In Quantenwelten rechnen
Auf dem Weg zu extrem schnellen Rechnern und einer abhörsichere Datenübertragung konnten Forscher jetzt Elektronen-Spins mit Photonen verschränken.
Es ist gerade mal zwei Jahrzehnte her, da waren Rechner für den Privatgebrauch groß wie Tiefkühltaschen, hatten zwei Megabyte Arbeitsspeicher und eine Festplatte mit 40 Megabyte Speicherplatz. Heutige Geräte liefern die 1000-fache Speicherkapazität und passen in die Hosentasche – der Miniaturisierung sei Dank. Wie lange sich dieser Trend noch fortsetzen wird, darüber streiten die Experten. Klar ist jedoch: Ab einer gewissen Grenze ist Schluss – zumindest für die herkömmliche, bisher verwendete Technik.
Abb.: Im Experiment hat das Physikerteam einen Quantenpunkt in einer Mikrokavität im Magnetfeld untersucht. Aufgrund der speziellen Struktur des entstehenden Energieniveauschemas ist der Polarisationszustand eines emittierten Photons (beispielsweise H oder V) eng mit dem resultierenden Spinzustand des Elektrons (Spin-up oder Spin-down) verknüpft. Kennt man entweder den Spin-Zustand des Elektrons oder den Polarisationszustand des Photons, kann man unmittelbar auf den Zustand des anderen Teilchens rückschließen. Es liegt Spin-Photon-Verschränkung vor. (Bild: JMU)
„Schreitet man mit der Miniaturisierung so weiter wie bisher, gelangt man in die Größenordnung von Atomen mit den entsprechenden atomaren Effekten“, erklärt Sven Höfling. Und in diesem Bereich gelten dann die Gesetze der Quantenphysik. Wie man diese Gesetze für den Bau von extrem schnellen Rechnern und zur abhörsicheren Übertragung von Daten nutzen kann, daran forschen Wissenschaftler weltweit und liefern sich ein spannendes Kopf-an-Kopf-Rennen. Jetzt haben Physiker aus den USA, Japan, Großbritannien und Deutschland einen weiteren Erfolg verzeichnet. Mit dabei waren Wissenschaftler vom Lehrstuhl für Technische Physik der Universität Würzburg.
„Wir haben zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen“, sagt Höfling, Arbeitsgruppenleiter am Lehrstuhl für Technische Physik und Leiter der Epitaxie am Mikrostrukturlabor der Universität. So haben die Physiker in ihren Experimenten zum einen den Spin von Elektronen mit Photonen verschränkt. Jedes einzelne Photon ist individuell polarisiert – beispielsweise vertikal oder horizontal (in der Abbildung mit V und H gekennzeichnet).
Um diese Verschränkung zu demonstrieren, hat das Physikerteam „elektronengeladene Quantenpunkte“ in einem Magnetfeld untersucht und manipuliert. Quantenpunkte sind künstliche Atome in Festkörpergestalt, die aus etwa 10.000 Atomen zusammengesetzt werden. Quasi auf Knopfdruck, auf einen optischen Impuls hin, liefern sie das Spin-Photon-verschränkte System und eignen sich damit gut zum Einsatz in der Halbleiter-Technik, auf der heutige Rechner basieren.
Die Energieniveaus der Spinkonfigurationen im Quantenpunkt ergeben sich im Magnetfeld wie in der Abbildung dargestellt. Blaue Pfeile in der Spinkonfiguration stellen die Ausrichtung der Elektronenspins relativ zum Magnetfeld dar (Spin-up oder Spin-down), während orangene Pfeile die Ausrichtung des Lochspins repräsentieren.
Mit spektroskopischen Methoden haben die Physiker in Stanford den obersten Energiezustand angeregt, und die darauffolgende Photonemission untersucht. Dabei konnten sie nachweisen, dass der Polarisationszustand des emittierten Photons mit dem des Elektronenspins im Endzustand verschränkt ist. „Das bedeutet, dass man durch die Messung des Spinzustandes des Elektrons sofort auf den Polarisationszustandes des Photons rückschließen kann, da die beiden durch die Wahl des Emissionspfades miteinander quantenmechanisch verknüpft sind“, erklärt Höfling. Umgekehrt lasse sich bei bekanntem Polarisationszustand des Photons unmittelbar auf den Spinzustand des Elektrons schließen.
Zum zweiten haben die Physiker diese Photonen auf eine Wellenlänge von 1560 Nanometer „umgepolt“. „Damit ist es möglich, Informationen in einer Glasfaser nahezu verlustfrei über große Entfernungen hinweg zu transportieren“, sagt Höfling. Am Zielort angekommen, lässt sich den Photonen die Information entnehmen, die sie am Start im Quantenpunkt erhalten haben. „Gleichzeitig mit einer Arbeitsgruppe in Zürich konnten wir als Erste zeigen, dass Spin-Photon-Verschränkung in einem Halbleiter funktioniert“, sagt Höfling.
Bisher laufen diese Experimente nur bei extrem tiefen Temperaturen von bis zu minus 270 Grad Celsius. Der Einsatz im Smartphone ist deshalb nach Höflings Worten noch „sehr weit weg“. Wenn sich die Technik in Zukunft so schnell weiterentwickeln soll, wie in den vergangenen Jahrzehnten, sei es verstärkt erforderlich, auf Quanteneffekte zu setzen. Die dafür notwendige Forschung laufe jetzt.
Und die nächsten Ziele stehen bereits fest: „Nachdem uns jetzt das Spin-Photon-Experiment geglückt ist, steht als nächstes Spin-Spin-Verschränkung in Halbleiterquantenpunkten durch die Kombination zweier Spin-Photon-Verschränkungspaare auf dem Programm“, sagt Sven Höfling. Dies sei aus technischer Sicht das Äquivalent zur Verschränkung von Atomen oder Ionen und damit ein Grundbaustein funktionierender Quantencomputer-Netzwerke. Photonen allein reichen dafür in praktischen Szenarios nicht aus. Denn die sind nach Aussage des Physikers „zwar schnell, aber können leider nur miserabel gespeichert werden“.
JMU / OD