeanen, Seen und anderen Planeten­atmosphären besser verstehen, und vielleicht sogar Wetter­vorhersagen verbessern.

Abb.: Der am 8. Juli gestartete, riesige Ballon hatte aus einer Höhe von 38 Kilometern exzellente Sicht auf die leuchtenden Nachtwolken. Im Hintergrund ist Nordkanada zu sehen. (Bild: NASA)

Am 8. Juli 2018 startete ein riesiger Ballon zur Untersuchung von NLC. Für fast sechs Tage fuhr der Ballon in 38 Kilometern Höhe von seinem Start in Esrange (Schweden) durch die Strato­sphäre über die Arktis bis in den Westen von Nunavut (Kanada). Während seiner Fahrt nahmen Kameras an Bord des Ballons sechs Millionen hoch­auflösende Bilder mit einem Daten­volumen von 120 Tera­byte auf, wobei die meisten Bilder NLC in verschiedenen Stadien zeigen. Unter anderem lassen diese Bilder Prozesse erkennen, die zu Turbulenz führen.

„Was wir bisher gesehen haben, sieht nach einem sehr spektakulären Daten­satz aus" sagt der Leiter der PMC Turbo-Mission Dave Fritts von GATS in Boulder (USA). „Unsere Kameras haben wahrscheinlich einige wirklich interessante Ereignisse erfasst und wir hoffen, damit neue Einblicke in die komplexe Dynamik zu gewinnen".

Leuchtende Nachtwolken entstehen aus Eis­teilchen, welche auf winzigen Meteor­staub-Partikeln in der oberen Atmo­sphäre kondensieren. Sie erscheinen als intensiv silbrig-hell­blau leuchtende Wolken, die im Sommer vom Rand der Polar­regionen kurz nach Sonnen­untergang vom Boden aus beobachtbar sind. Die Wolken werden von atmo­sphärischen Schwere­wellen beeinflusst. Schwere­wellen entstehen zum Beispiel durch Konvektion in der Atmo­sphäre oder, wenn Luft getrieben von Wind aufgrund von Berg­ketten nach oben ausweichen muss. Die entstehenden Wellen spielen eine wesentliche Rolle beim Transport von Energie von der unteren Atmo­sphäre bis hinauf zur Meso­sphäre.

„Es ist uns zum ersten Mal gelungen, den Energie­fluss von den größeren Schwere­wellen hin zu kleineren Instabilitäten und Turbulenz in der oberen Atmo­sphäre direkt abzubilden", sagte Fritts. „In diesen Höhen kann man das Brechen der Schwere­wellen direkt sehen – ähnlich wie das Brechen von Meeres­wellen am Strand – und den Übergang zu Turbulenz beobachten."

Zur Beobachtung der Wolken war die Nutz­last des PMC Turbo-Ballons mit sieben speziell angefertigten Kamera­systemen ausgerüstet. Jedes System umfasste eine hoch­auflösende Kamera, eine Computer- und Kommunikations­einheit, sowie 32 Terabyte Daten­speicher. Die Kamera­systeme waren so angeordnet, dass sie sowohl ein Mosaik von Weit­winkel­aufnahmen mit einem Blick­feld von 160 Kilometern aufnehmen, als auch mit kleineren Sicht­feldern turbulente Strukturen mit einem Durch­messer von zwanzig Metern abbilden konnten. Zum ersten Mal überhaupt befand sich zudem ein Lidar an Bord, mit dessen Hilfe die präzise Höhe der NLC sowie die durch Schwere­wellen verursachten Temperatur­störungen über und unterhalb der NLC vermessen wurden.

„Wir kennen die 2D-Struktur der Wolken von den Kamera­bildern, aber um die Wellen in den Wolken wirklich genau beschreiben zu können, benötigen wir auch die Höhen­information", sagt Bernd Kaifler, der als Wissen­schaftler am Deutschen Zentrum für Luft- und Raum­fahrt (DLR) in Ober­pfaffenhofen das Ballon-Lidar­experiment entwickelte. „Mit den Lidar­messungen können wir die vertikale Struktur der Wellen sichtbar machen und damit wert­volle Daten sammeln, die man aus den Bildern allein nicht hätte ableiten können".

Im Gegensatz zu den Kameras ist das Ballon­lidar ein aktives Mess­instrument, welches pro Sekunde Hundert kurze Laserpulse nach oben sendet und das von Luft und Wolken zurück­gestreute Laserlicht detektiert. Bisher wurden ähnliche Instrumente nur am Boden eingesetzt. In einer Flug­höhe von 38 Kilometern befindet sich das Ballon­lidar hingegen schon fast auf halber Strecke zu den Wolken, so dass Signal­qualität und damit die Auflösung wesentlich höher sind. Durch die Bewegung lässt sich zusätzlich die räumliche Struktur erfassen. „Die während der PMC Turbo-Mission gewonnenen Daten sind so wertvoll, weil nie zuvor jemand diese kleinen Strukturen, die vom Brechen der Wellen erzeugt werden, sehen konnte", sagt Natalie Kaifler, Wissen­schaftlerin am Institut für Physik der Atmo­sphäre des DLR. „Die Wolken­bewegungen, oft in mehreren dünnen Schichten, zeigen eine enorme Variabilität hin zu sehr kleinen Skalen von wenigen Metern."

Die Entwicklung eines kleinen und leichten Lidar-Instruments für den Einsatz in einer Ballon­gondel war nicht einfach. Aufgrund der dünnen Luft in Flughöhe mussten Laser, Detektoren und Elektronik in einen Druck­behälter eingebaut werden. Zudem erforderte die Kühlung des Lasers und der Elektronik die Entwicklung eines großen Radiators zu Abstrahlung der Wärme in den Welt­raum, da nicht genügend Luft zur Kühlung vorhanden ist. Für die Steuerung und Überwachung des Instruments wurden Kommandos und Daten über Kommunikations­satelliten der NASA übertragen. „Das Ballonlidar ist damit fast ein Satelliten­experiment, allerdings mit einem viel kleineren Budget", sagt Bernd Kaifler.

Das Verständnis der Ursachen und Wirkungen von Turbulenz hilft nicht nur, die Struktur und Variabilität der oberen Atmo­sphäre zu verstehen. Turbulenz tritt in allen Fluiden im Universum auf und die Ergebnisse werden die Modellierung all dieser Systeme verbessern. Dies gilt natürlich auch für die irdische Wetter­vorhersage.

Die NASA untersucht leuchtende Nachtwolken auch mit dem AIM (Aeronomy of Ice in the Mesosphere)-Satelliten, der 2007 in einen niedrigen Erd­orbit gestartet wurde. AIM beobachtet die groß­skaligen Strukturen der Wolken auf globaler Skala, kann aber nur Strukturen von einigen Kilo­metern Durch­messer auflösen. PMC Turbo füllt hier die Lücke, indem es die kleineren Skalen, auf denen Turbulenz auftritt, untersucht. Die Nutz­last von PMC Turbo wurde erfolgreich an ihrem Lande­ort in der kanadischen Arktis geborgen. Die Instrumente werden zum Teil wieder­verwendet und in zukünftigen Missionen eingesetzt werden, darunter ein geplanter Flug über der Antarktis im kommenden Dezember.

DLR / DE

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