Information ohne Teilchen oder Welle
Nanophotonischer Prozessor als Basis für ein kontrafaktisches Kommunikationsprotokoll.
Üblicherweise trägt die Brieftaube die Nachricht stets mit sich; die Information ist an ein physikalisches Objekt gebunden. Der Intuition widersprechend zeigten nun Wissenschafter ;der Universität Wien unter der Leitung von Philip Walther, der Universität Cambridge und des MIT in einem neuen Kommunikationsprotokoll, dass dies in der Quantenmechanik nicht immer zutrifft. Mit ihrem Experiment widerlegen sie damit einen wesentlichen Grundsatz bisheriger Kommunikationsmodelle.
Ob Tauben in der Luft, Elektronen im Kabel, Radiowellen eines Handys oder einzelne Photonen in Glasfaserleitungen; bei herkömmlichen Kommunikationskanälen ist immer ein Teilchen oder eine Welle am Informationsaustausch zwischen zwei Kommunikationspartnern, Alice und Bob, beteiligt. In der Quantenmechanik kann man allerdings Informationen von Alice zu Bob senden, während die an diesem Informationsaustausch beteiligten Teilchen oder Wellen von Bob zu Alice reisen. Nun realisierten die Forscher aber ein kontrafaktisches Kommunikationsprotokoll. Üblicherweise wird in der optischen Kommunikation Information in einzelnen Photonen verschlüsselt. Dementsprechend wird die Information in die gleiche Richtung übertragen wie die einzelnen Photonen, zum Beispiel von Alice zu Bob. In der kontrafaktischen Kommunikation gibt es hingegen keinen Informationsträger, der sich in dieselbe Richtung wie die Nachricht bewegt. Hier wandern einzelne Photonen von Alice zu Bob, während die Information von Bob zu Alice wandert.
Was überträgt jedoch dann die Nachricht? Noch bevor Bob das einzelne Photon von Alice empfängt, bereitet Bob seinen experimentellen Aufbau gemäß dem Informationsbit vor, das er selbst absenden will, entweder 0 oder 1. Wenn Bob ein Bit 1 senden möchte, schickt er das einzelne Photon an Alice zurück, wenn Bob ein Bit 0 senden möchte, behält er das einzelne Photon in seinem Labor. Das Paradoxe daran ist, dass der vom Kryptoanalytiker Alan Turing entdeckte Zeno-Effekt es Bob ermöglicht, das Photon zurückzuschicken, ohne jemals mit diesem zu interagieren. Alice kann Bobs Nachricht dann dahingehend auswerten, ob das gesendete Photon zurückgeschickt wurde oder nicht. Die An- oder Abwesenheit eines einzelnen Photons genügt also, um jede Nachricht zu kodieren.
Bei bisherigen kontrafaktischen Kommunikationsprotokollen bleibt eine bestimmte Ungewissheit, ob Bob mit den Photonen interagiert hat oder nicht. Mit der Realisierung des neuen Protokolls konnten nun Einschränkungen früherer Anwendungen überwunden werden. Irati Alonso Calafell erklärt dazu: „In unserer Umsetzung gibt es keinerlei Hinweis, dass das Photon in dieselbe Richtung wie die Information wandert. Darüber hinaus können wir Übertragungsfehler kompensieren, ohne dafür Informationsbits zu verwerfen.“ Indem sie eine integrierte photonische Plattform des MIT mit einem neuen theoretischen Ansatz der Universität Cambridge kombinierten, gelang es den Wissenschaftern der Universität Wien, einen wesentlichen Grundsatz bisheriger Kommunikationsmodelle zu widerlegen: Dass eine Nachricht immer durch physische Teilchen oder Wellen übertragen wird.
U. Wien / JOL
Weitere Infos
- Originalveröffentlichung
I. A. Calafell et al.: Trace-free counterfactual communication with a nanophotonic processor, npj Quant. Inform. 5, 61 (2019); DOI: 10.1038/s41534-019-0179-2 - Quantenoptik, Quantennanophysik und Quanteninformation (P. Walther), Universität Wien