Infrarotblick unter die Schneedecke
Neues Messgerät bestimmt Größe der Schneekristalle und Dichte der Schneeschichten.
Lars Mewes, Physiker am WSL-Institut für Schnee- und Lawinenforschung SLF in Davos, steigt mit einem schwarzen Kasten in ein zuvor geschaufeltes, 1,2 Meter tiefes Loch im Schnee. Von unten nach oben hält er ihn mehrmals an eine Schneewand. Das dauert kaum mehr als zwei Minuten. Leuchtdioden senden Nahinfrarotlicht in den Schnee. Zwei kleine Kameras im Kasten messen, wie viel davon zurückkommt. Bei einem zweiten Durchgang deckt eine Blende mit einem Schlitz die Vorderseite des Geräts ab. SnowImager heißt dieses neues Analysegerät.
„Wir bestimmen damit sowohl die Größe der Schneekristalle als auch die Dichte der einzelnen Schichten im Schnee“, erklärt Mewes. Die Kombination aus beiden Werten zeigt, wie die Schneedecke aufgebaut ist. Je geringer die Dichte, desto tiefer dringt das Licht in die Schneeschicht ein. Und je tiefer es eindringt, desto weiter breitet es sich seitlich aus. Die Kameras messen aber nur den Anteil des Lichts, der durch den Schlitz zurückkommt. Mit dem Gerät erkennt der Physiker Schichtgrenzen im Schnee, die Übergänge zwischen zwei Lagen im Aufbau der Schneedecke.
Einzelne Schichten unterscheiden sich beispielsweise durch verschiedene Dichten und die Art der Schneekristalle. Ihre Beschaffenheit sind unter anderem für den Lawinenwarndienst wichtig, um Schwachschichten zu identifizieren. Denn die können brechen, entweder spontan oder weil Druck auf ihnen lastet, beispielsweise durch einen Skifahrer. Dann besteht die Gefahr, dass der über der Schwachschicht liegende Schnee als Schneebrettlawine hangabwärts donnert. Noch charakterisieren Lawinenwarnerinnen und Lawinenwarner die Schneedecke meist zeitintensiv von Hand. Der SnowImager soll das Verfahren deutlich beschleunigen und objektivieren.
„Darüber hinaus erhalten wir eine bessere Auflösung“, sagt Mewes. Zur Zielgruppe gehören nicht nur Lawinenwarndienste. Der Aufbau der Schneedecke spielt auch eine Rolle, wann und wo Hochwasser drohen. Und Klimaforscher gewinnen Erkenntnisse zum Klimawandel. Heute, ein Jahr später, befindet sich der schwarze Kasten in der Antarktis. Techniker Matthias Jaggi hat ihn auf eine mehrmonatige Expedition mitgenommen, um ihn unter harten Umweltbedingungen zu testen. Erste Ergebnisse sind laut Mewes positiv.
Kleiner Haken: Noch ist der SnowImager sperrig und wiegt um die drei Kilogramm. Aber das soll sich ändern. In den Werkstätten des SLF arbeiten Mechaniker derzeit an einem neuen, faltbaren Prototypen, der noch diesen Winter fertig werden soll. Die Elektronik dafür entwickelt und produziert der Kooperationspartner aus der Industrie, Davos Instruments. Das Gerät soll handlicher, feldtauglich und serienreif werden. Das Unternehmen will den SnowImager vor Ort produzieren. Das Projektteam sieht allein in der Schweiz langfristig einen Bedarf für bis zu sechshundert Stück, sagt Projektleiterin Valeria Büchel: „Immerhin handelt es sich um das erste tragbare und gleichzeitig bezahlbare Gerät, um Schichten im Schnee zu vermessen.“ Bis es auf den Markt kommt, dürften noch zwei bis drei Jahre vergehen, schätzt sie.
SLF / JOL