Insgesamt kanonisch
Auftreten kanonischer Gesamtheiten bei der Beschreibung von Vielteilchensystemen natürlich erklärt.
Wissenschaftler der Freien Universität Berlin haben eine neue Erklärung für die zentrale Rolle von kanonischen Gesamtheiten in der Statistischen Mechanik geliefert; der Begriff bezeichnet eine besondere Klasse von Zuständen physikalischer Systeme. Sie sind deshalb von besonderem Interesse, weil mithilfe von ihnen die Gesetze der klassischen Thermodynamik aus den Gesetzen der statistischen Mechanik hergeleitet werden können; erklärbar sind somit viele makroskopische Eigenschaften, etwa von Gasen und Festkörpern auf der Basis ihrer mikroskopischen Bausteine – das heißt auf Basis einzelner Atome und Moleküle.
Abb.: Schema der Äquivalenz zwischen Operation von Makro- (links) und Mikrozuständen (rechts; Bild: P. Boes et al.)
Das Forscherteam um Jens Eisert vom Fachbereich Physik der Freien Universität konnte zeigen, dass kanonische Gesamtheiten als natürliche Beschreibung von Systemen auftreten, deren genauen mikroskopischen Zustand man nur unvollständig kennt. Durch diese Einsicht lässt sich die enge Verbindung zwischen statistischer Mechanik und Thermodynamik neu verstehen. Von den Erkenntnissen erhoffen sich die Wissenschaftler in erster Linie neue Einsichten über die Grundlagen der Thermodynamik, aber möglicherweise auch Anwendungen in den Quanten-
Als der US-amerikanische Physiker Josiah Willard Gibbs (1839–1903) im Jahr 1902 das Konzept von kanonischen Gesamtheiten einführte, legte er damit den Grundstein für die Theorie der statistischen Mechanik; er revolutionierte das Verständnis für den Zusammenhang zwischen den Gesetzen der Thermodynamik und den Regeln, denen die atomaren Bestandteile von Gasen, Flüssigkeiten und Festkörpern unterliegen. Gibbs konnte zeigen, dass ein solches System – wenn es sich auf atomarer oder molekularer Ebene wie eine kanonische Gesamtheit verhält – makroskopisch den Gesetzen der Thermodynamik folgt.
So groß dieser Erfolg auch war, offen blieb die Frage, unter welchen Umständen sich Systeme im Kleinen überhaupt wie kanonische Gesamtheiten verhalten, sodass Gibbs‘ Ergebnisse auf sie zutreffen. Obwohl seit 1902 diese Umstände deutlich besser verstanden worden sind, so existiert doch noch keine endgültige Antwort auf diese Frage. Das Forscherteam um Jens Eisert präsentierte in dem Aufsatz mithilfe eines völlig neuen Ansatzes nun einen interessanten Fortschritt.
In ihrem Artikel untersuchen die Forscher die möglichen thermodynamischen Zustände physikalischer System, die man präparieren kann, wenn man nur partielle Information über den Anfangszustand des Systems und seiner thermischen Umgebung hat. Sie zeigten in dem Aufsatz, dass die erreichbaren Zustände solcher Systeme exakt durch kanonische Gesamtheiten beschrieben werden. Kanonische Gesamtheiten treten also automatisch auf, wenn der mikroskopische Zustand von Systemen nur unvollständig bekannt ist. Dieses Ergebnis wirft neues Licht auf die spezielle Rolle, die kanonische Gesamtheiten in der Beschreibung physikalischer Systeme auf der mikroskopischen Ebene haben.
FU Berlin / DE