07.07.2015

Infrastruktur-Tomographie mit Myonen

Von kosmischer Strahlung produzierte Teilchen spüren zerstörungsfrei Schwachstellen in Bauteilen aus Beton und Metall auf.

Etwa 10.000 Myonen dringen in jeder Minute pro Quadratmeter in die Erdoberfläche ein. Die geladenen Teilchen, etwa 200-mal schwerer als Elektronen, entstehen beim Zusammenstoß von Partikeln der kosmischen Strahlung mit Molekülen der Atmosphäre. Da die Myonen einerseits eine hohe Energie besitzen, andererseits nur der elektroschwachen, aber nicht der starken Wechselwirkung unterliegen, können sie selbst dichte Materie relativ ungehindert durchdringen. Das macht sie zu einem geeigneten Werkzeug für die „Durchleuchtung“ von Objekten und Materialschichten. Tatsächlich haben Forscher die natürliche Myonen-Strahlung bereits für Untersuchungen von Pyramiden, von Gesteinslagen über Tunnelbauten und auch von Vulkanen genutzt. Selbst für die nichtinvasive Untersuchung von Fahrzeugen, Containern und Frachtgut beispielsweise bei der Terrorismus-Bekämpfung kommen Myonen bereits zum Einsatz.

Abb.: Myonen-Tomographie eines Ventils. Die vierstündigen Aufnahmen zeigen, ob das Ventil geöffnet oder geschlossen ist. (Bild: M. Durham, LANL)

Matt Durham vom Los Alamos National Laboratory und seine Kollegen haben das Anwendungsspektrum der Myonen-Radiographie jetzt noch einmal beträchtlich erweitert. Die Forscher konnten in Experimenten mit dem Mini-Myonen-Tracker des Los Alamos National Laboratory zeigen, dass sich mithilfe der Myonen auch Schwachstellen in Infrastruktur-Komponenten der Energie-Produzenten und Energie-Versorgungsunternehmen aufspüren lassen.

„Bislang geht man beispielsweise bei der Untersuchung von Leitungen recht invasiv vor“, erläutert Durham. „Eine Leitung muss zunächst abgeschaltet werden, dann wird die Isolation entfernt und schließlich kommen spezielle Röntgengeräte zum Einsatz.“ Da Röntgenstrahlung gesundheitsschädlich ist, sind Schutzmaßnahmen nötig, Sicherheitsprotokolle müssen eingehalten werden und speziell geschultes und lizensiertes Personal kommt zum Einsatz. Da es sich bei den Myonen aber um eine ohnehin vorhandene, natürliche Strahlung handelt, fallen all diese Komplikationen weg. „Wir erzeugen keine zusätzliche Strahlung“, so Durham, „das Verfahren ist also vollkommen passiv.“

Zudem können die Myonen problemlos selbst dicke Isolierungen durchdringen. Die Untersuchungen lassen sich also im laufenden Betrieb nicht-invasiv durchführen. Durham und seine Kollegen konnten unter Laborbedingungen mit Myonen nicht nur die Dicke von Betonblöcken und Rohrwandungen bestimmen, sondern auch einen Blick in das Innere von Ventilen werfen. Allerdings betragen die Integrationszeiten bei der Myonen-Tomographie mehrere Stunden – und die Auflösung ist geringer als bei Röntgenuntersuchungen. Doch mit verbesserten Myonen-Detektoren ließe sich das Auflösungsvermögen schon bald steigern, so die Forscher. Geplant ist der Einsatz von Driftröhren aus Kunststoff und Kohlenstofffasern statt aus Aluminium, wie im Los Alamos Mini-Myonen-Tracker. Zunächst aber wollen Durham und seine Kollegen ihr Verfahren außerhalb des Laboratoriums unter realen Bedingungen in Kraftwerken testen.

Rainer Kayser

RK

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