25.05.2018

Innovative Schwingungstests an Rotorblättern

Testmethodik aus der Luftfahrt auf Wind­kraft­anlagen über­tragen.

Mit hundert Kilogramm zieht und drückt ein elektro­dyna­mischer Schwin­gungs­erreger an dem zwanzig Meter langen „SmartBlades-DemoBlade“. Das Rotor­blatt schwingt mit einem Aus­schlag von fünfzig Zenti­metern an der Blatt­spitze. Diese Bewegungen mit allen Material­belas­tungen im Rotor­blatt werden von Wissen­schaftlern des Deutschen Zentrums für Luft- und Raum­fahrt genau analy­siert. Dazu haben die Forscher drei­hundert Beschleu­ni­gungs- und zwei­hundert Dehnungs­sensoren direkt am Rotor­blatt ange­bracht. Mit den so auf­ge­nom­menen Daten lassen sich die Ver­for­mungen des Rotor­blatts milli­meter­genau nach­voll­ziehen und mit dem Simula­tions­modell abgleichen. Mit den inno­va­tiven Schwingungs­tests erhalten die Forscher Daten zum Schwin­gungs­ver­halten von Rotor­blättern in einer bis­lang nicht erreichten Güte und Qualität. Die Tests wurden im Rahmen des Forschungs­projekts „SmartBlades2“ beim Fraun­hofer-Institut für Wind­energie und Energie­systeme durch­ge­führt. In dem Projekt ent­wickeln Forschungs­ein­rich­tungen gemein­sam mit Industrie­partnern Techno­logien für größere und leistungs­stärkere Wind­kraft­anlagen. Das Projekt wird vom Bundes­minis­terium für Wirt­schaft und Energie gefördert.

Abb.: Fünfhundert Sensoren messen die Schwin­gung direkt am Rotor­blatt. (Bild: DLR; CC-BY 3.0)

Ursprünglich kommt diese Methode für Schwingungstests aus der Luft­fahrt und wurde beim DLR-Institut für Aero­elastik für Stand­schwin­gungs­ver­suche an Flug­zeug­proto­typen ent­wickelt. Seine Erfah­rungen hat Yves Govers vom DLR-Institut für Aero­elastik auf Wind­kraft­anlagen über­tragen und in Bremer­haven das Demon­strations­rotor­blatt unter­sucht. „Wir kennen den Bau­plan des neu ent­wickelten Rotor­blatts und haben sein Ver­halten vorher berechnet. Mit den Sensoren haben wir die Möglich­keit, die tat­säch­liche Struktur­dynamik im Blatt zu messen. So können wir unser Computer­modell an die Realität anpassen und Rotor­blätter besser konstru­ieren“, so der Forscher.

Auf dem Prüfstand in Bremerhaven stand ein im Projekt „SmartBlades“ ent­wickeltes Rotor­blatt. Wissen­schaftler des DLR-Instituts für Faser­verbund­leicht­bau und Adap­tronik haben das zwanzig Meter lange Rotor­blatt am Zentrum für Leicht­bau­produk­tions­techno­logie am DLR-Standort Stade gefertigt. Neu daran ist eine geo­me­trische Biege-Torsions­kopp­lung. Dafür wurde die Blatt­geo­metrie sichel­förmig aus­ge­legt: Bei Wind biegt sich das Blatt nicht nur nach hinten, sondern rotiert dabei ins sich. Das Blatt kann damit seine Geo­metrie selbst­ständig an die Wind­ver­hält­nisse anpassen, in dem es sich bei höheren Wind­geschwin­dig­keiten ver­windet und dem Wind weniger Angriffs­fläche bietet. So können Lasten an der Wurzel des Blattes auto­ma­tisch redu­ziert werden.

Seit Dezember 2017 wird das neu entwickelte Rotorblatt auf Herz und Nieren geprüft. Zunächst in einem Extrem- und Betriebs­last­test auf dem Rotor­blatt­prüf­stand beim Fraun­hofer-IWES, der zeigte, ob Schwächen oder gar Schäden auftraten. Mit dem nun erfolgten DLR-Struktur­dynamik­test haben die Wissen­schaftler ein beson­deres Augen­merk darauf, ob die Biege-Torsions­kopp­lung funktio­niert und sich das Blatt wie in den Voraus­berech­nungen ver­windet. „Vor allem durch die hohe Sensor­dichte auf dem Blatt und die speziell ange­passten Schwingung­serreger können wir die Struktur- und Material­ver­for­mungen sehr exakt bestimmen“, sagt Govers.

Die Methode wurde ursprünglich entwickelt, um die Flatter­sicher­heit eines Flug­zeugs zu über­prüfen und nach­zu­weisen. Flattern ist ein gefähr­licher Zustand, weil sich die Schwin­gungen auf­addieren können, indem immer mehr Energie aus der Um­strö­mung auf­ge­nommen wird. Flatter­sicher­heit wird zuneh­mend auch für Wind­energie­anlagen ein Thema. „Vor allem bei Off­shore-Wind­kraft­anlagen werden Rotor­blätter in Zukunft größer und gleich­zeitig leichter“, sagt Govers. „Damit steigt die Gefahr von Flatter­schwin­gungen am Rotor­blatt und Anlagen­her­steller werden einen stär­keren Fokus auf die aero­elas­tischen Effekte legen müssen.“ Mit dem Anbringen eines Schwingungs­erregers, der am Blatt befestigt ist, können die DLR-Forscher zudem auch die Schwin­gungen eines nur an Gummi­schleifen auf­ge­hängten Rotor­blatts messen. So lassen sich die Eigen­frequenzen eines Blatts sehr präzise fest­stellen.

Die Biege-Torsionskopplung mit der sichelförmigen Blatt­geo­metrie ist eine von mehreren Techno­logien, die im Forschungs­projekt „SmartBlades2“ weiter­ent­wickelt werden. Ziel der Forschungs­arbeiten sind größere und effi­zien­tere Rotoren, die eine höhere Aus­beute der Wind­energie erlauben und die Wett­bewerbs­fähig­keit deutscher Unter­nehmen in der Wind­energie­branche stärken. Weitere im Projekt unter­suchte Techno­logien sind Hinter- und Vorder­kanten von Rotor­blättern, die die aktive Anpas­sung der Rotor­blatt­form an die aktu­elle Wind­stärke erlauben. Beide Konzepte kommen aus der Luft­fahrt und lassen sich mit den Klappen an Trag­flächen von Flug­zeugen ver­gleichen. Zudem arbeiten die Forscher an der Weiter­ent­wick­lung aus­ge­wählter Methoden und Techno­logien sowie am aero­dyna­mischen Ver­halten der Rotor­blätter und an der Rege­lung des Gesamt­systems.

DLR / RK

Veranstaltung

Spektral vernetzt zur Quantum Photonics in Erfurt

Spektral vernetzt zur Quantum Photonics in Erfurt

Die neue Kongressmesse für Quanten- und Photonik-Technologien bringt vom 13. bis 14. Mai 2025 internationale Spitzenforschung, Industrieakteure und Entscheidungsträger in der Messe Erfurt zusammen

Sonderhefte

Physics' Best und Best of
Sonderausgaben

Physics' Best und Best of

Die Sonder­ausgaben präsentieren kompakt und übersichtlich neue Produkt­informationen und ihre Anwendungen und bieten für Nutzer wie Unternehmen ein zusätzliches Forum.

Meist gelesen

Themen